Название: Karin Bucha Staffel 2 – Liebesroman
Автор: Karin Bucha
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Karin Bucha Staffel
isbn: 9783740911492
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»Dieses Dusseltier von einem Nachtwächter ist nicht zu erreichen.«
»Er wird seine Runde gehen«, erwidert Patricia. »Das ist ja schließlich seine Pflicht.«
Sichtlich verärgert über ihren offenen Ton schnauft er wütend durch die Nase. »Ich brauche ihn aber sehr dringend.«
Altes Scheusal – denkt Patricia empört –, wie kann er sich über einen Angestellten aufregen, der nur seine Pflicht tut? Er geht überhaupt mit ihnen um wie mit Marionetten, die er an der Strippe führt, wie es ihm gerade in den Sinn kommt.
Sie legt ihm die Mappe vor und sagt kurz: »Wenn es Sie beruhigt, werde ich Gottfried suchen.«
Er knurrt etwas, was sie nicht versteht. Es interessiert sie auch nicht. Sie überlegt nur, was er von Gottfried will.
Sie kennt diesen alternden Mann einigermaßen. Er ist höflich, pünktlich und nimmt sein Amt sehr genau. Hoffentlich hat der Chef nicht wieder etwas auszusetzen! Bei diesem Gedanken muß sie leise vor sich hin lachen. Jetzt nennt sie den Generaldirektor in Gedanken auch schon den Chef.
Das Verwaltungsgebäude ist ein großer, langgestreckter Bau. Patricia kennt jede Abteilung. Um diese Zeit brennen nur die Notlampen. Sie eilt die leeren Gänge entlang in der Hoffnung, Gottfried irgendwo aufzustöbern.
Als sie sich dem Gemeinschaftsraum nähert, wo die auswärts wohnenden Angestellten ihr Mittagessen einnehmen, bleibt sie ruckartig stehen. Kinderweinen vermeint sie zu hören.
Sie öffnet die Tür und bleibt bestürzt stehen.
An einem der Tische sitzt ein kleines Mädchen und weint bitterlich.
Im Nu ist Patricia bei ihr und legt den Arm um das Kind.
»Du lieber Himmel, wie kommst du denn hierher? Und warum weinst du? Um diese Zeit hast du doch zu schlafen. Wer bist du?«
Das Kind lehnt sich an Patricia, als suche es Schutz, und schluchzt weiter.
Es ist ein sehr hübsches Kind, blondlockig. Patricia hebt den Kopf empor. Sie sieht in zwei dunkelblaue verquollene Augen.
»Hast du Angst vor mir?« fragt Patricia liebevoll. Das Kind schüttelt heftig den Kopf. »Nun rede doch endlich. Was hast du hier zu suchen um diese Zeit?«
Noch ein paar Schluchzer. Das kleine Mädchen scheint zu spüren, daß es Patricia gut mit ihr meint. Sie löst sich aus Patricias Umarmung, fährt sich mit dem Handrücken über die Augen und stammelt:
»Vati läßt mich heute so lange warten. Ich glaube, er hat mich vergessen. Dabei weiß er doch, daß ich ihm das Essen bringe, wenn er nicht pünktlich heimkommt.«
»Dein Vati?« fragt Patricia erstaunt, und das kleine Mädchen nickt.
»Wer ist denn dein Vati?«
»Peter heißt er, und ich bin Monika Bendler!«
»Soso«, macht Patricia und überlegt fieberhaft, in welcher Abteilung dieser Peter Bendler arbeitet. Endlich fällt es ihr ein. Peter Bendler ist der Oberbuchhalter. Ein schwer zugänglicher, meist traurig dreinblickender Mann, der ihr schon ein paarmal aufgefallen ist durch seine Schroffheit.
»Wie hast du das alles nett angerichtet, Monika«, sagt sie und betrachtet den Aufbau. Ein Dreiecktuch, darauf eine Tasse. Daneben ein Teller mit Broten, noch eingepackt. Eine Thermosflasche.
Unwillkürlich läuft Patricia das Wasser im Munde zusammen, und ihr kommt zum Bewußtsein, daß sie großen Hunger hat.
