Drei Kameraden / Три товарища. Книга для чтения на немецком языке. Эрих Мария Ремарк
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СКАЧАТЬ noch jemand im Wagen war. Lenz veränderte sofort seine Haltung. Er lächelte über sein ganzes sommersprossiges Gesicht. Wir lächelten auf einmal alle, weiß der Kuckuck,[23] warum.

      Der Dicke schaute uns verblüfft an. „Binding”, sagte er schließlich, mit einer halben Verbeugung, als könne er sich an seinem Namen festhalten.

      Das Mädchen war jetzt ganz herangekommen. Wir wurden noch freundlicher. „Zeig doch mal den Wagen, Otto”, sagte Lenz mit einem raschen Blick zu Köster hin.

      „Warum nicht”, erwiderte Otto und gab den Blick belustigt zurück.

      „Ich würde ihn wirklich gern mal sehen”, sagte Binding bereits versöhnlicher.

      Beide gingen zum Parkplatz hinüber und Köster klappte Karls Motorhaube hoch.

      Das Mädchen ging nicht mit. Es blieb schlank und schweigend neben Lenz und mir in der Dämmerung stehen. Ich erwartete, dass Gottfried die Gelegenheit ausnützen und losgehen würde wie eine Bombe. Er war für solche Situationen. Doch er schien die Sprache verloren zu haben.

      „Entschuldigen Sie bitte”, sagte ich schließlich. „Wir haben nicht gesehen, dass Sie im Wagen waren. Sonst hätten wir den Unfug vorhin sicher nicht gemacht.”

      Das Mädchen sah mich an. „Aber warum denn nicht?” erwiderte sie ruhig, mit einer überraschend dunklen Stimme. „So schlimm war das doch gar nicht.”

      „Schlimm nicht, aber auch nicht ganz anständig. Der Wagen da läuft ungefähr zweihundert Kilometer.”

      Sie beugte sich etwas vor und steckte die Hände in die Taschen ihres Mantels. „Zweihundert Kilometer?”

      „Genau hundertneunundachtzig Komma zwei, amtlich abgestoppt”, erklärte Lenz, wie aus der Pistole geschossen, stolz.

      Es entstand eine Pause.

      „Wunderbares Wetter”, sagte ich endlich, um das Schweigen zu unterbrechen.

      „Ja, herrlich”, erwiderte das Mädchen.

      „Und so milde”, fügte Lenz hinzu.

      „Sogar ungewöhnlich milde”, ergänzte ich.

      Es entstand eine neue Pause. Das Mädchen musste uns für ziemliche Schafsköpfe halten; aber mir fiel beim besten Willen nichts mehr ein.

* * *

      Köster und Binding kamen zurück. Binding war in den paar Minuten ein ganz anderer Mann geworden. Er schien einer dieser Autonarren[24] zu sein, die ganz selig sind, wenn sie irgendwo einen Fachmann finden, mit dem sie reden können.

      „Wollen wir zusammen essen?” fragte er.

      „Selbstverständlich”, erwiderte Lenz.

      Wir gingen hinein. Unter der Tür blinzelte Gottfried mir zu und nickte zu dem Mädchen hinüber.

      Wir folgten den andern. Sie saßen schon am Tisch. Die Wirtin kam gerade mit der Leber und den Bratkartoffeln. Sie brachte außerdem eine große Flasche Kornschnaps als Einleitung mit.

      Binding erwies sich als wahrer Sturzbach von einem Redner. Es war erstaunlich, was er alles über Automobile zu sagen hatte. Als er hörte, dass Otto auch Rennen gefahren hatte, kannte seine Zuneigung überhaupt keine Grenzen mehr.

      Das Mädchen saß zwischen Lenz und mir. Es hatte den Mantel ausgezogen und trug darunter ein graues englisches Kostüm. Um den Hals hatte es ein weißes Tuch geknüpft, das aussah wie eine Reitkrawatte. Ihr Haar war braun und seidig und hatte im Lampenlicht einen bernsteinfarbenen Schimmer. Das Gesicht war schmal und blass, aber die großen Augen gaben ihm eine fast leidenschaftliche Kraft. Sie sah sehr gut aus, fand ich; – aber ich dachte mir nichts weiter dabei.

