Название: In den Schluchten des Balkan
Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Ich überlegte.
Wollte ich einsteigen, so konnte ich augenblicklich eine Kugel vor den Kopf erhalten. Doch just der Umstand, daß von den vorhandenen fünf Läden – denn drei befanden sich auf der vordern Seite – nur dieser eine nicht befestigt war, ließ mich vermuten, niemand befinde sich im Innern. Um die Entdeckung möglichst hinauszuschieben, hatte man alles verschlossen und war dann durch dieses Fenster gestiegen, dessen Laden man also nur hatte fest andrücken, aber nicht von innen befestigen können.
Dennoch befand ich mich in einer mehr als heiklen Lage.
Ich zog den Laden leise so weit auf, daß ich für meinen Arm Platz fand, und langte hinein. Fenster sind in dieser Gegend selten, und darum fand ich auch, was ich erwartet hatte, nur eine fensterähnliche Oeffnung, die weder durch Glas, noch durch einen andern Gegenstand versperrt war.
Ich lauschte. Es war mir, als ob sich innen ein dumpfes, unterdrücktes Gepolter vernehmen ließe. Befand sich doch jemand im Hause? Sollte ich rufen? – Nein.
Ich kehrte zur andern Giebelseite zurück und holte einen Arm voll des Geästes, welches ich dort bemerkt hatte. Ich machte ein dichtes Bündel, setzte es in Brand und warf es durch das Fenster. Mich vorsichtig an die Seite haltend, blickte ich hinein.
Das Gebäude war nicht hoch; die Fensteröffnung lag sehr niedrig; die Reiser brannten hell, und ich erblickte einen großen, viereckigen Raum, dessen Fußboden aus hart geschlagenem Lehm bestand, und rundum diejenigen Gegenstände, welche man in einer armen, rumelischen Wohnung zu finden pflegt. Von einem menschlichen Wesen keine Spur!
Ich warf mehr Reiser auf das Feuer, nahm meinen Fez vom Kopfe, stülpte ihn auf den Büchsenlauf und schob ihn langsam in die Oeffnung. Das sah von drinnen jedenfalls so aus, als ob ich hineinsteigen wolle.
Ich wollte damit die etwa drinnen Versteckten verführen, sich zur Wehre zu setzen; aber es regte sich nichts.
Da zog ich die Büchse zurück, lehnte sie mit dem Stutzen, da beide mich nur hindern konnten, an die Mauer, setzte den Fez wieder auf – ein Schwung, und ich hatte den Oberkörper im Innern. Ich war bereit gewesen, ihn schnell wieder zurückzuziehen; aber dieser erste Blick genügte, mir zu zeigen, daß sich kein feindliches Wesen in dem Raume befand.
Nun stieg ich vollends hinein, langte hinaus, um meine Gewehre hereinzunehmen, und blickte mich um.
In diesem Augenblick wiederholte sich das vorhin erwähnte Poltern. Dies war für mich um so beunruhigender, als das Feuer, welches überdies einen scharfen, in die Augen beißenden Qualm verbreitete, erlöschen wollte. Ich freute mich daher, als ich in einer Ecke ein Häufchen langer Späne bemerkte, das hier vielleicht gebräuchliche Beleuchtungsmaterial.
Ich brannte einen Span an und steckte ihn in ein Mauerloch, welches jedenfalls zu diesem Zweck diente, wie ich an der rauchgeschwärzten Umgebung desselben bemerkte. Dann zog ich den Laden zu und band ihn mittels der an ihm befindlichen Schnur fest, um nach außen hin gesichert zu sein.
Mit einem zweiten angezündeten Span begann ich nun den Raum zu untersuchen.
Die Mauern bestanden aus festgestampfter Erde. Sie faßten die Stube auf drei Seiten ein, während die vierte Seite von einem von der Decke bis zum Boden herabreichenden Strohgeflecht gebildet wurde, in welchem sich eine Oeffnung zum Passieren befand.
Als ich nun durch diese Oeffnung trat, sah ich mich in einer kleineren Abteilung, deren Boden zum Teil durch eine aus Weidengeflecht verfertigte Falltüre gebildet wurde. Gab es hier einen Keller? Das war ja in einem solchen Hause etwas Seltenes!
