Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke
Автор: Heinrich Zschokke
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027214945
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»Das glaub' ich, Graf, aber dem armen Volks desto mehr. Es weiß die Menge der Steuern und Auflagen kaum noch zu erschwingen. Sie sollten ein wenig barmherziger mit uns umgehen.«
»Mit uns? – Tue ich nicht alles für den Hof?«
»Nein, barmherziger mit dem Volke sollten Sie verfahren, meine ich.«
»Mein Prinz, ich weiß, welche Achtung ich Ihren Worten schuldig bin. Der König mit seiner erlauchten Familie ist das Volk, dem ich diene; das, was man Volk nennt, kann in seine Betrachtung kommen. Das Land ist des Königs Eigentum. Völker sind nur insofern achtbar, als sie, gleich anderen Nullen, die der Hauptzahl folgen, den Wert derselben vergrößern. Aber es ist hier nicht der Augenblick, den abgedroschenen Wortkram über den Wert der Völker zu erneuern; sondern ich bitte um gnädigen Entscheid, ob ich die Ehre haben soll, Ihre Schulden auf die bewußte Weise zu beseitigen?«
»Antwort: nein, nein und nimmermehr auf Unkosten von hunderttausend und mehr armen Familien.«
»Königliche Hoheit, es geht ja nur auf Rechnung des Hauses Abraham Levi. Und wenn ich dies Haus nötige, Ihnen noch zu den Quittungen Ihrer Schulden fünfzigtausend Gulden bar zuzulegen? Ich denke, es läßt sich machen. Das Haus gewinnt durch die einzige Operation so viel, daß –«
»Vermutlich auch für Sie, Herr Graf, noch ein artiges Trinkgeld herauskommt.«
»Ihre königliche Hoheit belieben zu scherzen. Ich gewinne dabei nichts. Ich brenne nur vor Begierde, Ihre Huld wieder zu erhalten.«
»Sie sind sehr gütig.«
»Also darf ich hoffen, mein Prinz?«
»Herr Graf, ich werde tun, was recht ist; tun Sie Ihre Pflicht.«
»Meine Pflicht ist, Ihnen zu dienen. Morgen lasse ich den Levi berufen, schließe den Handel mit ihm ab und habe die Ehre, Ihrer königlichen Hoheit die besagten Quittungen zu überreichen nebst Anweisung auf fünfzigtausend Gulden.«
»Gehen Sie, ich mag davon nicht hören.«
»Und Ihre königliche Hoheit wenden mir Ihre Gnade wieder zu? Denn ohne im Ministerium zu stehen, könnte ich dem Abraham Levi unmöglich –«
»Ich wollte, Sie und Ihr Ministerium und Ihr Abraham Levi säßen alle drei auf dem Blocksberg. Das sag' ich Ihnen, entsteht eine Kornsperre, läßt die Teuerung der Lebensmittel nicht auf der Stelle nach, verkauft Ihr Judenhaus nicht das aufgespeicherte Getreide sogleich um den Ankaufspreis, so gehe ich ohne weiteres zum König, decke ihm alle Schelmereien auf und helfe Sie samt dem Abraham Levi aus dem Lande jagen. Verlassen Sie sich darauf – ich halte Wort.«
Philipp drehte sich um, ging in den Tanzsaal und ließ den Finanzminister ganz versteinert hingepflanzt stehen.
7.
»Wann befehlen, Ihre königliche Hoheit, daß der Wagen vorfahren soll?« flüsterte ihm eine Stimme zu, als er durch die Masten im Saal entlang ging. Es war ein dicker holländischer Kaufmann mit einer Stutzperücke, der die Worte an ihn richtete.