      Lenz dagegen war jetzt Feuer und Flamme. Er war völlig verwandelt gegen vorhin. Sein gelber Schopf glänzte wie die Haube eines Wiedehopfs. Er ließ ein Feuerwerk von Einfällen los und beherrschte mit Binding zusammen den Tisch. Lenz schlug sich plötzlich vor die Stirn: „Der Rum! Robby, hol mal unsern Geburtstagsrum!”[25]

      „Geburtstag? Hat denn jemand Geburtstag?” fragte das Mädchen.

      „Ich”, sagte ich. „Ich werde schon den ganzen Tag damit verfolgt.”

      „Verfolgt? Dann wollen Sie also nicht, dass man Ihnen gratuliert?”

      „Doch”, sagte ich, „gratulieren ist was anderes.”

      „Also alles Gute!”

      Ich hielt einen Augenblick ihre Hand in meiner und spürte ihren warmen, trockenen Druck. Dann ging ich hinaus, um den Rum zu holen.

      Binding vertrug den Rum nicht. Nach dem zweiten Glas merkte man es schon. Er schwankte in den Garten hinaus. Ich stand auf und ging mit Lenz an die Theke. Er verlangte eine Flasche Gin[26]. „Großartiges Mädchen, was?” sagte er.

      „Weiß ich nicht, Gottfried”, erwiderte ich. „Habe nicht so drauf geachtet.”

      Er betrachtete mich eine Weile mit seinen irisierenden[27], blauen Augen und schüttelte dann den glühenden Kopf. „Wozu lebst du eigentlich, sag mal, Baby?”

      „Das wollte ich auch schon lange mal wissen”, antwortete ich.

      Er lachte. „Das könnte dir so passen! So leicht wirds einem doch nicht gemacht. Aber jetzt werde ich zunächst mal herauspolken[28], wie das Mädchen zu dem dicken Autokatalog[29] draußen steht.”

      Er folgte Binding in den Garten.

      Wir drei blieben allein in der Wirtsstube.

      Draußen sangen Lenz und Binding das Lied vom Argonnerwald[30]. Neben mir sprach das unbekannte Mädchen; – es sprach leise und langsam mit dieser dunklen, erregenden, etwas rauhen Stimme. Ich trank mein Glas aus.

      Die beiden andern kamen wieder herein. Sie waren nüchterner geworden in der frischen Luft. Wir brachen auf. Ich half dem Mädchen in den Mantel. Sie stand dicht vor mir, geschmeidig sich in den Schultern dehnend, den Kopf schräg nach hinten gelegt, den Mund leicht geöffnet, mit einem Lächeln zur Zimmerdecke, das niemand galt. Ich ließ einen Moment den Mantel sinken. Wo hatte ich nur die ganze Zeit meine Augen gehabt? Hatte ich denn geschlafen? Ich verstand plötzlich die Begeisterung von Lenz.

      Sie drehte sich fragend halb um. Ich hob rasch den Mantel wieder hoch und schaute zu Binding hinüber, der kirschrot und immer noch etwas glasig neben dem Tisch stand. „Glauben Sie, dass er fahren kann?” fragte ich.

      „Ich denke schon – ”

      „Hoffentlich geht es gut”, sagte ich. „Kann ich morgen einmal bei Ihnen anrufen und hören, wie es geworden ist?” fragte ich.

      Sie antwortete nicht gleich. „Wir haben mit unserer Trinkerei doch so eine gewisse Verantwortung dafür”, sagte ich weiter. „Besonders ich mit meinem Geburtstagsrum.”

      Sie СКАЧАТЬ



<p>23</p>

Autonarr m (авторск.) – автомобильный фанатик

<p>24</p>

Feuer und Flamme sein – гореть воодушевлением, энтузиазмом

<p>25</p>

Geburtstagsrum m (контекстуальное сложное существительное): Rum, den Robert als Geschenk zum Geburstag von seinen Kameraden erhalten hat

<p>26</p>

Gin (англ.) – джин (спиртной напиток)

<p>27</p>

irisieren – отсвечивать всеми цветами радуги

<p>28</p>

herauspolken (диал.) – разузнать, выяснить

<p>29</p>

(der dicke) Autokatalog m – (толстый) автомобильный каталог; здесь: ироничное обозначение Биндинга

<p>30</p>

Argonnerwald m – место боев во время первой мировой войны, особенно в 1914–15 годах