Название: Die Schlucht
Автор: Иван Гончаров
Издательство: Public Domain
Жанр: Русская классика
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Sie schwieg.
»Jetzt liegt die Sache natürlich anders: jetzt sind Sie froh, daß ich abreise,« fuhr er fort. »Alle anderen können dableiben – nur ich allein muß fort . . .«
»Warum?«
»Weil ich allein Ihnen in diesem Augenblick unbequem bin, weil ich allein Ihr Geheimnis, das erst noch im Keim vorhanden war, erraten habe. Aber . . . wenn Sie mir dieses Geheimnis nun selbst anvertrauen, dann werde ich Ihnen – nach ihm natürlich – teurer sein als alle anderen ». . .«
Sie machte eine Bewegung, erhob sich, schritt durchs Zimmer, betrachtete die Wände, die Porträts, warf einen Blick in die offene Zimmerflucht und nahm dann, als sähe sie keinen Ausweg aus der Situation, mit sichtlicher Ungeduld wieder im Sessel Platz.
»Aber . . .« begann er wieder in sanftem, freundschaftlichem Tone – »ich liebe Sie, Cousine« – sie richtete sich empor bei diesen Worten – »ich liebe Sie trotz allem, liebe Sie um Ihrer berückenden Schönheit willen, ob Sie es wollen oder nicht; sie beherrschen mich ganz, können alles aus mir machen – und Sie wissen das . . .«
»Hören Sie, Cousin . . . Sie wollen mich davon überzeugen, daß Sie etwas wie . . . eine Leidenschaft empfinden,« sagte sie, um ihm einen kleinen Schritt entgegenzukommen und womöglich seine zudringliche Analyse von sich abzulenken. »Täuschen Sie sich da nicht vielleicht . . . natürlich unbewußt?« fügte sie rasch hinzu, als sie an seiner Miene zu sehen glaubte, daß er ihr am liebsten sogleich wieder mit einem ganzen Monolog erwidert hätte. »Noch vor zwei Monaten war nichts Derartiges vorhanden, höchstens einmal eine Anwandlung – und nun mit einem Male! . . . Sie sehen, daß das unnatürlich ist . . . Ihre Begeisterung, Ihre Qualen – verzeihen Sie, Cousin, ich glaube Sie Ihnen nicht, und darum habe ich für Sie auch nicht die Schonung, auf die Sie Anspruch machen möchten. So leid es mir tut – ich werde Ihnen Ihre Stellung als Cousin kündigen müssen: Sie sind ein sehr unruhiger Cousin und Freund . . .«
»Eine Leidenschaft bedarf nicht ganzer Jahre zur Entwicklung, Cousine: sie kann im Augenblick aufflammen.. Ich sage nicht, daß ich vor Verzweiflung sterben werde, daß es sich für mich um eine Lebensfrage handelt – nein; Sie haben mir nichts gewährt und können mir darum auch nichts nehmen außer den Hoffnungen, die ich selbst in mir erweckt habe . . . Diese Empfindung wird bald vorübergehen – gewiß, ich weiß es. Das ganze Gefühl wird sich nicht vertiefen, weil ihm die Nahrung fehlt – nun, Gott sei auch dafür gedankt!«
Er seufzte auf.
»Was wollen Sie eigentlich?« fragte sie.
»Mich beleidigt Ihr Erschrecken darüber, daß ich Ihnen ins Herz gesehen . . .«
»Es ist nichts darin,« sagte sie monoton.
»Doch, doch – und es ist mir schmerzlich, daß Sie mir nicht einmal so viel Vertrauen schenken. Sie fürchten, ich könnte mit Ihrem Geheimnis nicht delikat genug umgehen. Es ist mir peinlich, daß mein Blick Sie ängstigt und beschämt. . . ach, Cousine – und dabei ist’s doch mein Werk, mein Verdienst oder meine Schuld, daß Sie aus dieser Verblendung herausgerissen wurden, als sei dieser Milari . . .«
Sie hatte ihm ruhig und gelassen zugehört, bei der Nennung dieses Namens jedoch erhob sie sich rasch.
»Wenn Ihnen an meiner Freundschaft etwas liegt, Cousin,« versetzte sie mit ein wenig veränderter, leicht zitternder Stimme – »und wenn Sie einigen Wert darauf legen, hier ein und aus zu gehen und . . . mich zu sehen . . . dann. . . nennen Sie keinen Namen!«
»Ja, ich habe das Richtige getroffen: sie liebt ihn!« entschied Raiski im stillen, und es war ihm leichter ums Herz, da die Frage nun doch wenigstens, wenn auch gegen ihn, entschieden und das Geheimnis heraus war. Er konnte nun schon auf Sophie, auf Milari und sogar auf sich selbst als objektiver Betrachter, gleichsam von der Seite her, blicken.
