Sedieren ohne Medikamente. Elvira Lang
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Название: Sedieren ohne Medikamente

Автор: Elvira Lang

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Hypnose und Hypnotherapie

isbn: 9783849783822

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      (Fallnotizen von E. Lang)

      Was dieser Fall zeigt: Menschen unterscheiden sich in ihren Bedürfnissen und Vorlieben, ihren persönlichen Raum betreffend – also bezüglich des Abstands, den sie im sozialen Kontakt mit einer anderen Person einzuhalten versuchen. Manche Menschen stehen gerne ziemlich nah bei ihrem Gesprächspartner. Andere brauchen einfach mehr Abstand. Viele Menschen können sich unbewusst auf einen bestimmten Abstand einigen, während sie sich unterhalten. Andere sind ziemlich rigide bezüglich ihrer Bedürfnisse und Vorlieben, besonders in stressigen Situationen. Werden die persönlichen Bedürfnisse nach Abstand missachtet oder ignoriert, beeinträchtigt dies die Kommunikation erheblich. Der Rapport wird behindert, und die Chancen einer Verständigung verringern sich.

      Die festen Verknüpfungen im Gehirn sind eine Erklärung für die persönlichen Raumpräferenzen. Der Mensch beginnt sein Leben mit einem Bedürfnis nach sehr engem Kontakt. Die Chemie des Gehirns und des Körpers fördert die Nähe des Babys zu seiner Mutter, damit es Nahrung und Wärme erhält und vor Gefahren geschützt ist (Pederson 2004). Gleichzeitig sind die Menschen vorprogrammiert, einen Sicherheitsabstand zu Fremden und allem Unbekannten zu halten. Befinden sich Bedrohungen in sicherer Entfernung, wird unser Vorderhirn aktiviert, um Möglichkeiten und Lösungen optimal kritisch auszuloten. Allerdings wird das Mittelhirn aktiver, sobald eine Gefahr näherkommt, und triggert ohne komplexere kognitive Beteiligung des Vorderhirns eine Kampf- oder Fluchtreaktion mit dem Versuch, den Abstand wiederherzustellen (Mobbs et al. 2007). Dennoch benötigen einige Menschen mehr Nähe, um sich sicher zu fühlen, besonders in einer Gefahrensituation, in der sie das Gefühl brauchen, beschützt und verstanden zu werden, so wie sie es als Kind in den Armen ihrer Mutter waren.

      Wie sich die gleichzeitigen, konkurrierenden Impulse nach Nähe und Abstand auf die Entwicklung der Person und ihre Wahrnehmung als Erwachsener auswirken, ist individuell sehr unterschiedlich. Für die meisten Menschen ist das Bedürfnis nach persönlichen Grenzen einigermaßen flexibel und richtet sich nach Umweltfaktoren. Zum Beispiel gilt, dass das Bedürfnis nach Abstand größer wird, je dunkler die Szenerie ist (Adams a. Zuckerman 1991). Eine Studie aus dem Jahr 1980, die das Bedürfnis nach persönlichem Raum bei Erwachsenen bei Krankenhausaufenthalten untersuchte, ergab, dass in dieser Umgebung der bevorzugte zwischenmenschliche Abstand geringer war als zu Hause (Geden a. Begeman 1981). Es wurde auch nachgewiesen, dass ein verwandtschaftliches oder freundschaftliches Verhältnis zum Gegenüber die persönlichen Grenzen beeinflusst. In der gerade erwähnten Studie sollten die Patienten Stellvertreter anderer Personen neben ihre eigene Silhouette stellen. Sie positionierten Familienmitglieder am nächsten zu sich selbst und platzierten in zunehmendem Abstand den Arzt, die Krankenpflegerin und, am weitesten entfernt, einen Fremden.

      Das Gefühl für den benötigten Raum ist ein wichtiger Faktor, den man beachten sollte, wenn man Kontakt und Rapport herstellt. Zum Glück werden die Forschungsarbeiten ständig fortgeführt. Ein Beispiel dafür ist die experimentelle Studie von Lawrence E. Williams und John A. Bargh an der Yale University. Beide fanden heraus, dass das jeweilige Gefühl von Distanz einer Person deren emotionale Intensität von Stimuli abschwächen kann (Williams a. Bargh 2008). Außerdem können der Studie zufolge Gefühle emotionaler Distanz von natürlichen Zeichen oder Signalen in der Umgebung hervorgerufen werden, die keinen Bezug zu einem selbst haben. Mit anderen Worten: Allein die räumlichen Beziehungen zwischen Objekten in der Umgebung können beeinflussen, wie jemand die Situation und Interaktion beurteilt.

