Название: Drei Kameraden / Три товарища. Книга для чтения на немецком языке
Автор: Эрих Мария Ремарк
Издательство: КАРО
Жанр: Зарубежная классика
Серия: Moderne Prosa
isbn: 978-5-9925-0266-4
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„Lass ihn doch, wenn er nicht will”, erwiderte Köster. Lenz schenkte sich sein Glas voll. „Der Junge ist schon seit einiger Zeit etwas verrückt.”
„Ist noch nicht das Schlechteste”, erklärte ich. Der Mond kam groß und rot hinter dem Dach der Fabrik gegenüber hervor. Wir saßen eine Weile und schwiegen. „Sag mal, Gottfried”, begann ich dann, „du bist doch ein Fachmann in der Liebe, nicht?”
„Fachmann? Ich bin ein Altmeister der Liebe”, erwiderte Lenz bescheiden.
„Schön. Ich möchte nämlich mal wissen, ob man sich eigentlich dabei immer blödsinnig benimmt.”
„Wieso blödsinnig?”
„Na so, als ob man halbbetrunken ist. Herumredet und Unsinn quatscht und schwindelt.”
Lenz brach in ein Gelächter aus. „Aber Baby! Das Ganze ist doch Schwindel. Ein wunderbarer Schwindel von Mama Natur.
Ich richtete mich auf. „Du meinst, ohne etwas Schwindel geht’s überhaupt nicht?”
„Überhaupt nicht, Kindchen.”
„Kann man sich aber doch verflucht lächerlich dadurch machen.”
Lenz grinste. „Merke dir eins, Knabe: nie, nie, nie kann man sich lächerlich bei einer Frau machen, wenn man etwas ihretwegen tut. Selbst beim albernsten Theater nicht.”
Ich wurde lebendig. „Was meinst du dazu, Otto?” Köster lachte. „Wird wohl stimmen.”
Er stand auf und klappte Karls Motorhaube auf. Ich holte meine Rumflasche und ein Glas und stellte sie auf den Tisch. Otto ließ den Wagen an. Der Motor schlurfte ganz tief und verhalten.
Köster stellte den Motor ab. Dann wendete er sich an Lenz. „Der Mond ist jetzt hell genug, um ein Glas zu finden, Gottfried. Mach die Illumination aus. Besonders den Ford. Das Biest erinnert mich mit dem schrägen Scheinwerfer an den Krieg. War kein Spaß nachts, wenn die Dinger nach dem Flugzeug langten.”
Lenz nickte. „Und mich erinnert das da – na, ist ja egal – ” Er stand auf und machte die Scheinwerfer aus.
Ich ging früh nach Hause. Als ich die Korridortür aufschloss, hörte ich Musik. Es war das Grammophon Erna Bönigs, der Sekretärin. Eine leise, klare Frauenstimme sang. Dann kam ein Geglitzer von gedämpften Geigen und Banjopizzicatis[52]. Und wieder die Stimme, eindringlich, weich, als wäre sie ganz erfüllt von Glück.
Ich zuckte die Achseln und ging in mein Zimmer. Ich setzte mich ans Fenster.
Ich saß ziemlich lange und dachte an allerlei Dinge. Auch daran, wie wir damals zurückgekommen waren aus dem Kriege, jung, ohne Glauben, wie Bergleute aus einem eingestürzten Schacht. Wir hatten marschieren wollen gegen die Lüge, die Ichsucht, die Gier, die Trägheit des Herzens, die all das verschuldet hatten, was hinter uns lag; – wir waren hart gewesen, ohne anderes Vertrauen, als das zu dem Kameraden neben uns und das eine andere, das nie getrogen hatte: zu den Dingen, – zu Himmel, Tabak, Baum und Brot und Erde; – aber was war daraus geworden? Alles war zusammengebrochen, verfälscht und vergessen. Und wer nicht vergessen konnte, dem blieb nur die Ohnmacht, die Verzweiflung, die Gleichgültigkeit und der Schnaps. Die Zeit der großen Menschen und Männerträume war vorbei. Die Betriebsamen triumphierten. Die Korruption. Das Elend.
Ach, dieses armselige Bedürfnis nach einem bißchen Wärme, – konnten es denn nicht zwei Hände sein und ein geneigtes Gesicht? Oder war das auch nur Täuschung und Verzicht und Flucht? Gab es denn etwas anderes als Alleinsein?
