C'est la vie. Christina Geiselhart
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Название: C'est la vie

Автор: Christina Geiselhart

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

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isbn: 9783748567431

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СКАЧАТЬ nichts, ich warte!«, antwortete Erika.

      Sie wartete zehn Minuten und klingelte von Neuem. »Findest Du nicht, dass es nun reicht, Renate? Du hast fast eine halbe Stunde gespielt. Das ist doch genug. Man soll nicht zu lange an einem Instrument üben, sagt mein Vater, weil man es sonst verabscheut!«

      »Vielleicht hast du recht, aber ich muss eben üben!« Renate lächelte verkrampft.

      »Du Arme, bei dem Wetter hockst du in der Stube. Das ist doch blöde!« Erika machte keine Anstalten, zu gehen.

      Renate zögerte. »Dann warte wenigstens nochmal zehn Minuten.«

      »Gut, aber dann gehe ich. In der Eisdiele gibt es wieder das besonders tolle Stracciatella. Hmmm, so lecker! »

      Renate beeilte sich und arbeitete nur an den ersten zehn Takten des Larghetto von Chopin. Die fielen ihr ohnehin am leichtesten und sie konnte sie heute Abend sorglos den Eltern vorspielen.

      Die Mädchen amüsierten sich in der Eisdiele, deshalb machte Erika ihrer Freundin Renate den Vorschlag, das Treffen am nächsten Tag zu wiederholen. Am übernächsten Tag ebenfalls und am dritten und vierten Tag erneut, doch dann ging Renate das Geld aus. Sie hatte nicht viel in ihrem Sparschwein. Da blitzte in Erika die wunderbare Idee, einen Besuch im Pferdestall einer Klassenkameradin zu machen, die Woche darauf abwechselnd den Tennis– oder Golfspielern zuzuschauen und auch mal ins Kino zu gehen. Dafür benötigten die Mädchen kein Geld, denn Erikas Onkel war dort Platzanweiser und ließ sie umsonst ganz hinten sitzen, sobald der Film begonnen hatte.

      Als Erika nach drei Wochen nicht mehr wusste, womit sie sich nachmittags die Zeit vertreiben könnten, kam sie auf die Idee, Film- und Schlagergrößen nachzuahmen. Sie studierten die Schlager »99 Luftballons«, »Ich hab dich doch lieb«, »Ich will alles« und »Lampenfieber« von Gitte ein, die Erika besonders verehrte. Um Renates Eltern nicht hellhörig zu machen, kleideten sich die Mädchen für ihre Auftritte in Erikas Zuhause um, bastelten Mikrophone und profilierten sich singend auf der Terrasse vor Blumentöpfen, Gießkannen und einzelnen Passanten.

      Auf diese Weise vergingen mehrere Monate des Jahres 1983, dann kam Frau Groß dahinter. Schon einige Zeit schwante ihr Übles, was die Umtriebe ihrer Tochter betraf. Die Rückmeldungen des Klavierlehrers verschlechterten sich zusehends, bis er schließlich völlig die Lust am Unterrichten verlor.

      »Ich hatte anfangs viel Freude, denn Ihre Tochter zeigte reges Interesse und hatte den Willen, täglich zwei Stunden zu üben, aber jetzt …«

      »Ich habe sie zur Rede gestellt und sie versicherte mir, dass sie täglich fast zwei Stunden übe!«

      »Das ist ausgeschlossen! Meiner Meinung nach übt sie so gut wie gar nicht!«

      »Ausgeschlossen!«, schrie nun Frau Groß.

      Das unglückliche Debakel endete mit der Kündigung des Lehrers und Hausarrest für Renate. Diese Maßnahme schwor in Renate furchterregenden Zorn gegen die Eltern herauf. Plötzlich waren sie engstirnig, kleinkariert, wollten Renate keine Freude gönnen, wollten ihr gar das Leben vermiesen, indem sie nur ans Arbeiten und Üben dachten. Dem Klavierspiel konnte sie immer weniger abgewinnen und je weniger sie übte, desto schlechter spielte sie, bis sie herausfand, dass sie überhaupt keine Begabung dafür besaß, sondern nur dem Wunschdenken der Eltern zum Opfer gefallen war. Ähnlich verhielt es sich mit den Schularbeiten. Je mehr die Eltern sie drängten, ihre Tests konzentriert und sorgfältig vorzubereiten, desto verhasster wurde ihr diese Tätigkeit. Als die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium anstand, wehrte sich Renate dagegen. Erika gehe auf die Realschule und das reiche vollkommen aus. Es gebe viel zu viele Abiturienten, hingegen suche man händeringend nach Arbeitskräften in Drogerien, Bäckereien und an Rezeptionen.

