Название: Zivilprozessrecht
Автор: Irmgard Gleußner
Издательство: Bookwire
Серия: JURIQ Erfolgstraining
isbn: 9783811475212
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1. Inhalt und Bedeutung
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Der Grundsatz der Mündlichkeit ist in § 128 Abs. 1 ZPO geregelt. Danach darf das Gericht seine Entscheidung grundsätzlich nur auf der Grundlage einer mündlichen Verhandlung treffen. Nur das mündlich Vorgetragene kann Gegenstand der Urteilsfindung sein. Ergänzend gilt das Prinzip der Einheit der mündlichen Verhandlung. Finden mehrere Verhandlungstermine statt, bilden sie insgesamt eine einzige mündliche Verhandlung (früher erster Termin, Haupttermin, Folgetermine).[31] Was also einmal gesagt wurde, bleibt für die folgenden Termine erhalten. Dementsprechend ist in § 309 ZPO normiert, dass ein Urteil nur von den Richtern gefällt werden kann, die dem letzten mündlichen Verhandlungstermin beigewohnt haben. Diese haben aufgrund der Einheit der mündlichen Verhandlung das „letzte Wort“ und damit „alles“ mitbekommen. Das Gegenstück zum Mündlichkeitsprinzip bildet das Schriftlichkeitsprinzip, das vor dem Reichskammergericht (1495–1806) Geltung hatte. Damals schrieb man dem Richter seitenweise Stellungnahmen, ohne ihn je zu Gesicht zu bekommen. Das ist heute undenkbar. Allein der Anspruch auf rechtliches Gehör erfordert eine mündliche Verhandlung, in der Tatsachen und Rechtsausführungen miteinander erörtert werden. Nur dort kann der Richter seine richterliche Hinweis- und Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO erfüllen. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Mündlichkeit ist ein wesentlicher Verfahrensmangel. Er muss durch Rechtsmittel geltend gemacht werden, ist aber kein absoluter Revisionsgrund nach § 547 ZPO.[32]
2. Ausnahmen
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Der Grundsatz der Mündlichkeit tritt an einigen Stellen in der ZPO zugunsten schriftlicher Kommunikation zurück. Das gesprochene Wort ist flüchtig und als alleinige Grundlage für die Rechtsfindung nur bedingt geeignet. Daher legt die ZPO im Rahmen der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Wert auf schriftliche Äußerungen der Parteien. So erfolgt die Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung regelmäßig durch Schriftsätze der Parteien (§§ 129 Abs. 1, 282 Abs. 2 ZPO). Das Gericht kann den Parteien Fristen für ihre schriftlichen Stellungnahmen setzen (§ 275 Abs. 1, 4 ZPO). Fragen des Gerichts zu Schriftsätzen sind rechtzeitig (schriftsätzlich) zu beantworten (§ 273 ZPO). Außerdem kann das Gericht ein schriftliches Vorverfahren anordnen (§ 276 ZPO). Hier erfolgt die Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung ausschließlich aufgrund vorbereitender Schriftsätze. Eine Bezugnahme auf Schriftsätze ist ebenfalls möglich (§§ 137 Abs. 3, 297 Abs. 2 ZPO).
Ausgangsfall
Die Anwältin von Mona erklärt in der mündlichen Verhandlung, dass sie den Antrag aus der Klageschrift vom 28.2.2017 (Blatt 1 der Akten) stellt. Sie muss den Antrag also nicht wörtlich wiederholen. Zudem stellt die vorbehaltslose Antragstellung die Bezugnahme auf den gesamten Akteninhalt dar.[33] Unter den Voraussetzungen des § 128a ZPO kann die Anwältin von Mona ihre „Botschaft“ auch per Videokonferenz (Webcam) an das Gericht übermitteln.
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In einigen wenigen Fällen kann das Gericht sogar ganz auf mündliches Vorbringen verzichten und allein aufgrund der schriftlichen Äußerungen entscheiden. So kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen, wenn beide Parteien zustimmen (§ 128 Abs. 2 ZPO). Die Kostenentscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 128 Abs. 3 ZPO). Erfolgt die gerichtliche Entscheidung durch Beschluss, nicht durch Urteil, ist eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich (§ 128 Abs. 4 mit z.B. § 922 Abs. 1 ZPO). In Verfahren vor den Amtsgerichten kann das Gericht ein schriftliches Verfahren anordnen, wenn der Streitgegenstand 600 € nicht übersteigt (§ 495a S. 1 ZPO). Auf Antrag muss aber mündlich verhandelt werden (§ 495a S. 2 ZPO); andernfalls liegt eine Gehörsverletzung vor.[34] Einer mündlichen Verhandlung bedarf es auch nicht, wenn die gegnerische Partei den Klageanspruch anerkennt (§ 307 S. 2 ZPO). Ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren (§ 331 Abs. 3 ZPO) kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.