Sie drückt das Kind auf den Stuhl. »Warte, Monika«, sagt sie freundlich und streichelt über die blonden Locken. »Ich suche deinen Vati.« Von der Tür her sagt sie noch einmal: »Nicht weglaufen, Monika, hörst du?«
Das Kind nickt und bleibt gehorsam sitzen. Da fällt Patricia etwas ein, und sie kehrt noch einmal zurück. »Sag mal, Monika. Warum kommt denn deine Mutter nicht?«
Die Augen des Kindes werden kugelrund. »Das weißt du nicht? Mutti ist doch tot.«
Patricia empfindet heißes Mitleid mit der Kleinen. »Kommst du öfter hierher?«
»Nur wenn Vati nicht pünktlich heimkommt.«
»Und machst du das alles selbst zurecht?« erkundigt Patricia sich weiter.
»Ja! Wo ich doch schon zehn Jahre alt bin.« Das klingt, als wolle sie sich gegen eine Beleidigung wehren.
Patricia lächelt gewinnend. »Das ist allerdings schon ein sehr hohes Alter, und du bist scheinbar eine kleine perfekte Köchin und obendrein ein gutes Hausmütterchen.«
»Wer soll sich denn sonst um Vati kümmern?« Das klingt vorwurfsvoll.
»Natürlich, Monika. Das verstehe ich. Also, ich hole deinen Vati.«
Rasch schließt sie die Tür hinter sich. Irgendwie hat das Schicksal des kleinen Mädchens, das so selbständig handelt in der Fürsorge um den Vater, sie tief ergriffen.
Sie denkt nicht mehr an den Zweck ihres Suchens. Nur noch an das kleine Mädchen, das so hilflos und verlassen in dem Gemeinschaftsraum saß, während ihr Vater Sie steigert sich in eine Empörung hinein, die durch die Gedankenlosigkeit eines Vaters verursacht war.
Heftig reißt sie die Tür zur Buchhaltung auf. Richtig! In dem abgetrennten, mit Glaswänden versehenen Raum sitzt Peter Bendler über den dicken Büchern. Er ist so vertieft in seine Arbeit, daß er ihren Eintritt völlig überhört. Erst als sie neben ihm steht und ihn hart anfährt, sieht er geistesabwesend hoch.
»Erlauben Sie mal, Herr Bendler. Es geht auf Mitternacht. Unten wartet Ihr kleines Mädchen mit einem Imbiß für Sie, und Sie denken nur an die Arbeit.«
»Was? Monika ist da?«
Pat sieht ihn eindringlich aus ihren großen dunklen Augen an.
»Konnten Sie sich nicht denken, daß Monika kommt, wenn Sie Überstunden machen? Ich nehme an, es geschieht nicht zum erstenmal.«
»Nein, nein, gewiß nicht. Ich habe Monika einfach vergessen.«
Er scheint ihre Vorwürfe kaum vernommen zu haben. Schnell schlägt er das Buch zu und erhebt sich. Er ist hochgewachsen, mit breiten Schultern und schmalen Hüften. Sein braunes Haar ist schlicht zurückgekämmt. Die blauen Augen tragen einen Ausdruck von Kummer und Leid. Patricias Zorn ist verraucht. Sicher trauert er um die verlorene Gattin. Er scheint kaum dreißig Jahre alt zu sein, schätzt sie. Aber dann fällt ihr Monika ein, die schon zehn Jahre alt ist, und sie ist überzeugt, daß das Aussehen des Mannes täuscht. Er muß älter sein.
»Die arme Moni«, hört sie ihn sagen, und schon eilt er an ihr vorbei. Kopfschüttelnd sieht sie hinter ihm her. Ein zehnjähriges Mädchen und dieser bei allem Ehrgeiz weltfremde Mann?
Plötzlich weiß sie nicht, wer ihr mehr leid tut, der Mann oder das mutterlose Kind. Langsam geht sie hinterher.
Auf dem Flur stößt sie mit Generaldirektor Baumann zusammen.
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