Münchhausen. Karl Immermann
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Название: Münchhausen

Автор: Karl Immermann

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ stille gemacht zu haben. Dieser Schrimbs oder Peppel, dieser geistreiche Satiricus, Lügenhans und humoristisch-komplizierte Allerwelts-Haselant ist der Zeitgeist in persona; nicht der Geist der Zeit, oder richtiger gesagt: der Ewigkeit, der in stillen Klüften tief unten sein geheimes Werk treibt, sondern der bunte Pickelhäring, den der schlaue Alte unter die unruhige Menge emporgeschickt hat, auf daß sie, abgezogen durch Fastnachtspossen und Sykophanten-Deklamation von ihm und seiner unergründlichen Arbeit, nicht die Geburt der Zukunft durch ihr dummdreistes Zugucken und Zupatschen störe. Denn zweierlei war das Merkwürdigste an dem Vagabunden: Erstens, er trug nicht reine Märchenpoesie vor, sondern die grotesken Erfindungen und Gestalten wurden von ihm mit solcher Ruhe, Überzeugung und Ernsthaftigkeit hingestellt, sie saßen ihm so in Fell und Fleisch fest, daß man in währender Erzählung zu keinem dichterischen Behagen gelangte, man mußte ihn entweder für verrückt halten, oder an seinen Sachen, wie unsinnig sich das ausnahm, auf eine Stunde glauben. Zweitens, wenn er auch meistens in seinen milesischen Fabeln die Toren und Schächer der Zeit durchnahm, so fühlte man bald — wenigstens ich hatte die Empfindung nach kurzer Bekanntschaft — daß der Hohn nicht aus einer tugendhaft-erzürnten Seele quoll, sondern aus einem Sinne, dem eigentlich das Verkehrte lieb, notwendig, Bedürfnis und Stoff des Daseins war. Und darin kennst Du nun meine Grundsätze. Ich halt‘ mich ans Positive. Begeisterung und Liebe ist die einzig würdige Speise edler Seelen. Einen Schwank mag ich wohl leiden. Aber das Spötteln, Nergeln und Grinseln um den Kehricht her, dem schon viel zuviel Ehre geschieht, wenn er nur genannt wird, ist mir im innersten Mute zuwider.

      Als ich zurückkam, fand ich ihn in unserm ganzen Kreise eingebürgert. Die alten Öhme und Vettern wollten sich ausschütten über seine Einfälle oder sperrten den Mund so weit auf, als die Muskeln es vertragen wollten, wenn er ihnen ihre eigenen hausbackenen Personen, in wunderbaren Capriccios diese zurückspiegelnd, zeigte. Ich hörte mit zu, war wechselsweise von seinen Reden berauscht und unangenehm ernüchtert. Es kann selbst sein, daß ich mich Clelien nicht so genähert haben würde, hätte ich nicht bei den verzwickten Schnurren ein doppeltes Bedürfnis nach einer einfachen, wahren Geselligkeit empfunden. — Zu den Abenteuerlichkeiten des Schrimbs oder Peppel gehörte auch, daß er sich regelmäßig des Tages drei Stunden über mit drei jungen Leuten einschloß, die kurz nach ihm eingelaufen waren und die Unbefriedigten hießen. Sie sprachen nämlich nie ein anderes Wort, als: sie fühlten sich unbefriedigt, und sahen immer starr und sonderbar vor sich hin. Woher die gekommen waren, wußte auch niemand, da sie aber still und nüchtern lebten, so konnten sie nicht verdächtig erscheinen. Mit den drei Unbefriedigten schloß sich also Schrimbs, wie gesagt, täglich drei Stunden lang ein. Was sie zusammen trieben, erfuhr keiner. Aber weder ein Geschäft, noch eine Einladung, noch ein Spaziergang mit andächtigen Zuhörern, noch sonst etwas, konnte ihn abhalten, wenn die Stunde des Einschließens kam, alles aufzugeben, und in das Haus zu gehen, worin die geheimnisvollen Zusammenkünfte stattfanden. Wollte man ihn darüber ausforschen, so pflegte er mit seiner abscheulichen Ruhe und Würde zu sagen, die Unbefriedigten studierten ihn; wollte man den Sinn dieses rätselhaften Ausdrucks kennenlernen, so versetzte er gemeiniglich, es sei ihrer Studien wegen, daß sie ihn studierten, und fragte man ihn, was für Studien diese seien, so war die Auskunft: diejenigen, weswegen ihn die Unbefriedigten studierten.

      Nun zum Schluß der Geschichte. Unsere ganze Nicht-Liebesnovelle, Clelias und meine, hatte er mit durchgelebt, schien indessen nicht sehr darauf geachtet zu haben. Als die Sache aber allmählig wieder in das Gleiche kam, bringt mir, wie ich mich zum Besuch in der Stadt aufhalte, Freund Pfleiderer bestürzt ein lithographiertes Blatt, worauf unser ganzes Verhältnis, alle unsere Wendungen und Schritte, um ohne Aufsehen in eine gleichgültige Ferne auseinanderzurücken, zur wildesten Bambocciade verstellt zu lesen sind. Sie hieß: »Geschichte von Gänserich und Gänschen, die sich in ihren Herzen irrten«.

      Er sagte mir, daß das Ding vom Abenteurer herrühre, was auch nach den ersten Sätzen zu erkennen war. Der habe es in einer Gesellschaft erzählt, es sei allerliebst befunden worden, ein schnellfassender und schreibender Kopf habe es aufgezeichnet und auf allgemeines Begehren der lieben Schadenfreude zum Frommen für die Mitglieder der Gesellschaft lithographieren lassen. Jeder teile es im Vertrauen seinen nächsten Bekannten mit, und so mache es schon die Runde durch die halbe Stadt.

