Название: Die Schlucht
Автор: Иван Гончаров
Издательство: Public Domain
Жанр: Русская классика
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»Dann brauchen Sie doch auch keine Angst zu haben, sich mir anzuvertrauen!« versetzte er düster.
»Parole d’honneur. ich habe nichts anzuvertrauen.«
»Doch, doch, Cousine!«
»Was soll ich Ihnen denn nun anvertrauen, dites positivement!«
»Wohlan denn: sagen Sie mir – fühlen Sie nicht, daß etwas sich in Ihnen gewandelt hat, seit dieser Milari. . .«
Der freundliche Ausdruck ihres Gesichtes verschwand, und sie nahm wieder eine gezwungene, kalte Miene an.
»Nein, nein, pardon – ich will ihn nicht nennen. . . seit er, will ich sagen, in Ihrem Hause verkehrt?«
»Hören Sie, Cousin . . .« begann sie, hielt einen Augenblick inne und war offenbar verlegen, wie sie fortfahren sollte – »angenommen, es wäre . . . enfin si c’etait vrai – aber das ist ganz ausgeschlossen,« fügte sie rasch wie in Parenthese hinzu – »was . . . was ginge es Sie an, nachdem Sie doch . . .«
Er brauste auf.
»Was es mich anginge?« fuhr er jäh heraus und sah sie mit großen Augen an. »Was es mich anginge, Cousine? Sie sollten zu einem ersten besten Parvenu, irgendeinem Milari, einem hergelaufenen Italiener hinabsteigen – Sie, eine Pachotina, Sie, der Stern, der Stolz, die Perle unserer Gesellschaft? Sie . . . Sie!« wiederholte er im Tone höchsten Erstaunens, ja fast mit Entsetzen.
Sie sah ihn ganz verwundert an, wie er so unerwartet aufbrauste und wütende Blicke um sich warf.
»Erstens ist er Graf . . . und nicht ein erster bester Parvenu . . .« sagte sie.
»Er hat den Grafentitel gekauft oder gestohlen!« rief er in heftiger Erregung. »Das ist einer jener Abenteurer, die nach Lermontows Worten zu uns kommen, ›um Glück und Ehren einzuheimsen‹, die sich in die vornehmen Häuser einschleichen, sich um die Protektion der Frauen bewerben, ein fettes Amt erwischen und dann später die Grandseigneurs spielen. Seien Sie auf der Hut, Cousine, ich halte es für meine Pflicht, Sie zu warnen! Ich spreche als Ihr Verwandter!« Alles das sagte er fast mit schäumendem Munde.
»Kein Mensch hat an ihm etwas Derartiges beobachtet!« sprach sie mit wachsendem Erstaunen. »Wenn Papa und mes tantes ihn empfangen . . .«
»Papa und mes tantes!« wiederholte er verächtlich. »Die wissen viel! Hören Sie nur auf sie!«
»Auf wen soll ich denn sonst hören – auf Sie?«
Sie lächelte.
»Ja, Cousine, und ich sage Ihnen: seien Sie auf der Hut, das sind gefährliche Eindringlinge! Hinter dieser interessanten Blässe, diesen katzenartig weichen Manieren verbirgt sich vielleicht Schamlosigkeit, Habgier und Gott weiß, was sonst noch! Er wird Sie kompromittieren . . .«
»Aber er ist doch überall eingeführt, er ist sehr bescheiden, zartfühlend, wohlerzogen . . .«
»Alles das sehen Sie nur in Ihrer Phantasie, Cousine – glauben Sie mir!«
»Aber Sie kennen ihn doch nicht, Cousin!« entgegnete sie lächelnd. Sein plötzlich erwachter Zorn begann sie zu belustigen.
»Ein Augenblick genügte mir, um sogleich zu sehen, daß er einer jener Industrieritter ist, die zu Hunderten aus Italien zu uns kommen, vom Hunger getrieben, um sich hier satt zu essen . . .«
»Er ist ein Künstler,« entgegnete sie – »und wenn er nicht öffentlich auftritt, so geschieht es nur, weil er ein Graf und ein reicher Mann ist . . . c’est un homme distingué!«
»Ah, Sie verteidigen ihn – ich gratuliere! Das also ist der Glückliche, auf den das Licht von den Höhen des Olymps gefallen ist! O, Cousine, Cousine – auf wem haben Sie da Ihren Blick ruhen lassen! Kommen Sie zur Besinnung, um Gottes willen! Wollen Sie wirklich, mit Ihren vornehmen Begriffen vom Leben, sich zu einen ersten besten Fremden herablassen, der seinen Grafentitel vielleicht zu Unrecht trägt? . . .«
Sie hatte bereits ihre ganze heitere Stimmung wiedergewonnen und schien alle Furcht und Vorsicht vergessen zu haben.
