Название: Unmögliche Aufträge: Zwei Thriller
Автор: Alfred Bekker
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Extra Spannung
isbn: 9783742794581
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Er sollte einen Menschen verraten, der einmal sein Freund gewesen war. Ein ungeheuerliches Ansinnen.
Mehrländer hatte die ganze Zeit weitergesprochen. Kein Wort davon war in Schaakes Bewusstsein gedrungen. Jetzt war Mehrländer fertig, und so sah er auch aus – abgekämpft. Schaake erkannte, dass Mehrländer unter Erfolgszwang stand. Schaake hatte es gelernt, Schwächen anderer augenblicklich zu erkennen, das war eine unabdingbare Voraussetzung für eine leitende Position in einem Großbetrieb. Nur aus Urbach wurde er nicht schlau. Urbach hielt sich zurück. Schaake wusste, dass es Fragen gab, tausend Fragen und Bedingungen, aber er wusste auch, dass er sie nicht alle in Worte fassen konnte. Er würde keine der Antworten nachprüfen können. Er müsste fragen, ob er gegen Gesetze würde verstoßen müssen, ob er Menschen belügen oder betrügen musste.
Schaake erwachte wie aus einem schweren Traum. Er atmete laut. Wohin liefen seine Gedanken? Akzeptierte er einfach, was diese fremden Männer sagten? Jochen sollte ein Spion sein? Ein Mann, der unter einem falschen Namen in Bonn lebte? Lächerlich, einfach lächerlich. Schaake sah die Männer an.
»Quatsch!«, sagte er laut.
Das war Kintopp. Die Kerle wollten etwas ganz anderes von ihm. Wahrscheinlich lief da irgendeine Schweinerei im Konzern, sonst nichts. Abrupt stand er auf.
»Gehen Sie«, sagte er unfreundlich. »Gehen Sie!«
Urbach warf Mehrländer einen triumphierenden Blick zu, der etwa besagte, sehen Sie, ich hab's ja gewusst!
»Was haben Sie denn, Herr Schaake?«, fragte er nachsichtig.
»Ich bin kein Denunziant.«
»Es geht um die Sicherheit der Bundesrepublik«, sagte Mehrländer. »Ein Staat muss sich schützen, das müssen Sie doch einsehen.«
»Herr Schaake sieht das sicher anders«, höhnte Urbach. »Er ist ein Liberaler...«
»Seien Sie still«, befahl Mehrländer scharf. Er ließ Schaake nicht aus den Augen. »Was sind Ihre Bedenken, Herr Schaake?«
»Ich will mit Professor Hennings telefonieren. Dann sehe ich weiter.«
»Gern. Aber was sind Ihre Bedenken? Heller ist ein Spion. Wir müssen ihn identifizieren und dingfest machen. Ihm wird physisch nichts geschehen. Wenn wir können, werden wir ihn vor Gericht bringen. Er wird zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden und sie zu einem Teil verbüßen. Nach einer Schamfrist wird er ausgetauscht oder abgeschoben. Sie lesen doch Zeitungen! Es geht doch nicht um die Person dieses Jochen Heller! Es geht darum, weiteren Schaden zu verhüten. In der DDR wird er einen Orden bekommen und befördert werden. Sein Gehalt – oder Sold – ist seit Jahren aufgelaufen. Er ist Major, wussten Sie das?«
Schaake fühlte sich leer. Er wusste nicht, was er denken sollte. Er sollte seinen Freund verraten, Jochen Heller. War er noch sein Freund? Hielt eine Freundschaft immer, selbst wenn sie nicht dauernd erneuert wurde? Galt die Verpflichtung einer Freundschaft über alle Zeiten hinweg? Oder ist eine Freundschaft eine Beziehung, die irgendwann endet, wenn sie nicht mehr gebraucht oder erprobt wird?
»Er war doch mein Freund«, sagte er. Es klang lahm.