Ich schloß das Fenster. Nein, es gab nichts anderes. Für alles andere hatte man viel zu wenig Boden unter den Füßen.
Aber am nächsten Morgen brach ich frühzeitig auf und klopfte den Besitzer eines kleinen Blumenladens aus seiner Wohnung, bevor ich zur Werkstatt ging. Ich suchte einen Busch Rosen bei ihm aus und sagte ihm, er möchte sie gleich fortschicken. Es war ein wenig sonderbar für mich, als ich die Adresse langsam auf die Karte schrieb: Patrice Hollmann.
V
Köster war in seinem ältesten Anzug zum Finanzamt gefahren.
Er wollte versuchen, unsere Steuern herunter zu kriegen. Lenz und ich waren allein in der Werkstatt.
„Los, Gottfried”, sagte ich, ,,ran an den dicken Cadillac.” Am Abend vorher war unser Inserat erschienen. Wir konnten also heute mit Kunden rechnen, – wenn überhaupt jemand kam. Es galt den Wagen vorzubereiten.
Zunächst gingen wir mit Polierwasser über den Lack. Er bekam dadurch Hochglanz und sah aus, als hätte er hundert Mark mehr gekostet. Dann füllten wir das dickste Öl, das es gab, in den Motor. Die Kolben waren nicht mehr ganz erstklassig und lärmten etwas. Durch das dicke Öl wurde das ausgeglichen und die Maschine lief wunderbar ruhig. Auch in das Getriebe und das Differential gaben wir dickes Fett, um sie völlig ruhig zu machen.
Dann fuhren wir hinaus. In der Nähe war ein Stück sehr schlechter Straße. Wir gingen mit fünfzig Kilometern Tempo darüber. Die Karosserie klapperte. Wir ließen ein viertel Atmosphäre Luft aus den Reifen und versuchten es noch einmal. Es war schon besser. Wir ließen noch ein Viertel heraus. Jetzt rührte sich nichts mehr.
Wir fuhren zurück, ölten die quietschende Motorhaube, klemmten etwas Gummi dazwischen, füllten heißes Wasser in den Kühler, damit der Motor gleich gut ansprang, und spritzten den Wagen unten noch einmal mit einem Petroleumzerstäuber ab, damit er auch da glänzte. Dann hob Gottfried Lenz die Hände zum Himmel. „Nun komm, gesegneter Kunde! Komm, lieblicher Brieftaschenbesitzer! Wir harren deiner wie der Bräutigam der Braut!”
Die Braut ließ auf sich warten. Wir schoben deshalb das Dampfross des Bäckermeisters über die Grube und begannen, ihm die Vorderachse auszubauen. Ein paar Stunden arbeiteten wir ruhig, ohne viel zu reden. Dann hörte ich Jupp von der Benzinpumpe her das Lied: „Horch, was kommt von draußen rein – ” pfeifen.
Ich kletterte aus der Grube und schaute durchs Fenster. Ein kleiner, untersetzter Mann strich um den Cadillac herum. Er sah bürgerlich und solide aus. „Schau mal, Gottfried”, flüsterte ich, „sollte das da eine Braut sein?”
„Klar”, sagte Lenz nach dem ersten Blick. „Sieh dir das Gesicht an. Der ist schon misstrauisch, bevor jemand da ist. Los, ran! Ich bleibe hier als Reserve. Komme nach, wenn du es nicht schaffst. Denk an meine Tricks!”
„Gut.” Ich ging raus.
Der Mann sah mir aus klugen, schwarzen Augen entgegen. Ich stellte mich vor. „Lohkamp.”
„Blumenthal.”
„Sie kommen wegen des Cadillacs, Herr Blumenthal?” fragte ich. Blumenthal nickte.
„Das drüben ist er”, sagte ich und zeigte hinüber.
„Das sehe ich”, erwiderte Blumenthal.
Wir gingen über den Hof. Ich öffnete eine Tür des Wagens und ließ den Motor an. Dann schwieg ich, um Blumenthal Zeit zur Besichtigung zu lassen.
Aber Blumenthal besichtigte nicht. Er kritisierte auch nicht. Es blieb mir nichts übrig, ich musste aufs Geratewohl vom Leder ziehen[53].
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52
Banjo
Pizzicato
53
vom Leder ziehen – обнажить оружие