Название: Die Schlucht
Автор: Иван Гончаров
Издательство: Public Domain
Жанр: Русская классика
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»Fi, quelles expressions!«
»Mit diesen Schwätzern, die sich in den Salons und Theaterlogen herumdrücken und mit ihren süßlichen Blicken, ihren verfänglichen Schmeicheleien und auswendig gelernten Witzen die Unterhaltung bestreiten? Nein, Cousine – wenn ich von mir selbst rede, dann sage ich, wie es mir wirklich ums Herz ist; die Stimme meines Herzens ist es, der meine Zunge Worte leiht. Ein Jahr lang verkehre ich nun in Ihrem Hau se: so lange trage ich Ihr Bild in Gedanken mit mir herum, und ich spreche nur aus, was ich tief innerlich fühle.«
»Was soll mir dieses Bekenntnis?« fragte sie plötzlich. Der Ton ihrer Frage machte ihn betroffen, und er schwieg. Da hatte er ja nun eine klare Antwort auf seine Frage, wie es um seine Hoffnungen auf die Generalschaft stände! Und er hätte sich damit begnügen können, ohne noch weiter zu fragen, aber er bohrte und fragte weiter.
»Sie . . . lieben mich nicht, Cousine?« fragte er leise, mit einschmeichelnder Stimme.
»O, sehr!« antwortete sie heiter.
»Scherzen Sie nicht, um Gottes willen!« sagte er erregt.
»Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich nicht scherze.«
»Sie jetzt zu fragen, ob sie in mich verliebt ist, wäre albern,« dachte er – »so albern, daß es immer noch klüger wäre, abzureisen, ohne überhaupt etwas zu erfahren. Nein, das darf ich sie auf keinen Fall fragen . . . Da seh’ doch einer: sie, die über alles in der Welt, über alle Leidenschaft erhaben sein will, verlegt sich auf Kniffe und Schliche wie die erste beste Kokette! Aber ich werde schon herausbekommen, was dahinter steckt! Ich habe so meine Vermutung – ganz plötzlich will ich damit herausplatzen . . .«
Während er so im stillen seinen Monolog hielt, sah sie ihn mit schelmischem Lächeln an und schien nicht abgeneigt, ihn ein klein wenig zappeln zu lassen und zu quälen. Da platzte er plötzlich mit einer unerwarteten Frage heraus.
»Sie sind in diesen Italiener, den Grafen Milari, verliebt?« fragte er, seinen Blick tief in ihr Antlitz versenkend. Er fühlte, wie er selbst bei seiner Frage erblaßte, und es war ihm, als hätte er sich plötzlich eine zentnerschwere Last auf die Schultern geladen.
Ihr Lächeln, der freundschaftliche Ton, die ungezwungene Haltung – alles das verschwand momentan, als er seine Frage gestellt hatte. Vor ihm saß eine kalte, strenge, fremde Frau. Sie, die ihm bisher so nahe gestanden, schien jetzt plötzlich irgendwo in weiter Ferne, auf steiler Höhe zu weilen und durch keine Verwandtschaft, keine Freundschaft mit ihm verbunden.
»Es muß also wahr sein – ich habe es erraten!« dachte er und suchte zu ergründen, wie er eigentlich dahingekommen sei, es zu erraten. Er hatte Milari ein einziges Mal bei ihr gesehen, und erst heute, als er von ihm sprach, war es ihm aufgefallen, daß bei der Nennung seines Namens ein leichter Schatten über ihr Gesicht huschte, und daß sie sich mit dem Rücken gegen das Licht setzte.
»Wie kommt es nur, mein Gott, daß ich immer alles sehe und weiß, wo andere blind sind und – glücklich! Wie kommt es, daß ein leises Geräusch, ein Windhauch, ein bloßes Schweigen genügt, mich alles wittern, alles erraten zu lassen? Jetzt sitzt mir das Gift im Herzen – und was habe ich davon außer Qualen?«
Sie schwieg.
»Sie sind beleidigt, Cousine?«
Sie schwieg.
»Sagen Sie doch: ja!«
»Sie wissen selbst, wie die Äußerung einer solchen Vermutung wirken muß.«
»Ich weiß noch mehr, Cousine: ich weiß, warum Sie sich beleidigt fühlen.«
»Lassen Sie hören!«
»Weil es die Wahrheit ist.«
Sie machte eine Bewegung und sah ihn erstaunt an, als wollte sie sagen: »Sie bleiben noch immer dabei?«
»Auch dieser Blick, Cousine, ist nicht aufrichtig, sondern gemacht.«
»Ich verstelle mich also? Sie bilden sich zu viel ein, Monsieur Raiski!«
Er lächelte und seufzte dann auf.