»Haben Sie doch keine Furcht, Cousine – nur um Gottes willen keine Furcht!« sagte er. »Eine schöne Freundschaft – den Freund wie einen Spion zu scheuen, sich vor ihm zu verstecken . . .«
»Ich brauche niemand zu scheuen und nichts zu verstecken!«
»Wie denn – und die Welt? und diese da?« Er zeigte nach den Ahnenbildern an der Wand. »Da, wie sie die Augen aufreißen! Aber bin ich denn einer von ihnen? Bin ich denn die Welt?«
»Ich hätte allerdings wohl Ursache, mich vor den Ahnen zu verstecken!« versetzte Sophie ganz ruhig und sicher – »wenn sie Sie hier gesehen und gehört hätten! Was hat es hier heut nicht alles gegeben: Vorwürfe und Liebeserklärungen und Eifersuchtsausbrüche . . . ich dachte, so etwas gäbe es nur auf der Bühne . . . Ach, Cousin! . . .« rief sie im Tone scherzhaften Vorwurfs und war wieder ganz Herrin ihrer selbst.
Sie hatte in der Tat nichts zu scheuen oder zu verstecken: Graf Milari war vielleicht sechsmal mit ihr zusammengewesen, stets in Gesellschaft anderer, er hatte gesungen, hatte ihr Spiel gehört und sich mit ihr unterhalten, doch war ihr Verkehr nie über die Grenze der gewohnten Höflichkeit, der höchstens eine ganz feine Nuance von seiner Schmeichelei beigemischt war, hinausgegangen.
Einer anderen hätte das vielleicht genügt, um den Namen des schönen Grafen beständig auf den Lippen zu tragen, sich durch seine Aufmerksamkeit geschmeichelt zu fühlen und mit ihm ein wenig zu kokettieren. Sophie jedoch wollte nicht einmal seinen Namen genannt haben und wußte nicht, wie sie Raiskis Redefluß hemmen sollte, als er so zur Unzeit mit seinem »erratenen Geheimnis« herausplatzte. Es lag kein Geheimnis vor, und wenn sie dieses »Erraten« nicht ganz gleichgültig hinnahm, so geschah es jedenfalls nur, um auch den letzten Schatten eines Verdachts bei ihm zu beseitigen.
Sie sollte verliebt sein – wie abgeschmackt! Gott möge sie davor bewahren! Und kein Mensch würde es ja auch glauben. Kühn und sicher, wie zuvor, hob sie wieder den Kopf empor und sah ihm ruhig ins Gesicht.
»Leben Sie wohl, Cousine!« sagte er in lässigem Tone.
»Bleiben Sie denn heut nicht bei uns?« fragte sie freundlich. »Wann reisen Sie?«
»Wie sie schmeichelt – wie pfiffig: sie will mir die Pille vergolden!« dachte Raiski.
»Was soll ich Ihnen?« versetzte er auf ihre Frage.
»Ich sehe, daß Sie auf meine Freundschaft keinen großen Wert legen!« sagte sie.
»Ach, reden Sie nicht von Freundschaft, Cousine! Seien Sie doch offen: Sie fürchten mich!«
»Ich habe, Gott sei Dank, noch nichts zu fürchten.«
»Noch nichts? Und wenn Sie doch einmal etwas zu fürchten haben sollten – werden Sie mich dann mit Ihrem Vertrauen beehren?«
»Aber Sie sagten doch, dieses Vertrauen würde für Sie beleidigend sein! Ich müßte doch fürchten . . .«
»Fürchten Sie nichts! Ich sagte bereits, daß meine Hoffnungen nur dann weiter grünen würden, wenn eine Gegenseitigkeit möglich wäre – und das ist doch nicht der Fall?« fragte er schüchtern und sah sie dabei forschend an, während er zugleich fühlte, daß trotz aller Aussichtslosigkeit seines Bemühens die Hoffnung noch nicht ganz in ihm erloschen war, weshalb er sich im stillen einen Dummkopf nannte.
Sie schüttelte als Antwort auf seine Frage langsam den Kopf.
»Und СКАЧАТЬ