Münchhausen. Karl Immermann
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Название: Münchhausen

Автор: Karl Immermann

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ ängstlichen Traum, auf dessen Einzelheiten sie sich seither im Wachen nicht zu besinnen vermocht hatte. Sie sah meinen Vater sich vom Lager erheben, einen Blick der Bekümmernis auf sie, die Schlafende, werfen, leise auf den Zehen aus dem Zimmer schleichen. Der Traum führte sie hierauf nach der Garderobe. Dort legte mein Vater Stück vor Stück die prächtige grüne Uniform an. Sie konnte sich nicht satt an ihm sehen, er kam ihr gar zu schön vor, und doch beschwor sie ihn inständigst und mit der äußersten Herzensangst, von seinem Vorhaben abzustehen. Er ließ sich aber nicht hindern, schnallte das Couteau um, und in dem Augenblicke wieherte ein Pferd. Nun zerbrach blitzschnell das bisherige Traumgesicht, und mit Entsetzen sah sie meinen Vater blutigen Hauptes unten im Hofe auf dem Pflaster liegen. Ehe sie noch sich zu ihm helfend hinbeugen konnte, wieherte das Pferd, welches sie wunderbarerweise nicht sah, zum zweiten Male, und — sie erwachte, wie es ihr vorkam, von einem wirklichen Pferdewiehern aus den Schrecknissen des Traumes geweckt. Schlaftrunken tastete sie umher, um des Vaters Wange sich zur Beruhigung zu streicheln, aber der Taumel ihrer Sinne wich der angstvollsten Ermunterung, denn das Bett neben ihr war verlassen, die Decke zurückgeschlagen. Sie schellte dem Mädchen, fragte, wo der Herr sei? Diese, welche ihn im Gange verstohlen an sich hatte vorüberschlüpfen sehen, antwortete zögernd: »In der Garderobe.« Nun war sie nicht länger zu halten, eiligst warf sie ein Nachtgewand über und begab sich mehr laufend als gehend nach der Garderobe. Dort die Türe geöffnet, hatten beide Eltern voreinander den gleichen Schreck und meinten zu Boden sinken zu müssen. Der Vater stand, wie ihn die Mutter geträumt hatte, prächtig geschmückt, in seinem Glanz und Flimmer von der roten Morgensonne umspielt, und schnallte eben das Couteau an. Es folgte ein heftiges Fragen und Erklären, die Mutter wollte ihn durchaus nicht ziehen lassen, bis er auf die eindringlichste Weise ihr erwiesen hatte, daß für dieses Mal schlechterdings an dem Vorhaben nichts zu ändern sei. Indem sie noch miteinander stritten, wieherte des Vaters gesattelt stehendes Reitpferd unten vom Hof herauf zum dritten Male. Sie stürzte an das Fenster, sah das feurige Tier in den Boden hauen und sich heben, das böse Ende ihres Traums trat ihr vor die Augen, sie beschwor meinen Vater bei dem Lebendigen unter ihrem Herzen, wenigstens nicht zu reiten, da sie die bestimmte Ahnung habe, daß ihm heute damit ein Unglück begegnen werde, sich vielmehr des leichten Wagens zu bedienen. Höchst verstimmt rief er dem Bedienten zu: »So laß anspannen!« drückte die Mutter sanft nach der Türe zu und bat sie um Gottes willen, sich doch nur wieder niederzulegen, da sie ja in ihrem leichten Gewande von der Morgenkälte schwer krank werden könne, und sprang dann, als er sie auf dem Wege nach dem Schlafkabinett glaubte, rasch die Haupttreppe hinunter, um nur zu Roß und an diesem vermaledeiten Tage vom Hofe zu kommen.

      Aber meine Mutter, einmal argwöhnisch gemacht, schlüpfte eine kleine Seitentreppe hinab, die ebenfalls auf den Hof führte, um sich zu versichern, ob auch der Wagen genommen werde. Indem sie nun unten anlangte, sah sie, daß mein Vater schon zu Pferde saß, und mit dem Tiere, welches er in seinem Verdrusse heftig behandelt und dadurch unruhig gemacht hatte, kaum zurechtkommen konnte. Mit einem lauten Geschrei flog sie durch die Türe auf den Hof; das Pferd, von der plötzlich erscheinenden weißen Gestalt bis zur Wut gesteigert, drehte sich wie toll auf den Hinterfüßen um, geriet auf eine schlüpfrig-abschüssige Stelle, rutschte aus und stürzte. Nun lag mein Vater wirklich mit blutendem Kopfe auf dem Pflaster, meine Mutter aber konnte ihm nicht helfen, denn auch sie sank ohnmächtig an der Türe zusammen.«

      Der Jäger hielt atmend inne, bewegt von seiner eigenen Erzählung, deren Einzelheiten, wie er nach einer Pause sagte, ihm so lebhaft vorschwebten, weil der Vorfall mit den kleinsten Zügen von den Dabeigewesenen ihm mehr als hundertmal berichtet worden sei. — Er sei die Haus- und Familiengeschichte geworden. Sein Zuhörer strich sich die Haare bedächtig aus der Stirn und sagte nach einer Weile: »Daß die Sache keine schlimmen Folgen gehabt hat, stellt sich dar, denn Sie sitzen da ganz frisch und gesund, junger Herr.«

