Unmögliche Aufträge: Zwei Thriller. Alfred Bekker
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Название: Unmögliche Aufträge: Zwei Thriller

Автор: Alfred Bekker

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Extra Spannung

isbn: 9783742794581

isbn:

СКАЧАТЬ politischen Spionage. Anfang des Jahres ist ein Mann aus dem MfS zu den Amerikanern übergelaufen, Dahlberg heißt er, ein Hauptmann. Dahlberg hatte mit unserem Freund Gabriel nichts zu tun, er gehörte einem ganz anderen Referat an, aber die Vernehmungen dieses Dahlberg haben uns überraschenderweise, wie wir zugeben müssen, auf Gabriels Klarnamen gebracht. Dahlberg war vor zwanzig Jahren mit Gabriel zusammen auf einem Lehrgang in Uhlenkrug, der Kaderschule für den Agentennachwuchs der DDR. Natürlich trugen sie damals weder ihre Klarnamen noch ihre heutigen Decknamen. Aber einer der Dozenten dort war der Onkel dieses Gabriel, der uns jetzt so viel Kopfzerbrechen macht. Der Onkel leitete später ein eigenes Referat im Ministerium für Staatssicherheit, das wusste Dahlberg, und das wissen wir. Gabriels Onkel war ein ehemaliger Nazi, er hatte deshalb viele Feinde. Es gab Klatsch im Ministerium. Unter anderem hieß es, er protegiere seinen Neffen, eben jenen Gabriel.«

      Urbach schwieg. Schaakes Herz klopfte. Sein Verstand weigerte sich, eine Erinnerung an die Oberfläche gelangen zu lassen. Er spürte Urbachs und Mehrländers forschende Blicke.

      Urbach fuhr fort: »Es war also nur Klatsch, Gabriel brauchte nicht damit zu rechnen, dass Dahlberg, der Überläufer, ihm gefährlich werden könnte, weil es keine Verbindung zwischen ihnen gab, außer jener gemeinsamen Zeit in Uhlenkrug vor nahezu zwanzig Jahren. Die Verbindung hat unser Computer hergestellt, indem er das Rasterbild, das wir von Gabriel angelegt hatten, füllte. Gabriels Onkel war ein gewisser Dr. Reinhold Güttner, Jahrgang neunzehnhundertvierzehn, von neunzehn-neununddreißig bis vierundvierzig Referent im Reichssicherheitshauptamt. Er geriet in russische Gefangenschaft. Ihm drohte ein Todesurteil, aber dann tauchte er wie ein Phoenix aus der Asche in der DDR auf, die damals noch SBZ hieß. Er wurde zu einem der Männer der ersten Stunde im SD der DDR. Er war ein Spezialist, ein Technokrat, kein Spion im klassischen Sinn. Wir wussten einfach alles über ihn. Wir wussten zum Beispiel, dass er eine Schwester hatte, Erika Güttner, die im Jahre neunzehn-siebenunddreißig einen gewissen Joachim Werner Heller heiratete. Am vierzehnten April neununddreißig wurde ihnen ein Sohn geboren. Sie nannten ihn Jochen. Joachim Werner Heller, Jochens Vater, fiel Anfang dreiundvierzig bei Stalingrad. Erika Heller starb im Frühjahr siebenundfünfzig in Minden...« Urbach blickte Schaake starr an. »Sie werden sich doch noch an Ihren Freund Jochen Heller erinnern!«

      Jochen, mein Gott, Jochen! Warum hatte er nicht gleich an ihn gedacht? Es war so lange her. Dreiundzwanzig Jahre...

      Sie waren Freunde gewesen. Mehr als zehn Jahre lang. Jochen hatte nach dem Tod seiner Mutter, sie waren damals in der Oberprima gewesen, sogar einige Wochen bei ihm gewohnt. Nicht lange, nein. Jochen war stolz und ehrgeizig gewesen. Mitleid und Almosen hatte er zurückgewiesen. Sie hatten sich entfremdet, wo sie sich eigentlich hätten näherkommen müssen. Jochen hatte seine Mutter um so mehr geliebt, weil er seinen Vater kaum gekannt hatte. Ihr Tod hatte ihn wie ein Schock getroffen. Er hatte verbissen gelernt, das Abitur mit Auszeichnung gemacht, und war zu seinem Onkel in die DDR gezogen. Ostzone sagte man damals noch.

      »Und er soll hier leben? Unter falschem Namen?«

      »Irgendwo im Bonner Raum, vielleicht in Köln, ja.«

      »Das kann ich nicht glauben. Warum benutzt er nicht seinen eigenen Namen?«

      »Er war zu lange in der DDR, um hier strengen Sicherheitsüberprüfungen standhalten zu können. Selbst wenn man seinen Lebenslauf drüben bereinigt hätte, hätte er nie verbergen können, dass seine Mutter eine Schwester jenes Dr. Reinhold Güttner war. Da war es sicherer, ihn auf andere Weise in die Bundesrepublik zurückzuschleusen. Ich will Ihnen kurz beschreiben, wie so etwas vor sich geht, und wie eine einwandfreie Legende zustande kommt. Es ist ein langwieriges Verfahren.