»Wenn es nicht wahr ist – wie kann dann meine Vermutung für Sie beleidigend sein?« sagte er. »Und ist es wahr – wie kann dann die Wahrheit Sie beleidigen? denken Sie über dieses Dilemma nach, Cousine, und tun Sie Buße dafür, daß Sie Ihren armen Cousin mit der ganzen Wucht Ihrer Würde zu Boden drücken wollen!«
Sie zuckte leicht mit den Achseln.
»Ja, so ist es, und alles, was Sie jetzt, in diesem Augenblick auch tun mögen, entspringt nicht dem Gefühl, daß Sie beleidigt worden sind, sondern dem Ärger darüber, daß man Ihnen ein Geheimnis entlockt hat. . . Auch dieses Beleidigttun ist nur eine Maske.«
»Was für ein Geheimnis denn? Was reden Sie?« sagte sie, den Kopf emporwerfend und ihn mit großen Augen ansehend. »Sie mißbrauchen die Rechte eines Cousins – das ist das ganze Geheimnis. Und ich begehe eine Unvorsichtigkeit damit, daß ich Sie zu jeder Zeit, auch in Abwesenheit Papas und der Tanten, empfange . . .«
»Lassen Sie doch diesen Ton, Cousine!« versetzte er freundlich, voll Wärme und Aufrichtigkeit, daß sie fast besänftigt wurde und allmählich wieder ihre frühere ungezwungene, vertrauliche Haltung annahm, als sähe sie, daß ihr Geheimnis, wenn von einem solchen überhaupt die Rede war, nicht in schlechte Hände geraten war.
»Das also bedeutet Ihre olympische Ruhe!« fuhr er fort. »Wären Sie schlechtweg ein Weib, nicht eine Göttin, dann würden Sie meine Lage begreifen, würden in mein Herz blicken und nicht streng, sondern schonungsvoll handeln, selbst wenn ich Ihnen völlig fremd wäre. Und ich stehe Ihnen doch nahe! Sie sagen, daß Sie mir freundlich zugetan sind, daß Sie sich langweilen, wenn Sie mich nicht sehen . . . aber das Weib ist eben nur mitleidig, zärtlich, ehrlich und gerecht, wenn es sich um den handelt, den es liebt – gegen jeden anderen ist es ohne Erbarmen. Der Mörder, der das Messer schon über dir zückt, wird deine Bitte um Schonung eher erhören als das Weib, das seine Liebe, sein Herzensgeheimnis verbergen will.«
»Warum sagen Sie mir das alles? Das hat doch nicht die geringste Beziehung zu mir! Und ich habe Sie doch ausdrücklich gebeten, diese Gespräche über Liebe, über Leidenschaft und so weiter beiseite zu lassen . . .«
»Ich weiß es, Cousine – und weiß auch, weshalb Sie es taten: weil ich damit einen wunden Punkt berührte. Aber war denn diese freundschaftliche Berührung gar so rauh? . . . Verdiene ich wirklich nicht das bißchen Vertrauen? . . .«
»Welches Vertrauen? Welches Geheimnis? Bei Gott, Cousin . . .« sagte sie und sah sich voll Unruhe nach allen Seiten um, als wollte sie forteilen, sich die Ohren zuhalten und nichts mehr hören und wissen.
»Vielleicht erscheine ich lächerlich mit meinen Hoffnungen auf die Generalschaft,« fuhr er, ohne auf sie zu hören, mit gedämpfter Erregung fort. »Aber so ganz und gar als ein Nichts betrachten Sie mich doch nicht – was, Cousine? Ja, ich gehe noch weiter: vielleicht hat Ihnen, solange Sie leben, noch nie ein Mensch so nahe gestanden. Sie haben das vorhin selbst gesagt, wenn auch nicht ganz so deutlich. Noch niemals hat ein wirklicher, lebendiger Mensch, der die Herzen und Seelen zu deuten weiß, so zu Ihnen gesprochen, Ihnen so unverhüllt Ihr eigenes Ich gezeigt. Sie konnten in mir Ihre Gedanken lesen, Ihre Gefühle sich spiegeln sehen. Ich bin nicht die Tante, oder der Papa, nicht irgendeiner Ihrer Ahnen oder Ihr Gemahl: sie alle kannten das Leben nicht, sie gingen wie auf Stelzen dahin, СКАЧАТЬ