»Was heißt denn hier Freundschaft?« Urbach grinste zynisch. »Ihr Freund ist ein Spion, und unser Job ist es, ihn zu kriegen. Er kennt die Regeln. Machen Sie auch mit. Denken Sie, es ist ein Spiel.«
»Menschenjagd ist doch kein Sport«, sagte Schaake, immer noch lahm. »Und außerdem... wer garantiert Ihnen denn, dass ich richtig spiele? Dass ich Ihnen nichts vormache?«
Mehrländer lächelte, plötzlich sorglos und offen. Er spürte, dass er gewonnen hatte.
»Oh, machen Sie sich darüber keine Gedanken. Herr Urbach verfügt über Erfahrung. – Rufen Sie Professor Hennings an. Wir warten so lange in der Halle.«
II
»Wir werden einige Zeit zusammen verbringen, und Sie werden Geduld aufbringen müssen«, sagte Mehrländer, als sie ihre Unterredung fortsetzten.
Er, Volker Schaake, war dabei. Ohne sich ernsthaft zu wehren, hatte er sich auf ein Spiel eingelassen, das ihn nichts anging. Er hatte mit Professor Hennings telefoniert. Hennings, ehemaliger Staatssekretär im Bundesministerium für Forschung und Technologie, hatte an Schaakes loyale Einstellung zu diesem Staat, dessen Vorteile er genoss, appelliert. Hennings bürgte dafür, dass das Ansinnen Mehrländers an ihn seriös war, und dass es mit Wissen und Billigung der obersten Verfassungsschützer an ihn herangetragen worden war. Hennings hatte durchblicken lassen, dass er vom Staatssekretär im Bundeskanzleramt um seine Unterstützung gebeten worden war. Es war beklemmend zu erfahren, wie weit – oder wie hoch – die Verflechtungen reichten. Er war freigestellt, solange es erforderlich sein würde, sein Gehalt lief selbstverständlich weiter, und um den Fortschritt des Projektes Bilbao kümmerte sich Wessendorf. Hennings hatte keinen Zweifel daran aufkommen lassen, was er von Schaake erwartete – bedingungslose Mitarbeit im Interesse des Staates...
Mehrländer und Urbach kamen danach schnell zur Sache, wobei das Organisatorische noch den geringsten Raum einnahm. Unter dem Trommelfeuer der Fragen und Anweisungen trat Schaakes Verstand den Rückzug an.
»Unsere eigentliche Arbeit beginnt morgen. Sie werden heute Abend nach München zurückfliegen. Ihrer Frau brauchen Sie wohl keine großen Erklärungen abzugeben, wenn Sie eine Geschäftsreise antreten?«
»Ich komme schon klar.«
»Es kann immerhin sein, dass Sie zwei Wochen nicht zu Hause sein werden.«
»Machen Sie sich keine Gedanken.«
Hatten sie auch in seinem privaten Umfeld herumgeschnüffelt? Er hatte jedenfalls nicht die Absicht, Mehrländer und Urbach von den Gepflogenheiten seiner Ehe zu erzählen.
Unter keinen Umständen, verlangte Mehrländer, durfte er seiner Frau irgendetwas über den wahren Grund seiner Abwesenheit erzählen. Am nächsten Morgen sollte er nach Köln zurückfliegen. Urbach würde ihn abholen.
»Zuletzt haben Sie Ihren Freund Jochen Heller im Jahre siebenundfünfzig gesehen, praktisch bei der Abiturfeier«, sagte Mehrländer.
Volker Schaake überlegte. Noch gab sein Hirn die Erinnerungen nur zögernd frei. Jochen hatte an der Feier gar nicht mehr teilgenommen... Aber er nickte.
»Wir haben Sie ausgewählt, weil Sie ihn am besten gekannt haben dürften.«
Und weil er am leichtesten unter Druck zu setzen war? Da war doch noch Jutta gewesen. Und Rainer. Aber von denen wussten sie wohl nichts. Damals gab es noch keine elektronischen Datenspeicher. Und der Zusammenhalt ihrer Klasse war noch nie besonders eng gewesen. Die Klassengemeinschaft war mehrmals auseinandergerissen und neu zusammengesetzt worden. In der Obertertia, in der Obersekunda, und zuletzt noch einmal in der Unterprima. Jochen und er hatten СКАЧАТЬ