      Da beschließt irgend jemand, der Bundesrepublik den Rücken zu kehren, aus welchen Gründen auch immer, und sein Glück im Arbeiter-und-Bauern-Staat zu suchen. Er streckt vorsichtig seine Fühler aus, und dann läuft drüben etwas ab. Man bittet den Mann, zu warten und nicht über seine Pläne zu reden. Man checkt seinen Lebenslauf ab, überprüft ihn auf heikle Stellen, wie Vorstrafen oder politische Auffälligkeiten, und wenn sich nichts ergibt, was nicht mit Geld auszubügeln wäre, lässt man ihn seinen Arbeitsplatz und die Wohnung kündigen und in eine andere Stadt ziehen. Dann holt man ihn in die DDR, und in seine bundesrepublikanische Vita schlüpft ein anderer. Der neue Mann, ein Agent, meistens ein Resident, der für langfristige Führungsaufgaben vorbereitet wurde, übernimmt die frei gewordene Existenz. Er sucht einen Job, eine Wohnung, eröffnet ein Konto. Dann wartet er, ob der Übergang glatt verlaufen ist. In Gabriels Fall war er zweifellos glatt verlaufen. Wir haben alles versucht, um ihn zu identifizieren. Wir sehen jetzt nur noch eine Möglichkeit.«

      Schaake sah Mehrländer angewidert an. »Sie glauben doch nicht, dass ich...«

      Mehrländer hob eine Hand. Es war eine gebieterische Geste. »Sagen Sie jetzt nichts, was Sie später zurücknehmen müssen, Herr Schaake. Heller-Gabriel gefährdet die Sicherheit der Bundesrepublik, und wir müssen ihn haben, verstehen Sie?«

      Mehrländer und Urbach wechselten schnelle Blicke. Bestimmt hatten sie sich für den Fall eines Protestes eine schöne Rede zurechtgelegt, doch jetzt zögerten sie beide. Urbach, weil er nicht kompetent war, und Mehrländer, weil er ihn, Schaake, noch nicht gut genug kannte, um beurteilen zu können, wie hart er vorgehen konnte, ohne die Schraube zu überdrehen.

      »Ich will nicht mit Drohungen kommen, Herr Schaake, aber ich denke, wir können offen miteinander reden.« Mehrländer lächelte angestrengt. »Sehen Sie, den Schaden, den Heller bereits angerichtet hat, können Sie gar nicht ermessen. Wir müssen ihn haben. Bedingungslos. - Es gibt bei uns Leute, die nicht davor zurückschrecken würden, Druck auf Sie auszuüben. Diesem Druck würden Sie nicht standhalten können, glauben Sie mir das. In Ihrer Branche könnten Sie dann in einer Ihnen angemessenen Position nicht mehr arbeiten. – Ich gehöre nicht zu diesen radikalen Leuten. Ich appelliere lediglich an Ihren Staatsbürgersinn. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.«

      Schaake spürte sein Herz klopfen. Der Mann, der vor ihm saß, die Beine mit den dicken Schenkeln ein wenig gespreizt, Zigarrenasche auf dem Jackett und der Hose, log. Die Entscheidung lag nicht bei ihm. Nicht umsonst hatte Mehrländer sich auf Professor Hennings berufen. Schaake wunderte sich über sich selbst. Normalerweise wurde er störrisch, wenn man versuchte, ihn unter Druck zu setzen. Diese Reaktion blieb aus.

      Er hätte jetzt gern Zeit gehabt, um einen Whisky zu trinken und zu versuchen, sich Klarheit über seine Gefühle und Gedanken zu verschaffen. Warum, zum Teufel, schmiss er die beiden Schleimer nicht einfach raus? Niemand konnte ihn zwingen, für einen Geheimdienst zu arbeiten. Einen Menschen bespitzeln, jagen, denunzieren. Flüchtig dachte er an Heike, seine Frau. Aber wirklich nur flüchtig. Ihre Beziehung steckte in einer Krise, wie er sich nüchtern eingestand. Er reiste in der Welt umher. Vor zehn Jahren hatte er es getan, weil es ihm Spaß machte, weil er etwas leistete, viel Geld verdiente, und so am schnellsten vorankam.

      Er hatte seine Karriere genau vorgeplant. Spätestens mit 38 hatte er einen Managementjob in der Zentrale in Nürnberg haben wollen Man musste unter Vierzig sein, wenn man ins Management einstieg und an die Spitze wollte. Er hatte alle Voraussetzungen mitgebracht. Sein fachlicher Background war unangreifbar, er war flexibel und belastbar, intelligent und verfügte über Integrationskraft. Und er hatte Erfolge vorzuweisen.

      Aber als er Vierzig wurde, saß er immer noch in München, war dort zweiter Mann, wo er längst der erste hätte sein können. Die Karriere hatte da längst ihren Reiz verloren Eine Beförderung hatte er abgelehnt, einer anderen war er ausgewichen. Er hatte so manches durchschaut. Er wollte nicht nur noch für die Firma leben, alles dem Job unterordnen. Wessendorf war ein abschreckendes Beispiel. Ob er frühmorgens seine Runde Tennis spielte, mit Geschäftsfreunden essen ging, oder mit einem Professor von der Technischen Hochschule in Urlaub fuhr, alles war für den Job.

      Aber wofür er lebte, war ihm auch nicht bewusst. Vielleicht hatte er zu fragen verlernt. Er СКАЧАТЬ