»Und Jelnin?« fragte sie plötzlich.
»Was soll hier Jelnin?« fragte er, als sie ihm so unerwartet ins Wort fiel. »Jelnin . . . Jelnin . . .« – er stockte in seiner Rede – »das war eine kindliche Torheit, die unschuldige Schwärmerei eines Schulmädchens. Hier aber ist eine Leidenschaft im Spiel, flammende, gefährliche Leidenschaft!«
»Nun denn – auch Sie hegten doch eine Leidenschaft für mich – warum soll nicht auch ich mich leidenschaftlich verlieben?« versetzte sie lachend. »Ist es nicht gleich, ob ich mit Jelnin da hinausgehe« – sie wies durchs Fenster nach der Straße – »oder mit dem Grafen? Dort erwartet mich doch das Glück, das wirkliche, volle Leben?«
Raiski biß die Zähne aufeinander, setzte sich fester in den Sessel und schwieg zornig. Er las es deutlich in ihren Zügen, daß sie sich über ihn lustig machte.
»Ach!« rief er mit einer unwilligen Bewegung. Er war aufs heftigste erregt – nicht, weil er sich auf einem Widerspruch ertappt fühlte, oder weil Sophie ihm für immer zu entschlüpfen schien, sondern weil die Möglichkeit, daß ein anderer sie erringen könnte, ihm die heftigsten Qualen verursachte. Wäre dieser andere nicht gewesen, dann hätte er sich in Ruhe und Demut seinem Schicksal gefügt.
Und nun blickte sie triumphierend auf ihn, so ruhig, so klar. Sie war im Recht – und er war in diese törichte, höchst unbehagliche Situation hineingeraten!
»Was soll ich nun tun, Cousin: soll ich ihnen« – sie wies auf die Ahnen – »Glauben schenken, oder soll ich alles von mir werfen, auf niemand hören, mich in das große Menschenmeer stürzen und ein ›neues Leben‹ beginnen?«
»Auch hier sind Sie sich selbst treu geblieben,« rief er plötzlich freudig aus, als hätte er einen Strohhalm erblickt, an dem er sich festhalten konnte – »der Segen der Ahnen wird Ihnen nicht entgehen: Ihre Wahl ist doch wenigstens auf einen Grafen gefallen! Hahaha!« lachte er krampfhaft auf. »Würden Sie ihn dieser Aufmerksamkeit wohl auch gewürdigt haben, wenn er zufällig nicht Graf wäre? – Tun Sie, was Sie wollen!« fuhr er, ärgerlich die Achseln zuckend, fort – »Sie haben ja schließlich recht: was geht mich das alles an? Ich sehe, daß dieser homme distingué mit seiner geschmackvollen, verständigen, originellen, so angenehm vibrierenden Unterhaltung bereits Besitz genommen hat von . . . von . . . nicht wahr, nicht wahr?« Er lachte gezwungen auf.
»Nun, das ist ja herrlich! Italien, der ewig blaue Himmel, die Sonne des Südens, die Liebe . . .« fuhr er fort und wippte in der Erregung mit dem Fuße hin und her.
»Das stand doch auch in Ihrem Programm!« versetzte sie.
»Auch Sie wollten mich ja in ferne Länder schicken, sogar in ein finnisches Dorf, wo ich ›ganz allein wäre mit der Natur‹ . . . Nach Ihrer Logik müßte ich doch jetzt vollkommen glücklich sein!« sagte sie spöttisch. »Ach, Cousin!« fügte sie hinzu und lachte hell auf, unterdrückte jedoch plötzlich ihr Lachen.
Er warf einen düsteren Blick auf sie. Sie hatte wieder die gewohnte, nachdenklich kalte Miene, die Vorsicht war wieder obenauf bei ihr.
»Beruhigen Sie sich: nichts von alledem trifft bei mir zu,« sagte sie freundlich, »und es bleibt СКАЧАТЬ