      Ich las und las, und was mich darin betraf, hätte ich verschmerzen können, ja ich gestehe, daß ich über manches lachen mußte. Aber auch Clelia war natürlich nicht darin verschont.

      Und das versetzte mich in einen Zorn, der mich taub und blind und rasend machte. Ich schwor dem Schelme die schrecklichste Rache. Nun hätte ich, um diese zu kühlen, mich in seiner Wohnung auf Lauer legen sollen. Aber da siehst Du den dummen Streich, der sich immer meinem Handeln beizumischen pflegt! Einsiegelte ich das lithographierte Blatt und schrieb dem Urheber, ich werde dann und dann mich bei ihm melden und Genugtuung fordern, kurz, eine förmliche Kriegserklärung. Als ich zur bestimmten Stunde nach seiner Wohnung ging, fand ich das leere Nest; Hals über Kopf war er abgereist. Ich hielt es für eine Finte, stürzte nach dem Hause, worin die geheimnisvollen Zusammenkünfte gefeiert wurden, weil ich ihn dort vermutete, aber da saßen die drei Unbefriedigten und jammerten, daß ihnen der Meister, wie sie den Gauch nannten, entschwunden sei. Vielfältige Nachfragen zeigten mir endlich eine Spur des Flüchtigen. Sie wies hieher, nach Norden, nach Niederland. In den Wagen gesetzt, mit dem alten Jochem, der noch verwirrter ist, als ich, und von Stadt zu Stadt nachgesprengt, bis ich denn hier vorläufig vor Anker gegangen bin. Ich habe nämlich den Jochem allein weiterspüren lassen, denn vor allen Dingen ist Inkognito nötig, wenn wir ihn entdecken wollen, und mich erkannten die Leute überall für das, was ich war. Weiß Gott, wie es zuging, da ich mir doch alle Mühe gab, mich zu verstellen. Des Inkognitos wegen ist auch der Wagen in Koblenz stehengelassen worden. Von da fuhren wir per Post, oder gingen auch streckenweise.

      Ich freue mich, wie ein Kind, daß ich die Geschichte vom Herzen heruntergebeichtet habe, denn nun darf ich von Dingen schreiben, die angenehmer sind. Nicht sagen kann ich Dir, wie wohl mir hier zumute geworden ist in der Einsamkeit der westfälischen Hügelebene, wo ich bei Menschen und Vieh seit acht Tagen einquartiert bin. Und zwar recht eigentlich bei Menschen und Vieh, denn die Kühe stehen mit im Hause zu beiden Seiten des großen Flurs, was aber gar nichts Unangenehmes oder Unreinliches hat, vielmehr den Eindruck patriarchalischer Wirtschaft vermehren hilft. Vor meinem Fenster rauschen Eichenwipfel, und neben denen hin sehe ich auf lange, lange Wiesen und wallende Kornfelder, zwischen denen sich dann wieder jezuweilen ein Eichenkamp mit einem einzelnen Gehöfte erhebt. Denn hier geht es noch zu, wie zu Tacitus‘ Zeiten. »Colunt discreti ac diversi, ut fons, ut campus, ut nemus placuit.« Darum ist denn auch so ein einzelner Hof ein kleiner Staat für sich, rund abgeschlossen, und der Herr darin so gut König, als der König auf dem Throne.

      Mein Wirt ist ein alter prächtiger Kerl. Er heißt Hofschulze, obgleich er gewiß noch einen andern Namen führt, denn jener bezieht sich ja nur auf den Besitz seines Eigentums. Ich höre aber, daß dies überall hier so gehalten wird. Nur der Hof hat meistenteils einen Namen, der Name des Besitzers geht in dem der Scholle unter. Daher das Erdgeborne, Erdzähe und Dauerbare des hiesigen Geschlechtes. Mein Hofschulze mag ein Mann von etlichen sechzig Jahren sein, doch trägt er den starken großen knochichten Körper noch ganz ungebeugt. In dem rotgelben Gesichte ist der Sonnenbrand der fünfzig Ernten, die er gemacht hat, abgelagert, die große Nase steht wie ein Turm in diesem Gesichte, und über den blitzenden blauen Augen hängen ihm weiße struppige Brauen, wie ein Strohdach. Er gemahnt mich, wie ein Erzvater, der dem Gotte seiner Väter von unbehauenen Steinen ein Mal aufrichtet und Trankopfer darauf gießt und Öl, und seine Füllen erzieht, sein Korn schneidet, und dabei über die Seinigen unumschränkt herrscht und richtet. Nie ist mir eine kompaktere Mischung von Ehrwürdigem und Verschmitztem, von Vernunft und Eigensinn vorgekommen. Er ist ein rechter uralter freier Bauer im ganzen Sinne des Worts; ich glaube, daß man diese Art Menschen nur noch hier finden kann, wo eben das zerstreute Wohnen und die altsassische Hartnäckigkeit, nebst dem Mangel großer Städte den primitiven Charakter Germanias aufrechterhalten hat. Alle Regierungen und Gewalten sind darüber hingestrichen, haben wohl die Spitzen des Gewächses abbrechen, aber die Wurzeln nicht ausrotten können, denen dann immer wieder frische Schößlinge entsprossen, wenngleich sich diese nicht mehr СКАЧАТЬ