Waldröschen I. Die Tochter des Granden. Karl May
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Waldröschen I. Die Tochter des Granden - Karl May страница 12

Название: Waldröschen I. Die Tochter des Granden

Автор: Karl May

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

Серия:

isbn:

isbn:

СКАЧАТЬ Hustenanfall, »aber nur auf den Tod. Er soll mir der Erlöser sein von allen meinen Leiden.« – »Hast du große Schmerzen?« fragte der Räuber, indem er sich mitleidig bückte, um dem Greis das Lager aufzuschütteln. – »Das Leben darf nicht schmerzlos fliehen; der Körper wehrt sich gegen den Tod. Aber was sind die Leiden des Körpers gegen die Qualen des Geistes! Diese sind fürchterlicher, mein Sohn. Hüte dich, sie jemals kennenzulernen.« – »Du leidest an der Seele? Wende dich an unseren guten Dominikaner. Er wird deine Beichte hören und dir die heilige Absolution erteilen.« – »Glaubst du wirklich, daß die Sünde vergeben werden kann? Durch einen Menschen? Durch einen Priester, der selbst sündhaft ist und sich unter Briganten und Mördern befindet? Das ist unmöglich, mein Sohn!« – »Höre, Alter, der Pater Dominikaner ist nicht zu uns gekommen, um teilzunehmen an dem, was wir tun, sondern damit auch die Briganten die Gnade Gottes finden sollen, wenn sie sich danach sehnen. Er ist ein sehr guter und frommer Mann und mein Lehrer, dem ich alles, was ich weiß, zu verdanken habe.«

      Der Bettler horchte auf.

      »Dein Lehrer? Ein Räuber erhält Unterricht?« – »Allerdings. Du mußt nämlich wissen, daß der Hauptmann mich nur zu solchen Unternehmungen verwendet, bei denen er eines Mannes bedarf, der es versteht, mit hochgestellten Señores zu verkehren. Darum habe ich alles lernen müssen, was ein Señor können und wissen muß.« – »Wie heißt du?« – »Mariano.« – »Und weiter? Du mußt doch den Namen deiner Familie tragen, mein Sohn.« – »Ich kenne sie nicht.« – »Ah! Wie bist du denn unter die Briganten gekommen?« – »Der Hauptmann hat mich in den Bergen gefunden. Ich bin ein Findling. Er hat mich zu sich genommen, aber all sein Forschen nach dem, der mich ausgesetzt hat, ist vergeblich gewesen.« – »Wie alt bist du?« – »Ich weiß es nicht.« – »Wie lange bist du bei den Briganten?« – »Es sind nun achtzehn Jahre gewesen.« – »Achtzehn Jahre?« fragte der Alte nachdenklich. »Oh, das ist dieselbe Zeit. Hast du keine Erinnerungen aus deiner Jugend mehr? Kannst du dich auf nichts, auf gar nichts mehr besinnen, mein lieber Sohn?« – »Nein. Ich weiß nichts mehr aus jener Zeit, obgleich ich oft von ihr geträumt habe.« – »Vielleicht hältst du für Traum, was Wirklichkeit gewesen ist. Was hat dir denn geträumt?« – »Ich träumte viel von einer kleinen Puppe. Sie lag in einem schönen, weißen Bettchen, an dessen Ecke eine goldene Krone zu sehen war, und sie war lebendig.« – »Weißt du vielleicht noch, wie sie hieß?« – »Ja«, antwortete er. »Ich weiß noch ganz genau, daß ich sie Rosita, Röschen, genannt habe. Auch hat mir von einem großen, hohen Mann geträumt, der mich Alfonzo nannte. Er nahm mich auf seinen Schoß und trug stets eine schöne, goldene Uniform. Bei uns war auch immer eine schöne, stolze Frau, die mich sehr lieb hatte und mich und die kleine Rosita herzte und küßte. Ich war klein, doch ich weiß, daß ich sie Papa und Mama nannte. Auch lag ich in einem Bett, das Kronen trug. Einmal kam ein fremder Mann, als ich schlief, da erwachte ich, und der Mund war mir verbunden. Aber ich hatte nicht auf unserem Schloß geschlafen, sondern in einer Stadt, wohin ich mit dem Papa und der Mama gefahren war. Ich wollte schreien, denn ich fürchtete mich vor dem Mann, aber er band das Tuch fester, und ich schlief vor Angst wieder ein. Als ich erwachte, lag ich im Wald. Das ist es, was mir geträumt hat.« – »Weiter nichts, weiter gar nichts?« – »Nein.« – »Weißt du nicht, wie der Mann hieß, der die Uniform trug?« – »Die Diener nannten ihn Graf oder auch wohl Exzellenz.« – »Ah! Nannten sie nicht zuweilen einen Namen?« – »Nein.« – »Höre, mein Sohn, das hat dir nicht geträumt, sondern das ist Wirklichkeit!« – »Ich habe es auch zuweilen gedacht; doch wenn ich es dem Capitano sagte, so wurde er sehr zornig und gebot mir zu schweigen. Von der Krone durfte ich gar nicht sprechen, obgleich ich mich ganz genau auf sie besinnen konnte. Er wollte mich schlagen, wenn ich sie beschrieb, und so habe ich immer darüber geschwiegen.« – »Kannst du dich noch jetzt auf sie besinnen?« – »Sehr genau. Sie hatte goldene Zacken mit Perlen, und darunter standen zwei silberne Zeichen.« – »Welche Zeichen waren das?« – »Ich wußte es erst nicht, aber als mich der Pater Dominikaner das Lesen lehrte, da lernte ich diese beiden Zeichen kennen. Es waren zwei Buchstaben, nämlich ein S und ein R.« – »Mein Sohn, das war eine Grafenkrone. Vergiß diese Zeichen niemals!« – »Ich werde dies alles nie vergessen, obgleich der gute Pater Dominikaner der einzige ist, mit dem ich darüber sprechen kann.« – »Du meinst, daß dieser Pater ein guter Mann ist?« – »Ja, er ist kein Brigant; er tut niemals etwas Böses, obgleich er treu zu den Briganten hält und sie nicht verrät. Man kann ihm alles Vertrauen schenken.« – »Und du sagst, daß er auch zur Beichte sitzt und die Absolution erteilt?« – »Ja.« – »Würde er dies auch bei mir tun?« – »Sicher.« – »Willst du ihn mir rufen?« – »Gern! Soll er gleich kommen?« – »Ich wünsche, daß du auch zugegen bist.« – »Ich? Oh, ich darf doch keine Beichte hören!« – »Doch, mein Sohn! Was ich zu beichten habe, wird dich vielleicht mehr angehen, als du denkst. Es ist ein glücklicher Umstand, daß gerade du es bist, der mir diese Kammer anweist. Doch wünsche ich, daß kein Mensch erfahre, daß du bei meiner Beichte zugegen bist. Darum soll der Pater erst dann kommen, wenn man dich nicht vermissen wird.« – »Das wird sein, wenn die anderen alle schlafen.« – »Und noch eins, mein Sohn. Weißt du nicht, ob sich unter euch vielleicht noch einer befindet, der seine Abkunft nicht kennt?« – »Kein einziger. Es sind lauter Flüchtlinge oder arme Teufel, die genau wissen, wer sie sind.« – »Und es hat auch niemals außer dir hier unter den Briganten ein Findelkind gegeben?« – »Niemals!« – »So bist du es, den ich suche.«

