Der Mensch und das liebe Vieh. Martin M. Lintner
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Название: Der Mensch und das liebe Vieh

Автор: Martin M. Lintner

Издательство: Bookwire

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isbn: 9783702236359

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СКАЧАТЬ gibt es in Bezug auf den Menschen einen wesentlichen Unterschied: Die Wasser- und die Lufttiere machen dem Menschen den Lebensraum nicht streitig, die Landtiere hingegen sehr wohl, denn sie können den Menschen unmittelbar bedrohen. Dem Menschen würde als sowohl das Recht zuerkannt, Haustiere zu halten, als auch sich vor den wilden Tieren zu schützen. Der grundlegenden Intention der oben beschriebenen inklusiven Lesart würde diese Auslegung damit inhaltlich nicht widersprechen, insofern der Herrschaftsauftrag an dieser Stelle inkludiert, die Erde als den gemeinsamen Lebensraum aller Tiere anzusehen, und lediglich die Erlaubnis beinhaltet, das von den Menschen bewohnte und bestellte Land sowie das Nutzvieh vor den Wildtieren zu schützen, nicht jedoch das Anrecht, dass die Menschen die Erde als Lebensraum für sich allein beanspruchen. Auch aus der exklusiven Lesart ergibt sich daher, dass „die Herrschaft über die (wilden) Tiere ein Tötungsrecht keineswegs einschließt. Erst dem nachsintflutlichen Menschen wird das Fleisch zur Nahrung geben (Gen 9,3), und erst daraus erfolgt der Schrecken aller Kreatur vor den Menschen (Gen 9,2; vgl. Sir 17,1–4)“42. Allerdings kann daraus kein generelles Tötungsverbot von Tieren vor der Sintflut abgeleitet werden, denn in Gen 3,21 wird ausdrücklich gesagt, dass Gott Adam und Eva mit Röcken aus Fellen bekleidete, und in Gen 4,4 bringt Abel ein Opfer dar von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett – beides, die Röcke aus Fell wie auch das Tieropfer, bedeutet die Tötung von Tieren.

       c) „Macht euch die Erde untertan und herrscht über …“

      Doch nun zurück zu den beiden Verben „untertan machen“ und „herrschen“: Was bedeuten sie im Detail? Der Herrschaftsauftrag in V 28 besteht aus zwei Teilen, wobei sich der erste auf die Erde und der zweite auf die Tiere bezieht. In Bezug auf die Erde wird das hebräische Verb kābaš, in Bezug auf die Tiere hingegen rādā verwendet.

      Kābaš, welches mit „untertan machen“ übersetzt wird, meint ursprünglich „(be)treten“ bzw. „den Fuß setzen auf“.43 Dies kann eine höchste ambivalente Geste sein. Den Fuß auf etwas setzen kann zur Folge haben, dass etwas zertreten oder getötet wird. Ebenso kann es bedeuten, dass sich jemand das, worauf er seinen Fuß setzt, aneignet oder unterwirft, aber auch, dass er es in Schutz nimmt, weil er es als sein Eigentum deklariert, das zu verteidigen er bereit ist.44 Wenn ein Sieger seinen Fuß auf den Kopf des Besiegten setzt, der vor ihm liegt, dann wäre es ein Leichtes, ihn zu töten, ebenso liegt es aber auch in seiner Macht, das Leben des Besiegten zu schonen und ihn zum Untertan und zum Schutzbefohlenen zu machen. In sozialen Kontexten schwingt beim Verb kābaš immer die Konnotation von asymmetrischen Macht- und Gewaltverhältnissen mit, beispielsweise jemanden in den Dienst nehmen oder ihn versklaven.45 Die aufgezeigte Ambivalenz von kābaš darf nicht geleugnet, die damit verbundenen Gewaltaspekte nicht ausgeblendet werden. Vielmehr spiegelt sich darin eine zweifache Erfahrung wider. Erstens: Der Mensch hat in seiner Freiheit de facto die Möglichkeit, bewusst und willentlich mit seiner Umwelt entweder rücksichtslos und zerstörerisch umzugehen oder aber sie zu gestalten und zu pflegen. Zweitens: Auch die Urbarmachung von unbewohnter Wildnis ist zunächst ein Akt eines mehr oder weniger gewaltsamen Eindringens in ein funktionierendes Biotop, d. h. in einen biologisch intakten Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Gerade durch die Entwicklung sowie den Gebrauch von Werkzeugen und Waffen haben sich die Menschen einen entscheidenden Vorteil gesichert, der ihnen ein Eingreifen in die Natur bzw. ein Gestalten der Umwelt ermöglicht, wie sie es allein mit den bloßen Händen nicht könnten, sowie eine Macht und Vorrangstellung gegenüber Tieren, denen sie sonst unterlegen wären. Aus dieser dem Menschen konkret gegebenen Möglichkeit ergibt sich nun aber die Verantwortung, dass er sie gerade nicht zerstörerisch missbraucht, sondern seine Fähigkeiten vielmehr so einsetzt, dass er die Erde nutzt. Er soll das Land entsprechend dem Segensspruch, fruchtbar zu sein und die Erde zu füllen, als Lebensraum besiedeln und gestalten, also seinen Fuß auf die Erde setzen wie der Landwirt, der den Acker bebaut und nicht verwildern lässt, oder der Gärtner, der seine Beete bepflanzt und nicht verwüstet. Dieser Bedeutungsgehalt wird in Gen 2,15 bestärkt, wo es heißt, dass Gott den Menschen in den Garten Eden setzte, damit dieser ihn „bebaue und bewahre“.

