Название: Drei Kameraden / Три товарища. Книга для чтения на немецком языке
Автор: Эрих Мария Ремарк
Издательство: КАРО
Жанр: Зарубежная классика
Серия: Moderne Prosa
isbn: 978-5-9925-0266-4
isbn:
„Halt”, antwortete ich, „der Tisch ist nicht frei. Ich erwarte jemand.”
„Das geht nicht, mein Herr!” sagte der Kellner. „Um diese Zeit können keine Plätze reserviert werden.”
„Können Sie mir wenigstens noch einen Kognak bringen?” knurrte ich den Kellner an.
„Sehr wohl, mein Herr. Wieder einen großen?”
„Ja.”
„Bitte sehr.” Er verbeugte sich. „Es ist doch ein Tisch für sechs Personen, mein Herr”, sagte er entschuldigend.
„Schon recht. Bringen Sie nur den Kognak.”
„Salute![43]” sagte jemand hinter mir.
Ich fuhr auf. Da stand sie und lachte. „Sie fangen ja rechtzeitig an!”
Ich stellte das Glas, das ich immer noch in der Hand hielt, auf den Tisch. Ich war plötzlich verwirrt. Das Mädchen sah ganz anders aus, als ich es in Erinnerung hatte. Zwischen den vielen, Kuchen essenden, wohlgenährten Weibern wirkte es wie eine schmale, junge Amazone, kühl, strahlend, sicher und unangreifbar. Das wird nie etwas mit uns, dachte ich und sagte: „Wo sind Sie denn nur so geisterhaft hergekommen? Ich habe doch die ganze Zeit die Tür beobachtet.”
Sie zeigte nach rechts hinüber. „Dort drüben ist noch ein Eingang. Aber ich habe mich verspätet. Warten Sie schon lange?”
„Gar nicht. Höchstens zwei, drei Minuten. Ich bin auch erst eben gekommen.”
Das Kaffeekränzchen an meinem Tisch wurde still. Ich spürte die abschätzenden Blicke von vier soliden Müttern im Nacken. „Wollen wir hier bleiben?” fragte ich.
Das Mädchen streifte mit einem raschen Blick den Tisch. Ihr Mund zuckte. Sie sah mich belustigt an. „Ich fürchte, Cafes sind überall gleich.”
Ich schüttelte den Kopf. „Wenn sie leer sind, sind sie besser. Dies hier ist ein Teufelslokal, in dem man Minderwertigkeitskomplexe bekommt. Wir könnten am besten in eine Bar gehen.”
„In eine Bar? Gibt es denn Bars, die am hellen Tage offen sind?”
„Ich weiß eine”, sagte ich. „Sie ist allerdings sehr ruhig. Wenn Sie das mögen – ”
„Manchmal schon – ”
Ich blickte auf. Ich konnte im Augenblick nicht feststellen, wie sie das meinte. Ich hatte nichts gegen Ironie, wenn sie nicht gegen mich ging; aber ich hatte ein schlechtes Gewissen.
„Also gehen wir”, sagte sie.
Ich winkte dem Kellner. „Drei große Kognaks”, brüllte der Unglücksvogel[44] mit einer Stimme, als wollte er einem Gast im Grabe die Rechnung machen. „Drei Mark dreißig!”
Das Mädchen drehte sich um. „Drei Kognaks in drei Minuten? Ganz schönes Tempo!”
„Es sind noch zwei von gestern dabei.”
„So ein Lügner”, zischte die Athletin am Tisch hinter mir her. Sie hatte lange geschwiegen.
Ich wandte mich um und verbeugte mich. „Ein gesegnetes Weihnachtsfest, meine Damen!” Dann ging ich rasch.
„Haben Sie Streit gehabt?” fragte mich das Mädchen draußen.
„Nichts besonderes. Ich habe nur eine ungünstige Wirkung auf Hausfrauen in gesicherten Verhältnissen.”
„Ich auch”, erwiderte sie.
Ich sah sie an. Sie erschien mir wie aus einer andern Welt.
Ich konnte mir absolut nicht vorstellen, was sie war und wie sie lebte.
Die Bar war sicherer Boden für mich. Fred, der Mixer[45], stand hinter der Theke und polierte gerade die großen Schwenkgläser für Kognak, als wir hereinkamen. Er begrüßte mich, als sähe er mich zum ersten Male und hätte mich nicht vor zwei Tagen noch nach Hause bringen müssen. Er hatte eine gute Schule und eine riesige Erfahrung hinter sich.
Der Raum war leer bis auf einen Tisch. Dort saß, wie fast immer, Valentin Hauser. Ich kannte ihn vom Kriege her; wir waren in derselben Kompagnie gewesen. Er hatte mir einmal durchs Sperrfeuer[46] einen Brief nach vorne gebracht, weil er dachte, er wäre von meiner Mutter. Er wusste, dass ich darauf wartete, denn meine Mutter war operiert worden. Aber er hatte sich geirrt; – es war nur eine Reklame für Kopfschützer aus Brennnesselstoff gewesen. Auf dem Rückwege bekam er einen Schuss ins Bein.
Valentin hatte einige Zeit nach dem Kriege eine Erbschaft gemacht. Die vertrank er seitdem. Er behauptete, das Glück feiern zu müssen, lebendig herausgekommen zu sein. Es war ihm gleich, dass das schon eine Anzahl Jahre her war. Er erklärte, man könne es gar nicht genug feiern. Er war einer der Menschen, die ein unheimliches Gedächtnis für den Krieg haben. Wir andern hatten vieles vergessen; er aber erinnerte sich an jeden Tag und jede Stunde.
Ich sah, dass er schon viel getrunken hatte; er saß ganz versunken und abwesend in seiner Ecke. Ich hob die Hand. „Salü[47], Valentin!”
Er blickte auf und nickte. ,,Salü, Robby!”
Wir setzten uns in eine Ecke. Der Mixer kam. ,,Was möchten Sie trinken?” fragte ich das Mädchen.
„Vielleicht einen Martini[48]”, erwiderte sie. „Einen trockenen Martini.”
„Darin ist Fred Spezialist”, erklärte ich.
Fred erlaubte sich ein Lächeln. „Mir wie immer”, sagte ich.
Fred brachte die Gläser. Wir tranken. Der Rum war stark und frisch. Er schmeckte nach Sonne. Er war etwas, woran man sich halten konnte. Ich trank das Glas aus und gab es Fred gleich wieder mit.
„Gefällt es Ihnen hier?” fragte ich.
Das Mädchen nickte.
„Besser als in der Konditorei drüben?”
„Ich hasse Konditoreien”, sagte sie.
„Weshalb haben wir uns dann gerade da getroffen?” fragte ich verblüfft.
„Ich weiß nicht.” Sie nahm ihre Kappe ab. „Mir fiel nichts anderes ein.”
„Um so besser, dass es Ihnen dann hier gefällt. Wir sind oft hier. Abends ist diese Bude für uns schon fast so eine Art Zuhause.”
Sie lachte. „Ist das nicht eigentlich traurig?”
„Nein”, sagte ich, „zeitgemäß.”
Fred brachte mir das zweite Glas. Er legte eine grüne HavannaСКАЧАТЬ
42
Pleureusenhut
43
Salute ! – Салют!
44
Unglücksvogel
45
Mixer
46
Sperrfeuer
47
Salü ! – салют!
48
Martini