Am Ende des Regenbogens. Maria Rohmer
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Название: Am Ende des Regenbogens

Автор: Maria Rohmer

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

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isbn: 9783748563570

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СКАЧАТЬ Sterben, verlängert durch eine Apparatemedizin, die in all ihren Möglichkeiten ausgenutzt wurde, deren Einsatz von niemandem hätte verhindert werden können - einzig von der Patientin selbst. Nur war diese längst schon nicht mehr in der Lage sich zu artikulieren. Längst war sie gefangen in ihrer eigenen Gedanken- und Gefühlswelt, tauchte nur manchmal aus dem Nebel der Betäubungsmittel und aus den Grenzen ihrer Krankheit auf und kehrte zu uns zurück.

      Die Tochter kapitulierte unter dem psychischen Druck der Ärzte - `Wollen Sie das verantworten?` - und wir ließen zu, dass der Leidensweg einer 83jährigen Frau um weitere Wochen verlängert wurde. Durch eine Operation, deren Sinnlosigkeit wir von Anfang an mit brutaler Gewissheit vor Augen hatten.

      Damals war ich 34, und zu dritt begleiteten wir meine `kleine Oma` bis zum Ende. Gemeinsam mit meiner Mutter und meiner Schwester wachte ich drei Tage und fast drei Nächte an ihrem Krankenbett. Im Morgengrauen des vierten Tages wurde sie erlöst.

      Die Wochen zuvor waren grausam und menschenunwürdig.

      Ein Abbild dessen, was sie durchlitten hatte, blieb auf ihrem Antlitz zurück. Sie hatte es mit bewundernswerter Tapferkeit erduldet.

      Diese Oma hatte ich geachtet und respektiert, aber ich war ihr nie richtig nah gewesen. Wir waren zu verschieden in unserem Denken und Handeln. Irgend etwas mir Fremdes war in ihrem Wesen, etwas, das sich mir nicht erschloss. Es blieb ein gewisser Abstand, ein Rest von Zurückhaltung.

      Nun war sie gestorben. Wir hatten mit ansehen müssen, wie die Krankheit ständig mehr Besitz von ihr ergriff, sie aufzehrte, ihren Körper und ihren Geist verfallen ließ. Sie dämmerte dahin, auf der Grenzlinie zwischen Leben und Tod. Wochenlang, weil sie zu stark war, den Kampf aufzugeben. Denn das war sie - eine Kämpferin zeit ihres Lebens. So manche Begebenheit kam uns wieder in den Sinn, während wir neben ihr wachten. Wir hatten viel Zeit. Zeit zum Reden. Zeit zum Schweigen. Zeit zum Lachen. Ja, auch zum Lachen.

      Da saßen wir am Sterbebett einer Kranken, erinnerten uns an deren liebenswert schrullige Angewohnheiten der letzten Jahre, und uns wurde ein Lachen geschenkt. Inmitten dieser Atmosphäre aus Leid, Schmerz und Aussichtslosigkeit war es plötzlich da. Unwirklich, irreal fast, und wir haben es als das erkannt, was es sein sollte: Ein Geschenk.

      Dass sie dieses Lachen mitgenommen hat, das wünsche ich mir.

      Einmal noch habe ich meine Oma besucht: In der Leichenhalle, in der man sie aufgebahrt hatte. Ich gab ihr etwas zurück, auf das sie mehr Anrecht besaß als ich: Den Ehering meines Großvaters, ihres Mannes. Dreizehn Jahre lang hatte ich ihn verwahrt. Wie schon so manches Teil, das mir anvertraut wurde. Alles nur auf Zeit, nichts war für immer. Alles nur so lange, bis der Zeitpunkt da war, sich zu trennen.

      Beim vierten Mal verlor ich den gerade wiedergefundenen Vater.

       3. Kapitel

      Vorwort

      Juli 1995. Hochsommer. Urlaubszeit.

      Temperaturen um die 35°C. Hitze, Tropenklima. Fast nicht auszuhalten.

      Genau wie vor einem Jahr. Du hast das alles ertragen ohne zu klagen:

      Die wochenlange Schwüle in den Räumen - oben, direkt unterm Dach -,

      die Schmerzen, die Angst und auch die Hoffnung. Immer wieder die Hoffnung ...

      Es war dienstags. Es waren noch sechs Tage bis zu meinem Geburtstag. Es war der 12. Juli 1994. Die Zeiger meiner Armbanduhr standen auf 9.35 Uhr.

      Es war die Todesstunde meines Vaters.

      Langsam bewegt sich der Sekundenzeiger meiner Uhr weiter, Millimeter um Millimeter, unaufhörlich. Starr und fassungslos schaue ich ihm zu. Er läuft weiter. Mein Gott, er läuft weiter. Er muss doch stehenbleiben. Innehalten. Er muss! Er muss!!!