      Herrn und Frau Groß standen angesichts dieser Erklärungen die Haare zu Berge. Hilflos mussten sie zusehen, wie ihre Träume zum zweiten Mal zerrannen. Weder auf der Bühne noch im täglichen Leben würde Renate nun Karriere machen. Ohne Abitur kein Studium, ohne Studium keine Aussichten auf einen Titel oder hohe Verdienste.

      »Sie wird in einer Buchhandlung als Verkäuferin landen und das alles wegen dieser verdammten Erika!«, klagte Frau Groß mit weinerlicher Stimme.

      »Erika hat damit nichts zu tun. Das ist meine Entscheidung!«, verteidigte Renate ihre Freundin.

      Fortan wurde Erika das Haus und Renate der Umgang mit ihr verboten. Ihr Vater brachte sie morgens zur Schule – obwohl es nur die Realschule war - und holte sie bei Schulschluss ab. Erika gelang es dennoch immer wieder, Renate zu treffen, um mit ihr - nun da die beiden fast vierzehn waren – kleine Abenteuer zu unternehmen.

      Eines Tages ging Erika von der Schule ab, machte eine Drogistenlehre und heiratete mit sechzehn Jahren einen Klempner. Sie bekam zwei Kinder, zog in den Nachbarort und hatte keine Zeit mehr für Renate. Diese absolvierte unterdessen eine Buchhändlerlehre und ging zunächst ihren Eltern in der örtlichen Buchhandlung zur Hand.

      Einige Jahre später wurde Herr Groß von einem Herzinfarkt niedergestreckt, was Renate daran hinderte, das Angebot einer Buchhandlung in Stuttgart anzunehmen. Emilie Groß führte den frühen Tod ihres Gatten auf dessen Kummer zurück, seine Träume niemals verwirklicht zu haben und von der Tochter hintergangen worden zu sein.

      Über diesen doppelten Kummer alterte Frau Groß frühzeitig. Hatte sie mit fünfunddreißig Simone Veil ähnlich gesehen, so dachte man nun bei ihrem Anblick an Emma Morano. Täglich ließ sie die Tochter ihre Bitterkeit über verschüttete Träume und verfehltes Leben spüren. Gleichzeitig kränkelte sie, gab das Autofahren auf, delegierte die Einkäufe an ihre Tochter, haderte mit dem Leben, konsultierte häufig die Uhr, als wartete sie auf etwas.

      Allmählich spann sich um Renate ein Netz, aus dem sie nicht mehr entrinnen konnte und auch nicht mehr zu entrinnen wagte.

      Die Zeit verging träge. Immer häufiger stand Renate ohne Mutter im Laden und fürchtete zunehmend, die Regale würden über ihr einstürzen und sie ein für alle Mal begraben.

      Männerbekanntschaften gingen in die Brüche, Freundinnen sagten sich von ihr los, eine Fehlgeburt bestätigte sie in ihrem Glauben, als Pechvogel geboren zu sein. Hin und wieder setzte sie sich an den total verstimmten Steinway und spielte die alten Stücke. Allerdings wollten sie ihr nicht gelingen. Ihre Finger verkrampften sich, ihre Handgelenke wurden steif und so meinte sie, auch daran zu erkennen, wie talentlos sie sei.

      Weder zum Leben noch zum Spielen habe ich Talent, ich versage auf der ganzen Linie, sagte sie sich. Immer öfter zog sie sich nun mit einem Buch aus der Buchhandlung zurück, machte schon vor sechs Uhr abends den Laden dicht und verschwand in das Land der Träume.

      Zu allem Überfluss starb ganz plötzlich Frau Groß, was Renate so sehr erschütterte, dass sie in der Buchhandlung schließlich keinen Finger mehr rührte und diese für unbestimmte Zeit schloss.

      An einem dieser trostlosen Tage klingelte bei ihr ein älterer Herr. Er trug eine Hell’s Angels Lederjacke, Stiefel mit Nieten, das kümmerliche graue Haar zum Zopf gebunden und ein geöffnetes Hemd, das die grauen Brusthaare sehen ließ.

      Er sei Rentner und suche eine Nebenbeschäftigung. Vor zwei Wochen habe er die bescheidene Buchhandlung im Zentrum des Ortes entdeckt und überlegt, ob man daraus nicht eine Goldgrube machen könne. Einen zeitgemäßen Laden, in dem es vom Kinder- und Jugendbuch über die Zeitschrift bis hin zu Geschenkartikeln aus wiederverwertetem Material und Schulzubehör einfach alles gebe, was der moderne Mensch brauche und das Herz begehre, so etwas stelle er sich vor. Und als er hinter der Theke eine nette Dame gesehen habe, habe er seiner Idee unbedingt eine Chance СКАЧАТЬ