      »Glücklicherweise war der Schreck das Ärgste dabei gewesen«, erwiderte der Jäger. »Mein Vater hatte sich schnell bügellos zu machen gewußt, sein Epaulett war ihm, von der heftigen Bewegung gelöst, unter den Kopf gefahren und schützte vor einem zu harten Aufschlagen; er kam mit einer leichten Wunde davon. Auch meiner Mutter, für welche das Schlimmste zu befürchten stand, half ihre überaus kräftige Natur. Sie erholte sich und dauerte ihre Zeit aus, obgleich die Gedanken an jenen Morgen sie keinen Augenblick verließen.«

      »Und daher, meinen Sie, rühre Ihre Jagdlust?« fragte der Hofschulze.

      »Ich kam einige Monate nach dem Ereignisse zur Welt mit einem Male unter dem Herzen in der Form eines Hirschfängers. Sobald ich zum Buben erwachsen war, hielt mich keine Vermahnung und Züchtigung ab, mit den Jägern umherzulaufen. Und so ist das fortgegangen bis auf den heutigen Tag, ohne daß ich, wie Ihr ja leider nun auch gemerkt habt, zu diesem Treiben durch Beute und Erfolg irgendeine Anreizung empfinge.«

      »Wenn Ihre Frau Mutter von den Jagdsachen einen solchen Schreck bekommen hat, so müßte sie Ihnen ja ehender einen Abscheu davor eingeimpft haben«, sagte der Hofschulze.

      »Nein!« rief der junge Jäger, und seine Augen begannen in dunklerem Feuer zu leuchten, wie immer der Fall war, wenn sich die Rede auf solche Gegenstände wandte. »Davon versteht Ihr nichts, Hofschulze. Kann ein menschliches Wesen unwillkürlich auf ein andres durch Blut, Seele und Sympathie wirken, so fällt diese Wirkung auch ganz in der dunkeln Kammer vor, darin die Kräfte nach ihren eigenen Rechten hin- und herfahren, sausen und weben, und Gebild schaffen, dessen Figur kein Verstand vorhersieht und auf welches niemand gefaßt ist. Abscheu kann Lust, Furcht kann Mut, Sehnsucht Ekel erzeugen, und ist niemand, der den Stammbaum dieser und ähnlicher Zeugungen aufzurichten vermöchte.«

      »Davon verstehe ich wirklich nichts, und geht mich auch nichts an«, sagte der Hofschulze. »Aber aus der Geschichte, welche Sie da so pläsierlich erzählt haben, ziehe ich eine dreifache Moral.«

      »Ihr haltet sehr viel auf Moral.«

      »Die Moral unterscheidet uns von dem Vieh«, versetzte der Hofschulze feierlich. »Das Vieh hat eigentlich alles besser als die Menschenkreatur, es findet den Weg sicherer, es hat sein ihm gewiesenes Futter und lüstert nicht nach anderem, es trägt seinen Rock anerschaffen auf seinem Leibe, es fürchtet sich nicht vor dem Tode, es treibt keine unnütze Wollust, aber Moral hat das Vieh nicht; Moral hat nur der Mensch.«

      »Und in meiner Geschichte stecken drei Moralen?«

      »Drei. Die will ich Ihnen jetzt auch nicht vorenthalten, junger Herr Jäger.«

      Achtes Kapitel

Worin der Hofschulze eine dreifache Moral aus der Geschichte des Jägers zieht

      »Erstens«, sagte der Hofschulze, »lehret die Geschichte, daß, wenn Ihre Passion wirklich von Ihrer Frau Mutter sich herschreibt, der Herr noch jetzunder seinen Spruch wahr macht, welcher lautet: Ich will die Sünden der Väter heimsuchen an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied. Denn an und vor sich ist die Jägerei eine erlaubte und lustige Sache. Nun aber sündiget der Mensch jederzeit, wenn er sich wider etwas setzt, was Herkommens ist bei seinesgleichen, dadurch kriegt die Gleichgültigkeit ein Gewicht und hat Folgen, wie Pestilenz darnach kam, als David sein Volk zählen ließ, weil das nicht Herkommens bei den Juden war. Ihre Frau Mutter nun verfiel in Sünde, weil sie den Herrn Vater nicht auf die Jagd gehen lassen wollte, da das zu seinem Stande gehörte, und darum ist an Ihnen eine Torheit gesetzt, das Schießen ohne Treffen. Sie sollten aber suchen, mit der Gewalt davon loszukommen, weil solche Neigungen nicht aus den Wirkungen in der dunkeln Kammer, nicht aus den Kräften und den eigenen Rechten, wie Sie es nannten, herrühren, sondern einzig und allein aus der Torheit, durch welche Sie groß Unglück anrichten können. Auch die Mädchen haben mitunter das Gelüst, Feuer anzulegen, sie lassen es aber wohl bleiben, wenn sie scharf zusammengenommen werden. Es kann und soll aber der Mensch, über den kein anderer gesetzt worden, an ihm selber der Herr und Zuchtmeister sein.

      Zweitens tut die Geschichte lehren, daß im Ehestande gar zu viel Liebe schädlich СКАЧАТЬ