2. Teil Erkenntnisverfahren › B. Verfahrensgrundsätze › VI. Grundsatz der Unmittelbarkeit
VI. Grundsatz der Unmittelbarkeit
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Nach dem Grundsatz der Unmittelbarkeit müssen die mündliche Verhandlung sowie die Beweisaufnahme unmittelbar vor dem erkennenden Gericht stattfinden (vgl. §§ 128 Abs. 1, 355 Abs. 1 S. 1 ZPO). Damit soll gewährleistet werden, dass sich das Gericht einen eigenen Eindruck verschafft und einen Prozess aufgrund eigener Beurteilungskraft entscheidet. Da auch Richter pensioniert werden oder die Kammer wechseln, ist eine kontinuierliche „Prozessbetreuung“ nicht durchweg möglich. Daher reicht es aus, wenn der erkennende Richter zumindest der letzten mündlichen Verhandlung beigewohnt hat (§ 309 ZPO; siehe auch „Mündlichkeit“).
Ausgangsfall
Der Richter vernimmt Thomas, den Freund von Mona, als Zeugen. Im Protokoll vermerkt er, dass „der Zeuge den Eindruck einer wahrheitsliebenden und gewissenhaften Person vermittelt, die intellektuelles Denkvermögen besitzt und ein sicheres Erinnerungsvermögen hat.“ Wird dieser Richter nun während des Prozesses pensioniert und kommt eine neue Richterin, muss diese die Beweisaufnahme wiederholen, wenn sie den persönlichen Eindruck des Zeugen zur Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit in ihrem Urteil aufnehmen will.[35] Dies gilt insbesondere, wenn auf die „Urteilsfähigkeit“, das „Erinnerungsvermögen“ oder die „Wahrheitsliebe“ des Zeugen verwiesen wird.[36] Andernfalls kann die Zeugenaussage im Wege des Urkundenbeweises durch Auswertung des Vernehmungsprotokolls verwertet werden.
Auch zum Unmittelbarkeitsgrundsatz existieren Ausnahmen. So darf die Beweisaufnahme in bestimmten Fällen einem beauftragten oder ersuchten Richter übertragen werden (z.B. §§ 355 Abs. 1 S. 2, 361, 372 Abs. 2, 375, 434, 479 ZPO). Seit neuestem können die Parteien von Amts wegen (bzw. Zeugen, Sachverständige auf Antrag) auch per Videokonferenz an Terminen teilnehmen (§ 128a ZPO), sofern das Gericht über diese Technik verfügt.[37] Ein Verstoß gegen § 309 ZPO führt zu einem absoluten Revisionsgrund (§ 547 Nr. 1 ZPO).
2. Teil Erkenntnisverfahren › B. Verfahrensgrundsätze › VII. Grundsatz der Öffentlichkeit
VII. Grundsatz der Öffentlichkeit
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Mündliche Verhandlungen vor dem Zivilgericht sind grundsätzlich öffentlich (§ 169 GVG). Jeder Bürger soll Gelegenheit haben, „dem Richter einen Blick über die Schulter zu werfen“. Geheimgerichte, die hinter verschlossenen Türen Urteile fällen, sind in einem Rechtsstaat verboten.[38] In Familiensachen ist die Öffentlichkeit zum Schutz der Privatsphäre der Beteiligten grundsätzlich ausgeschlossen (§ 170 Abs. 1 S. 1 GVG). Die Urteilsverkündung muss aber in jedem Fall öffentlich erfolgen (§ 173 GVG). Die Idee, bei den Landgerichten Kammern für internationale Handelssachen einzurichten, die in englischer Sprache verhandeln, verstößt jedenfalls nicht gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz. Gleiches gilt für das richterliche Verbot, bestimmte Motorradkleidung (Hells Angels) im Gerichtssaal zu tragen.[39] Neuerungen bringt das Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit (EMöGG).[40] Danach bleiben Fernsehaufnahmen im Rahmen der mündlichen Verhandlung grundsätzlich weiterhin verboten (§ 169 Abs. 1 S. 2 GVG). Jedoch kann der СКАЧАТЬ