Название: Die Schlucht
Автор: Иван Гончаров
Издательство: Public Domain
Жанр: Русская классика
isbn:
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Sie schwiegen beide.
»Ich werde das Porträt mitnehmen,« sagte er dann plötzlich.
»Weshalb? Sie sagten doch, Sie wollten mir damit ein Geschenk machen!«
»Nein, ich will einiges daran ändern: ich will daraus . . . eine Büßerin machen . . .?
Sie lachte wieder hell auf.
»Machen Sie daraus, was Sie wollen, Cousin – Gott mit Ihnen!«
»Und auch mit Ihnen! Aber . . . Cousine . . .«
Er hielt in seiner Rede ein: es war ihm plötzlich, als fiele ihm eine Last vom Herzen. Er lachte gutmütig, halb über sie und halb über sich selbst.
»Aber . . . aber sollen wir wirklich so voneinander scheiden: so kalt, so gar nicht als Freunde, so verärgert, fast als Feinde?« brach es plötzlich aus ihm hervor, und sein ganzer Zorn schien verraucht. Er erhob sich und streckte ihr die Hand entgegen, und seine Augen ruhten wieder wie verzückt auf ihrer Gestalt. Es verlangte ihn nach der früheren Freundschaft, nach der alten, harmlosen Vertraulichkeit. Noch war der Eindruck nicht verwischt, den sie auf ihn gemacht hatte, noch stand er, wie er sie vor sich sah, im Banne ihrer Schönheit. In seiner Stimme klang noch immer ein leises Zittern, und die angeborene Gutmütigkeit, die bösen Gefühlen in seiner Seele keinen Raum gab, trat deutlich zutage.
»Als Freunde! Wie sind Sie mit meiner Freundschaft umgegangen?« sagte sie im Tone des Vorwurfs.
»Geben Sie sie mir zurück, Cousine,« bat er, »vergeben Sie Ihrem ein klein wenig . . . verliebten Cousin, und leben Sie wohl!«
Er küßte ihr die Hand.
»Werde ich Sie nicht mehr sehen?« fragte sie lebhaft.
»Für diese Frage bitte ich, nochmals Ihre Hand küssen zu dürfen. Ich bin wieder der Raiski von früher und rufe Ihnen zu: lieben Sie, Cousine, genießen Sie, denken Sie an alles das, was ich Ihnen dereinst gesagt habe . . . nur vergessen Sie Ihren Vetter Raiski nicht ganz! Aber warum mußten Sie sich nur in diesen . . . Grafen verlieben?« fügte er leise, mit bedauerndem Lächeln hinzu.
»Sie reden schon wieder von ›verlieben‹! . . .«
»Verstellen Sie sich doch nicht länger, ich bitte Sie! Gott mit Ihnen, Cousine – was geht es mich schließlich an? Ich verschließe meine Augen und Ohren, ich bin blind, taub und stumm,« sagte er. »Aber wenn Sie wirklich einmal,« fügte er plötzlich hinzu und sah ihr gerade in die Augen – »alles das empfinden sollten, was ich Ihnen heute hier sagte oder voraussagte, ja vielleicht erst in Ihnen geweckt habe . . . werden Sie es mir dann eingestehen? Ich verdiene wirklich Ihr Vertrauen!«
»Sie wollen also durchaus, daß ich Sie beleidigen soll?«
»Tut nichts, ich will ein Held sein, ein Ritter der Freundschaft, das Musterbild eines Cousins! Ich habe es mir überlegt und finde, daß solch eine Freundschaft zwischen Cousin und Cousine doch ganz nett ist, und ich nehme die Ihrige an.«
»A la bonne heure!« sagte sie und reichte ihm die Hand. »Und wenn ich das, was Sie da vorausgesagt haben, wirklich einmal fühlen sollte, dann sollen Sie es wissen, Sie ganz allein und sonst niemand in der Welt. Aber das wird nie geschehen, kann nie geschehen!« fügte sie hastig hinzu. »Genug, Cousin – ich höre einen Wagen vorfahren: das werden die Tanten sein.«
Sie stand auf, warf rasch vor dem Spiegel einen Blick auf ihre Toilette und ging den Tanten entgegen.
»Und werden Sie meine Briefe beantworten?« fragte er, während er hinter ihr herschritt.