»Ich fahre nicht.«
»Es ist halb zwölf Uhr vorbei. Prinz. Die schöne Sängerin erwartet Sie. Sie hat Langeweile.«
»So mag sie sich etwas singen.«
»Wie, Prinz, hätten Sie Ihren Sinn geändert? – Die reizende Rollina wollten Sie im Stich lassen? – Den goldenen Augenblick verlieren, nach dem Sie seit zwei Monaten vergebens seufzten? – Ihr Billett, das, Sie diesen Morgen durch mich an Signora Rollina mit der Brillanten-Uhr schickten, tat dies Wunder. Die stolze Spröde ergibt sich. Sie waren den Mittag noch so hoch entzückt, und nun mit einem Male so kalt wie Eis? Was ist mit Ihnen vorgegangen? Die Verwandlung begreife ich nicht.«
»Das gilt mir gleich.«
»Sie haben mir aber befohlen. Sie um halb zwölf Uhr zu begleiten. Hätten Sie andere Engagements?
»Freilich.«
»Etwa ein Souper bei der Gräfin Born? Sie ist nicht am Ball erschienen – wenigstens ist hier unter allen Masken keine Spur von ihr. Ich könnte sie an ihrem Gang und ihrer eigenen Art, das niedliche Köpfchen zu tragen, unter Tausenden unterscheiden. Wie, Prinz?« »Und wenn es wäre, müßt' ich's Ihnen anvertrauen?«
»Ah, ich verstehe und schweige. Wollen Sie aber die Signora Rollina nicht wenigstens wissen lassen, daß Sie nicht kommen werden?«
»Hat sie mich zwei Monate nach ihr seufzen lassen, so mag sie auch einmal zwei Monate für mich seufzen. Ich gehe nicht.«
»Also aus dem prächtigen Halsschmuck, den Sie ihr zum Neujahrsgeschenk bestimmten, wird nun vermutlich auch nichts.«
»Wenn's auf mich ankommt, schwerlich.«
»Wollen Sie ganz mit ihr brechen, gnädigster Herr?«
»Ich habe mit ihr noch nicht angebunden.«
»Nun denn, Prinz – so darf ich offen sein. So darf ich die Wahrheit sagen, die Sie vielleicht aber schon wissen. Ich vermute es wenigstens aus Ihrer schnellen Sinnesänderung. – Nur Ihre Leidenschaft für die Rollina schreckte mich ab, es Ihnen früher zu gestehen. Sie sind betrogen.«
»Von wem?«
»Von der listigen Operistin. Sie würden die Gunst derselben mit einem Juden teilen müssen.«
»Mit einem Juden?«
»Nun ja, mit dem Sohn des Abraham Levi.«
»Ist der Schelm denn überall?«
»Sie wissen also noch nicht? Ich sag Ihnen die heilige Wahrheit. Wären Ihre königliche Hoheit nicht dazwischengekommen, der Jude würde die feile Schöne öffentlich unterhalten. Es tut mir nur um die Uhr leid.«
»Mir nicht.«
»Die Metze verdient den Staupbesen.«
»Es wird mancher nicht nach Verdienst gewürdigt.«
»Königliche Hoheit, nur zu wahr. Zum Beispiel, ich habe neulich ein Mädchen entdeckt – o Prinz, die ganze Stadt und daß ganze Königreich hat nichts Schöneres, nichts Lockenderes aufzuzeigen. Aber wenige Menschen kennen das himmlische Geschöpf. Puh, was ist die Rollina daneben! Eine alte Hexe von Denner. Sehen Sie, ein Mädchen schlank und schwank, wie ein Rohr; eine Farbe, eine zarte Haut, wie Abendrot auf Schnee; ein Paar Augen, wie Sonnen; ein goldener, dicker Haarwuchs – kurz, in meinem Leben sah ich nichts Schöneres. Aber wer würdigt diese Venus? Es ist eine Liebesgöttin in bürgerlicher Haube. Auf diese müssen wir Jagd machen.«
»Also ein Bürgermädchen?«
»Freilich nur eine Grisette, aber – nein, Sie müssen sie sehen, und Sie werden brennen. Was hilft da mein СКАЧАТЬ