Название: Am Ende des Regenbogens
Автор: Maria Rohmer
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783748563570
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Diesen Arzt werden wir beide noch einmal wiedersehen. Ich werde am Ende noch einmal mit ihm telefonieren, und auch vor dieser Klinik werde ich nach Vaters Tod noch einmal stehen.
Zufall?
1990, kurz nach meiner Heirat mit einem Seemann trat ich dem `Verband der Seemannsfrauen` bei, um von irgendwoher Informationen über den Beruf `Seemann` und über die Seefahrt im allgemeinen zu bekommen. Denn, aufgewachsen in Mönchengladbach, also im tiefsten Binnenland, hatte ich schlichtweg keine Ahnung von der Welt der Seeleute.
Einmal mit dem Virus `Seefahrt` infiziert, kommt man nicht mehr davon los, wie ich feststellen durfte. Ich begann meine Erlebnisse und Eindrücke niederzuschreiben. Nachdem zahlreiche Artikel in verschiedenen Fachzeitschriften erschienen waren, kam dann im Oktober 1994 mein erstes Buch heraus. Zu Beginn des nächsten Jahres erhielt ich durch die Verbandsvorsitzende eine Einladung nach Bonn. Frau Prof. Dr. Süßmuth, die Schirmherrin des Verbandes, wollte einige Seemannsfrauen zu einem Gespräch empfangen, in dessen Verlauf ich die Gelegenheit bekommen sollte, ihr mein Buch `Verheiratet mit einem Seebären` zu überreichen.
Ich fuhr also nach Bonn, sah noch einmal die mir bekannten Straßenschilder und erwischte einen Parkplatz, keine 200 m vom Klinikgebäude entfernt. Wie magisch angezogen, ging ich hinein und setzte mich noch einmal auf einen der Stühle im großen Warteraum.
Nichts hatte sich verändert. Hier nicht.
Dann erst machte ich mich auf den Weg zum Bahnhof, um mich mit den anderen zu treffen. Mit der U-Bahn gelangten wir zum Regierungsviertel und zu Fuß weiter bis zum Bundeshaus.
13. Kapitel
15. Juli. Köln, Uniklinik, Station 13 D, Krebsstation. Ein Zweibettzimmer, rechts die Tür zum Bad, schmale Wandschränke, ein Tisch mit zwei Stühlen, ein Besuchersessel in der Ecke am Fenster, zwei fahrbare Nachtschränkchen, unter jedem Bett ein zusätzlicher Hocker (der für sonntags, dem `Großkampftag`), an der Decke die Flutlichtbeleuchtung, und an der Wand, hinterm Bett, der Anschluss fürs Radio, und der Knopf mit dem Schwesternruf. Das Übliche. Und doch nicht ganz. Beim Betreten des Raums fällt der Blick als erstes auf die Bilder und verweilt dort: Naive Malerei, Landschaften am Meer, Sonne, Strand und blauer Himmel, zarte, lichte Farben.
Etwas zum Festhalten in dieser sterilen Krankenhauswelt. Etwas, das auch sofort nach Verlassen des Aufzugs ins Auge fällt: Hier oben ist alles hell und freundlich, diese Station ist anders als all die anderen. Überall leuchten bunte Blumensträuße, Mobiles tanzen im Luftzug hin und her, die Flure sind tapeziert mit Bildern und Zeichnungen, alle gemalt in den Farben der Hoffnung.
Hier wird Vater sechs Tage bleiben: Zur ersten Chemo. Er hat sich für Köln entschieden, einzig aus dem Grund, dass bis auf diese erste Behandlung alle weiteren ambulant durchgeführt werden können. Es sei denn, es würden schwere Nebenwirkungen auftreten. Aber die schließt er einfach aus: „Es wird schon gutgehen, warum sollte ich das nicht schaffen. Macht euch da mal keine Sorgen drum.“ „Habt keine Angst, macht euch keine Sorgen“, bis zum Schluss wird er das zu uns sagen. Dabei ist er es doch, der sie aushalten muss: Diese Angst, die zum ständigen Begleiter werden wird. Die Angst vor der nächsten Behandlung, der nächsten Untersuchung, dem nächsten Ergebnis ...
Nur wenige Male wird er uns sehen lassen, wie diese Furcht in ihm hochkriecht.
Aber nie wird sie ganz von ihm Besitz ergreifen. Er will sein Leben so normal wie möglich weiterführen. Und es wird ihm gelingen, wir alle werden ihm helfen, am meisten jedoch hilft ihm seine enorme Willensstärke und seine eiserne Disziplin.
„Aufgeben gilt nicht“ wird er sich selbst Mut machen.
Er braucht seine Arbeit, braucht den Kontakt zu seinen Freunden und Bekannten. Er muss unter die Leute und er muss über Land fahren können. Daraus schöpft er einen Großteil seiner Kraft. Nur drei Tage vor seinem Tod wird er mich fragen: „Was meinst du, am Mittwoch bekommen P. die neue Maschine. Ob ich rübergehen und mir die ansehen kann? Es tut mir so leid, aber im Moment bin ich nicht fähig, die anzuschließen. Dafür müssen P. jemand anderen nehmen. Hoffentlich verstehen die das.“
Meine Gefühle in dem Moment lassen sich kaum beschreiben. Dieser Mensch, von dem ich weiß, dass er nicht mehr lange zu leben hat, dieser verrückte Mensch, macht sich Sorgen um andere und um eine blöde Maschine. Papa, Papa!
Antworten werde ich: „Klar, ich gehe mit dir rüber. Den ‘Kasten’ stecken wir in deine Hosentasche, und den dünnen Schlauch sieht unter’m Hemd eh niemand.“
Der `Kasten` enthält die Morphiumspritze, und durch den millimeterfeinen Schlauch gelangt das Schmerzmittel durch die Haut seines Arms in den Körper.
Diesen Mittwoch jedoch wird es für Vater nicht mehr geben.
Mama und ich werden am Fenster stehen und zusehen wie der riesige Kran die tonnenschwere Maschine anhebt und allmählich hinter dem Dach der Reinigung verschwinden lässt. Die Augen schließen, all die Menschen nicht sehen müssen, von denen er die meisten gekannt hat.
Menschen, die reden, die lachen, die staunend dieses Spektakel beobachten.
Weglaufen! Meine Hände graben sich in den Stoff der Gardine. Ich habe verdammt nochmal hier stehenzubleiben und mir das anzugucken! Ich tu’s für meinen Vater mit!
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