»Mit Vergnügen – nur darf nichts von Liebe darin stehen.«
»Sie ist unverbesserlich!« dachte er im stillen. »Doch – wir wollen sehen, was nun weiter wird!« Still und nachdenklich, den irrenden Blick tief in sich gekehrt, schritt er dahin. Die quälende Pein der Enttäuschung, der verletzten Eigenliebe schwand nach und nach. Die Leidenschaft war verraucht, und Sophie selbst, die eitle, kalte Frau, hörte auf, für ihn zu existieren; der bunte Flitter, mit dem seine Phantasie ihre Gestalt ausgeschmückt hatte, zerstob in nichts, und die Ahnenbilder, die Tanten, selbst der verhaßte Milari, waren wie in der Versenkung verschwunden.
Vor ihm erhob sich wie aus einem Nebel eine weibliche Gestalt: nicht Sophie war es, sondern das Bild! Nein, das war nicht Sophie, sondern ein Idealbild strenger, reiner Frauenschönheit, von antiker, unvergänglicher Würde. Er war ganz versenkt in dieses Gebilde seines schöpferischen Träumens, das sich zu einem grandiosen Gemälde auswuchs und all sein Sinnen und Denken fesselte.
Er vertiefte sich ganz in diese künstlerische Vision und wagte kaum zu atmen, um dieses seelische Erleben, das sich in ihm vollzog, nicht zu stören.
Die Frauengestalt, die seinem Geiste vorschwebte, hatte das Antlitz Sophiens, erschien ihm jedoch im übrigen als eine weiße, kalte Statue irgendwo in der Wüste, unter einem hellen, vom Mondenschein erleuchteten Himmel, an dem man den Mond jedoch nicht sah; zwischen nackten Bergen, toten Bäumen und stillen Wassern sah er sie, und seltsames Schweigen ruhte über dem Ganzen. Sie hatte das steinerne Antlitz zum Himmel gewandt, ihre Hände ruhten auf den Knien, und ihr Mund war halb geöffnet, als erwarte sie, aus dem starren Schlummer geweckt zu werden.
Und plötzlich erglomm hinter den Felsen ein helles Licht, das Laub der Bäume erbebte, und die Wasserläufe begannen leise zu rauschen. Ein Erschauern, wie von einem lebenden Wesen, ging durch die Zweige, irgend jemand schien durch den Wald zu eilen, irgendwo klang es wie ein Seufzen – die Luft geriet in Bewegung, und ein Strahl vergoldete die weiße Stirn der Statue; die Lider öffneten sich langsam, ein Licht fiel auf die Brust; der kalte Leib erzitterte, die bleichen Wangen röteten sich, und über die Schultern ging es wie ein Zucken.
Das Haar, das in einen Knoten gesteckt war, fiel in reicher Flut über den Rücken; der bleiche Stein färbte sich rosig, wie eine lebendige Welle glitt es über die Hüften, die Knie erbebten, ein Seufzer löste sich aus der Brust – die Statue war zum Leben erwacht und ließ den freudigen Blick in die Runde schweifen . . .
Und tiefer und tiefer drangen die Wellen des Lebens in die erwachende Gestalt . . .
Die Glieder wurden lebendig und waren Fleisch und Blut geworden; die Statue rührte sich, ließ die weitgeöffneten, strahlenden Augen in die Runde schweifen, schien um etwas zu bitten, etwas zu erwarten, sich nach etwas zu sehnen. Die Luft wurde mild und warm; über ihr Haupt streckten sich die Zweige, zu ihren Füßen begannen Blumen zu sprießen . . .
Raiski schritt still dahin, ganz in das Bild vertieft, das ihm vor der Seele schwebte: immer lebendiger, immer heller und deutlicher sah er die Statue und alles rings um sie . . . Und als er dann zu Hause angelangt war, hatte die Schöpfung seiner Phantasie allmählich wieder die Gestalt Sophies angenommen.
Die Wüste war verschwunden; er sah Sophie wieder in ihrem Zimmer, eingezwängt in ihr Kleid, eine Beethovensche Sonate spielend und mit innerem Erbeben auf das leidenschaftliche Flüstern des bleichen Milari lauschend. Doch empfand er weder Eifersucht noch Schmerz, sondern schaute nur voll Entzücken auf die Schönheit dieses für ihn neuen, gleichsam wiedergeborenen Weibes. Er schwelgte bereits in ihrer Liebe, empfand ihre Lust und Wonne mit und verging vor Begierde, in Bildern und Tönen wiederzugeben, was er empfand. Der Liebhaber in ihm war tot, der uneigennützige Künstler war wieder erwacht.
»Nein, der Künstler darf nirgends Wurzel schlagen, darf sich nicht СКАЧАТЬ