      Auch das hebräische Verb für „herrschen“ (rādā) meint ursprünglich „treten“, „niedertreten“ und hat deshalb zunächst ambivalente Konnotationen.46 Herrschaft setzt immer Macht- und Gewaltverhältnisse voraus und ermöglicht Missbrauch von Macht. Deshalb ist es wichtig daran zu erinnern, dass dieses Verb bereits in V 26 verwendet wird, wo Gott die Aufgabe benennt, die er den Menschen zugedacht hat. Wie weiter oben bereits ausgeführt worden ist, besteht diese Aufgabe darin, dass die Menschen Gott in der Schöpfung repräsentieren bzw. vergegenwärtigen sollen. Aus dem gesamten Duktus des Schöpfungsberichtes wird deutlich, dass es viel zu kurz greifen würde, würde man den Herrschaftsauftrag lediglich so verstehen, dass der Mensch Tiere zu seinem eigenen Nutzen verwenden dürfe. Die gesamte Schöpfung ist vielmehr Ausdruck der kreativen Kraft und der schöpferischen Freude Gottes, der das Leben bejaht, die Welt durch den zeitlichen Rhythmus von Tag und Nacht sowie durch die Scheidung von Wasser und Land ordnet und somit zum Lebensraum für die unterschiedlichsten Lebewesen macht. Die Menschen sollen deshalb als Repräsentanten Gottes ebenso das Leben bejahen, bewahren und fördern. In dieser Perspektive kann der schon aufgezeigte Unterschied in der Benennung der Herrschaftsaufgabe in V 26 sowie in der konkreten Herrschaftsbeauftragung in V 28 signifikant sein, dass nämlich in V 26 die wilden Tiere nicht der Herrschaft der Menschen anvertraut werden, in V 28 hingegen schon (folgt man der oben dargelegten exklusiven Lesart). Das könnte bedeuten, dass hier der biblische Autor wiederum eine urmenschliche Erfahrung verarbeitet, nämlich: Der Mensch kann sich de facto manche Tiere nicht zu Nutze machen, da sie nicht domestizierbar sind (V 26), er muss aber zum Schutz der Nutztiere die Angriffe von wilden Tieren abwehren oder kann durch die Urbarmachung von Wildnis auch mit den Wildtieren in Konflikt geraten, weil er ihnen ihren Lebensraum streitig macht (V 28). Keinesfalls bedeutet der Herrschaftsauftrag nun einen Freibrief für ein willkürliches Eingreifen in die Natur oder für einen verantwortungslosen Umgang mit Tieren. Gegenüber den Tieren kommt dem Menschen zwar eine „gattungsspezifische Macht- und Intelligenzüberlegenheit“47 zu, aus den asymmetrischen Machtverhältnissen ergibt sich aber die Verantwortung, diese so zu gestalten, dass die Erde als Lebensraum für alle Lebewesen bewahrt und das Leben der Tiere geschont und geschützt wird. Abschließend ist noch daran zu erinnern, dass im Kontext des Alten Testaments das Herrschen mit der fürsorglichen Verantwortung eines Königs für das Wohlergehen seines Volkes und die umsichtige Sorge eines Hirten für die ihm anvertraute Herde konnotiert ist.

      1.3 Die Stellung des Menschen in der Schöpfung aus verantwortungsethischer Perspektive

      An dieser Stelle soll die Frage nach dem Verständnis der Gottebenbildlichkeit des Menschen erneut aufgegriffen werden. Weiter oben wurde bereits herausgearbeitet, dass es dabei nicht in erster Linie um die Frage geht, was die Menschen von den Tieren unterscheidet oder ob der Mensch Höhepunkt, ja sogar Ziel der Schöpfung sei – beides ist im Hinblick darauf, dass die Schöpfung erst am siebten Tag vollendet wird, zu verneinen –, sondern um die besondere Aufgabe, die Gott den Menschen zugedacht hat: inmitten der Schöpfung als Abbild Gottes ihn selbst präsent zu halten. „Die Bibel betont das Hervortreten des Menschen durch den besonderen göttlichen Anruf im Unterschied zu dem einfachen Befehl, durch den Gott die Gestirne und das Land, die Pflanzen und die Tiere erschafft. Gott setzt den Menschen durch sein schöpferisches Wort in ein Verhältnis der Unmittelbarkeit zu sich, das ihn als besonderes Geschöpf auszeichnet; er setzt sich so in Beziehung zum Menschen, dass dieser seiner Auszeichnung im geschöpflichen Gegenüber zu Gott entsprechen kann.“48 Auch wenn z. B. im Psalm 148 die gesamte Schöpfung eingeladen wird, Gottes Lob zu singen, auch die „Tiere und alles Vieh, Gewürm und Vögel“ (vgl. V 10), so ist doch nur der Mensch im Unterschied zu den nichtmenschlichen Lebewesen befähigt, die Welt als Schöpfung Gottes zu deuten und in ihr die Spuren Gottes zu erkennen, sie also „als Gleichnis Gottes zu lesen“. Die anderen Lebewesen, Tiere wie Pflanzen hingegen würden Gott durch ihre Existenz, d. h. durch ihr Dasein loben, СКАЧАТЬ