      Die Zeit jedoch lässt nicht mit sich handeln. Nie! Weder in Momenten voller Freude und Glück, noch in Augenblicken voller Schmerz und Trauer. Es ist gut so.

      Die Glocken der nahen Kirche läuten. Es ist 9.45 Uhr. Gleich beginnt in Holt die Messe für die Senioren der Gemeinde. Die Glocken werden uns erinnern. Jede Woche. Jeden Dienstag ...

       4. Kapitel

      Juli 1995. Eigentlich weiß ich schon lange, dass ich dieses Buch schreiben werde, schreiben muss. Im Unterbewusstsein war mir das schon klar, als ich im vergangenen Jahr damit begann, meine Gedanken und Gefühle zu Papier zu bringen.

      Weil das half. Weil das tröstete. Weil das Kraft gab. Weil es mich müde machte und ich endlich nachts schlafen konnte.

      Es war kein Tagebuch, das ich geführt habe. Es waren nur zwei Blöcke, in die ich, wenn mir danach zu mute war, reingeschrieben habe. Dem Papier konnte ich alles anvertrauen, mir meine ganze Angst von der Seele schreiben.

      Heute morgen hatte ich den Mut, diese beiden Blöcke, die seit über einem Jahr in einer Schublade liegen, anzufassen, rauszuholen, die Notizen zu lesen. Lange, sehr lange habe ich das nicht gewagt. Ich wusste warum ...

      Aber nun fühle ich: Es ist soweit. Ich kann es schaffen. Der richtige Zeitpunkt ist da.

      Mit diesen Aufzeichnungen im Gepäck fahre ich in die Eifel. Fahre nach Frauenkron, in unser Dorf. Hier, und nirgendwo anders auf der Welt, werde ich es beginnen. Hier, auf einer Wiese oberhalb der Kyll, inmitten eines Meeres aus Sommerblumen, die sacht im Wind schaukeln, lasse ich mich auf dieses Abenteuer ein.

      Denn, dass es eins wird, ist mir klar.

      Neugier, Mut, Durchhaltevermögen, Beharrlichkeit, Herz, eine Spur Verrücktheit, träumen können, staunen können - leben. Das macht ein gutes Abenteuer aus. Ein Wagnis ist es allemal. Aber solche Situationen hast Du doch gemocht. Stimmt’s? Also, Papa, fangen wir an. Schreiben wir es:

      Unser Buch.

      Soll ich Dir was verraten? Neben mir - weißt Du was da liegt? Ein Berg von Taschentüchern. Ich werde ihn abarbeiten. Stück für Stück. Ich verspreche es Dir. Danach wird es gut sein. Wir werden uns noch näher, noch vertrauter sein - weil wir es geschafft haben. Wir beide, gemeinsam. Denn ohne Deine Hilfe wird es nicht gehen.

      Vor uns liegt ein langer Weg. Ein Weg voller Erinnerungen, voller Hindernisse, voller Fallen, in die wir hineinstolpern werden. Aber zusammen werden wir die Kraft finden, es durchzustehen, werden die letzten vierzehn Monate Deines Lebens noch einmal durchleben. Mit allem! Mit den Tränen, der Verzweiflung, den Schmerzen, der Hoffnung, den Glücksmomenten, mit der Freude, dem Lachen und mit Deinem Humor, den Du bis zum letzten Tag nicht verloren hast. Sicher, es hat auch Tage gegeben, an denen Du mutlos warst, keinen an Dich rangelassen hast, stundenlang nur vor Dich hingegrübelt hast, nicht mit uns hast reden wollen. Es gab wohl einiges, das musstest Du alleine abmachen mit Dir.

      Schließlich war es an Dir, das alles auszuhalten, die Torturen der Behandlung auf Dich zu nehmen, durchzustehen, weiterzumachen, zu leben mit allen Konsequenzen. Und leben, das wolltest Du. Es schaffen, die Krankheit überwinden, das wollten wir alle. Einer hat dem anderen Kraft gegeben, ihm geholfen. Zum Glück hatten wir unsere Tiefpunkte - die Löcher in die wir oft fielen - nicht gemeinsam. So konnte immer einer den anderen trösten, ihm Mut geben, neue Hoffnung vermitteln. Der Stärkste von uns warst Du. Hast uns Deine Angst nur ganz selten sehen lassen, wolltest vor uns verbergen, dass Du verzweifelt, dass Du am Ende warst. Wie oft wirst Du es gewesen sein, nachts, wenn Du nicht schlafen konntest, Du auf den neuen Morgen gewartet hast? Wie Vieles wissen wir nicht? СКАЧАТЬ