      Mariano erstaunte und fragte:

      »Gesucht hast du mich also? Warum?« – »Mein Sohn, wenn es Gottes Wille ist, so wirst du vielleicht einmal erfahren, wer du bist. Das, was du heute von mir hören wirst, soll dir den Weg zeigen, auf dem du es erfahren kannst.«

      Das Gesicht des jungen Mannes nahm einen freudigen, glücklichen Ausdruck an. Er rief:

      »Ist es wahr? Ist es möglich? Gelobt sei Gott für diese große Barmherzigkeit« – »Still, mein Sohn«, warnte der Bettler. »Es darf kein Mensch wissen, daß ich über diese Sache mit dir reden will. Wenn es der Hauptmann erführe, würdest du verloren sein. Eigentlich solltest du getötet werden, aber der Capitano tat es nicht, sollte er jedoch merken, was ich dir mitteilen will, so müßte er dir das Leben nehmen, damit das Geheimnis nicht verraten wird. Also sei klug und schweige.« – »Ich werde schweigen«, versicherte Mariano. »Und wenn sie alle schlafen, so bringe ich dir den Pater.« – »Sage ihm, er solle Papier, Feder und Tinte mitbringen, denn er wird etwas zu schreiben haben. Auch mehr Licht wirst du besorgen müssen, da das Schreiben eine lange Zeit erfordert.«

      Mariano ging, und der Alte blieb allein zurück.

      »Habe Dank, Madonna«, murmelte er, »daß du mir Kraft gegeben hast, diesen Ort noch zu erreichen. Vielleicht wird Gott mir vergeben, wenn ich gutzumachen suche, was ich im Leichtsinn verbrochen habe.«

      Ein neuer Hustenanfall raubte ihm den Atem, und ein Strom roten Bluts brach aus seinem Mund, es war klar, daß dieser Mann hart am Rand des Grabes stand und vielleicht nur noch Minuten zu leben hatte.

      Bald zog sich einer der Räuber nach dem anderen zum Schlaf zurück. Einige blieben auch gleich in dem offenen Felsenkessel liegen, und es war noch nicht um Mitternacht, als auch der letzte sich in seine Decke hüllte, um die Ruhe zu suchen.

      Dann schlief alles, und nur der Posten draußen am Berg war munter und lauschte in die dunkle Nacht hinaus, um die Kameraden vor jedem Unglück zu bewahren.

      Da verließ Mariano seine kleine Zelle. Er hatte seine Aufregung kaum zu beherrschen gewußt. Endlich, endlich sollte der Schleier gelüftet werden, der seine Vergangenheit bedeckte! Seine Träume sollten nicht Träume, sondern Wirklichkeit gewesen sein! War dies möglich? Seine Pulse gingen unruhig, und er fühlte das schnelle Klopfen seines Herzens, als er sich nach dem Seitengang schlich, in dem die Zelle des Paters lag. Dieser saß noch beim Licht über seinen Büchern und war überrascht, als er den Eintretenden erkannte.

      »Du, Mariano?« fragte er. »Was führt dich zu so ungewöhnlicher Stunde zu mir, mein Sohn?« СКАЧАТЬ