Und jetzt hörte ich das vorige Geräusch. Es war raschelnd und polternd und kam unter der Falltüre hervor.
Ich holte mir noch mehrere Späne und hob dann die Türe empor. Das Weidengeflecht derselben konnte einen Menschen tragen, ohne durchzubrechen, weil es über Pfosten befestigt war. Ich leuchtete hinab. Der Span brannte so düster, daß ich nur mit Mühe bemerken konnte, daß der Keller über Mannestiefe hatte.
Eine Treppe oder Leiter sah ich nicht. Doch sobald der Schein des Lichtes hinabfiel, ließ sich unten ein sehr deutliches Stöhnen vernehmen.
»Kün aschaghda – wer ist da unten?« fragte ich laut.
Ein doppeltes Stöhnen antwortete. Das klang gefährlich. Ich konnte nicht ewig nach einer Leiter suchen. Ich nahm den brennenden Span in die eine und die andern Späne in die zweite Hand und sprang hinab.
Ich trat mit den Füßen auf einen unten liegenden Gegenstand und stürzte hin. Das Licht erlosch. Aber in einigen Sekunden hatte ich den Span wieder angebrannt und leuchtete umher.
Ich befand mich in einem viereckigen, kellerartigen Loch und erkannte in dem Gegenstand, auf den ich gesprungen war, eine Leiter. Da unten lagen Holzkohlen neben allerlei Gerümpel, und beides, die Kohlen und das Holzgerümpel, bewegte sich.
Ich fand ein für den Span bestimmtes Loch, steckte ihn hinein und begann die Kohlen zur Seite zu räumen. Meine Hände trafen auf eine menschliche Gestalt, welche ich hervorzog. Es war ein Mann, an Händen und Füßen gebunden; der Kopf war fest in ein Tuch eingewickelt.
Rasch löste ich den Knoten des Tuches, und nun kam ein blauschwarzes Gesicht zum Vorschein, welchem ich bei der mangelhaften Beleuchtung nicht anmerken konnte, ob diese Färbung eine Folge von Ruß und Kohlen oder des nahe gewesenen Erstickungstodes sei. Der Mann holte tief und keuchend Atem, starrte mich mit weit hervorgetretenen, blutunterlaufenen Augen an und stöhnte dann:
»Ha, zu Hilfe! Habe Gnade, Gnade!«
»Sei ruhig; ich bin dein Freund!« antwortete ich, »ich bringe dir Rettung!«
»Rette vorher geschwind mein Weib!« stieß er hervor.
Der brave arme Kerl dachte mehr an seine Frau als an sich.
»Wo ist sie?«
»Dort!«
Er konnte mit seinen gefesselten Händen keine Bewegung machen; aber sein Blick war voll Angst auf einen zweiten Kohlenhaufen gerichtet, welcher mit dem erwähnten Gerümpel belastet war.
Ich räumte dasselbe weg und zog die Frau hervor, welche ganz ebenso wie ihr Mann gebunden war. Als ich das Tuch von ihrem Gesicht entfernt hatte, bemerkte ich einen dicken Schaum vor ihrem Mund. Sie war dem Ersticken nahe gewesen.
»Zu Hilfe, zu Hilfe!« erklang es gurgelnd.
Ihr Körper bewegte sich in krampfhaften Zuckungen. Ich schnitt mit dem Messer die Stricke durch. Sie warf die Arme wie eine Ertrinkende um sich, stampfte mit den Füßen und schnappte nach Luft.
Diese Bewegungen waren dem Atmen förderlich. Ein heiserer Schrei entrang sich ihrer Brust, und dann schöpfte sie in einem langen, langen Zuge den entbehrten Odem.
Nun schnitt ich auch die Fesseln ihres Mannes durch. Er hatte nicht so viel gelitten wie sie und richtete sich sofort empor. Während ich einen neuen Span ansteckte, rief er aus:
»O Gott! Wir waren dem Tode nahe! Ich danke dir; ich danke dir!«
Dann kniete er zu seiner Frau nieder, die zum Erbarmen schluchzte.
»Still, still; weine nicht!« bat er sie. »Wir sind frei!«
Er nahm sie in die Arme und küßte ihr die Tränen von den Wangen. Sie umschlang ihn und schluchzte weiter. Ohne mich СКАЧАТЬ