      Wenn Sie sich mit jemandem unterhalten, rücken Sie dann Ihrem Gegenüber auf die Pelle, oder halten Sie auf Armeslänge Abstand? Brauchen Sie Raum zum Atmen, oder bevorzugen Sie es, mit dem anderen während einer Interaktion Schulter an Schulter zu stehen? Das Bedürfnis nach Raum und die entsprechenden Vorlieben variieren von Mensch zu Mensch. Die Balance zwischen Nähe und Abstand zum Patienten (oder einem anderen Kommunikationspartner) bestimmt in großem Maße den Verlauf einer Interaktion. Die meisten finden ein Gleichgewicht und passen sich im Gespräch an für beide Partner akzeptable Distanzen an. Doch wie man im Fallbeispiel 2 gesehen hat, sind einzelne in ihrer jeweiligen Präferenz sehr fixiert und können sich kaum an die des anderen angleichen. Das Unbehagen bei zu großer Nähe kann im Extremfall sogar die Ausübung des Berufs verhindern. Im Falle unseres eingangs beschriebenen Kollegen hatte seine Unfähigkeit, Nähe auszuhalten, negative Auswirkungen auf die professionelle Effektivität und verunsicherte manchmal die anderen.

      Wie gut auch immer ein Mensch sich automatisch an die Bedürfnisse seines Gegenübers nach persönlichem Raum anzupassen vermag, unter Stress wird diese Fähigkeit wahrscheinlich geringer sein. Bei Begegnungen im medizinischen Kontext fühlen sich Patienten normalerweise gestresst. Infolgedessen können sie das Bedürfnis der medizinischen Fachkraft nach persönlichem Raum weniger gut unbewusst erkennen und ihm entsprechen. Als Regel sollte hier deshalb gelten: Der Patient bestimmt die Art der Interaktion, und die medizinische Fachkraft passt sich an, damit schnell Rapport hergestellt werden kann. Wichtig ist dabei, seine eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu lernen, den Bedürfnissen des Gesprächspartners zu entsprechen.

      Einige Patienten wollen ihrem Gegenüber sehr nah kommen und fühlen sich eventuell abgelehnt, wenn die medizinische Fachkraft sich zurückzieht. Rückt ein Patient näher zu Ihnen heran, dann ziehen Sie sich nicht zurück, sondern bleiben Sie, wo Sie sind. Es ist klar, dass es einige Übung braucht, bis Sie so große Nähe tolerieren. Trotzdem hilft es solchen Patienten oft dabei, sich verstanden zu fühlen, wenn Sie diese Nähe für einen Augenblick aushalten, bevor Sie etwas zurücktreten.

      Bemerken Sie hingegen, dass Ihr Gegenüber zurückweicht, während es mit Ihnen spricht, so merken Sie sich die Distanz, bei der die andere Person stoppt. Halten Sie diesen sicheren Kommunikationsabstand ein, wann immer Sie mit dieser Person reden, auch wenn Sie selbst es vorziehen, etwas näher bei ihr zu stehen. Wenn eine Person Ihnen auf aggressive Weise näher kommt, stehen Sie aufrecht, bleiben Sie freundlich und bestimmt. Wenn Sie weichen müssen, tun Sie das zur Seite hin, nicht nach hinten. Ein bisschen Beobachtungsgabe und Anpassung Ihrerseits führt oft zu einer Balance, die sich für beide Teile gut anfühlt.

      Auf der Suche nach der Balance zwischen Nähe und Distanz zum Patienten sollten Sie vertikale wie auch horizontale Abstände beachten. Wenn Sie einen Patienten, der vor Ihnen sitzt oder im Bett, auf dem Behandlungstisch oder einer Trage liegt, deutlich überragen dann drückt das einen Machtunterschied aus. Vermeiden Sie es deshalb zu stehen, wenn Ihr Gesprächspartner sitzt oder liegt. Nehmen Sie sich einen Stuhl, und setzen Sie sich zu ihm, oder begeben Sie sich auf gleiche Höhe.

      Sitzt Ihr Gegenüber vor einer Wand – wie es oft im Wartezimmer der Fall ist, und Sie rücken Ihren Stuhl an ihn heran, dann passen Sie auf, dass Sie ihm nicht zu nahekommen. Denn wenn Ihr Gesprächspartner viel persönlichen Raum braucht, kann er oder sie nun nicht mehr nach hinten ausweichen. Wenn Sie Kindern oder Personen begegnen, die sehr viel kleiner als Sie sind, begeben Sie sich auf Augenhöhe mit ihnen. Der folgende Tagebucheintrag von Eleanor Laser zeigt, warum es besonders wichtig ist, seine Größe anzupassen, wenn man mit Kindern zu tun hat.

       Die Frau mit den schwarzen Zähnen

      In meinem ersten Gespräch mit einer neuen Patientin bemerkte ich schnell, dass sie nie lächelte, nicht ein einziges Mal. Der Grund dafür kam schnell ans Licht. Die Frau hatte Zähne, die schwarz vor Fäulnis waren, und für die sie sich sehr schämte. Die Patientin hatte eine schwere Phobie vor Zahnärzten. Das letzte Mal, als sie beim Zahnarzt war, war СКАЧАТЬ