Название: Weihnachtserzählungen - 308 Seiten
Автор: Charles Dickens
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742762993
isbn:
mehr lernen?«
»Ich möchte, Sir, daß sie durch ihre Gebrechen so wenig wie
möglich von der Welt abgeschnitten ist, und deshalb soll sie alles
Geschriebene ganz leicht und gut lesen können.«
»Was wollt Ihr nachher mit ihr machen?« fragte der Gentleman
mit einem etwas zweifelnden Blick. »Wollt Ihr sie im Land
herumführen?«
»Im Karren, Sir, lediglich im Karren. Sie wird im Karren ein
privates Leben führen, verstehen Sie. Es würde mir niemals
einfallen, ihre Gebrechen vor das Publikum zu bringen. Kein
Geld der Welt sollte mich dazu bewegen, sie öffentlich zu
zeigen.«
Der Gentleman nickte und schien meinen Worten Beifall zu
zollen.
»Schön«, sagte er. »Könnt Ihr Euch für zwei Jahre von ihr
trennen?«
»Um ihr diese Wohltat zuteil werden zu lassen – ja, Sir.«
»Noch eine Frage«, sagte der Gentleman, die Augen auf sie
gerichtet – »kann sie sich für zwei Jahre von Euch trennen?«
gerichtet – »kann sie sich für zwei Jahre von Euch trennen?«
Ich weiß nicht, ob das an sich eine härtere Sache war (denn die
andere war hart genug für mich), aber es war härter, damit fertig
zu werden. Sie fand sich jedoch schließlich darein, und die
Trennung zwischen uns wurde beschlossen. Wie weh es uns
beiden tat, als sie stattfand und als ich sie an einem dunklen
Abend an der Tür verließ, davon will ich nicht reden. Aber das
weiß ich bestimmt: In Erinnerung an jenen Abend werde ich
niemals an dieser Anstalt vorbeigehen können, ohne daß das
Herz mir weh tut und die Kehle sich mir zuschnürt; auch könnte
ich an diesem Ort nicht einmal die beste Partie mit meiner
gewohnten guten Laune anbieten – selbst die 18
Flinte und die Brille nicht –, mag mir auch der Minister des
Innern fünfhundert Pfund Belohnung dafür bieten und die Ehre,
hinterher meine Beine unter seinen Mahagonitisch zu strecken,
als Zugabe.
Trotzdem empfand ich die Einsamkeit im Wagen, die jetzt folgte,
nicht mehr so stark wie früher. Denn sie hatte ihre festgesetzte
Frist, wie lange das Ende auch noch anstehen mochte, und wenn
ich ein wenig bedrückt war, so konnte ich mich mit dem
Bewußtsein trösten, daß sie zu mir und ich zu ihr gehörte. Immer
mit Plänen für die Zukunft beschäftigt, in der sie wieder dasein
würde, kaufte ich nach einigen Monaten einen zweiten
Wohnwagen, und was glaubt ihr wohl, was ich damit
beabsichtigte?
beabsichtigte?
Ich will es euch sagen. Ich beabsichtigte, ihn mit Regalen und
Büchern für ihre Lektüre auszustatten und für mich selbst einen
Sitz darin anzubringen, wo ich sitzen, ihr beim Lesen zusehen und
mich über den Gedanken freuen konnte, daß ich ihr erster Lehrer
gewesen war. Ohne die Sache zu übereilen, ließ ich unter meiner
eignen Aufsicht die einzelnen Teile mit allerhand Kunstgriffen
zusammenschlagen. Hier war ihr Bett in einer Koje mit
Vorhängen, dort war ihr Lesepult, hier ihr Schreibtisch, und an
einer anderen Stelle befanden sich ihre Bücher, Reihe auf Reihe,
mit und ohne Bilder, gebunden und ungebunden, mit Goldrand
und einfach, so wie ich sie partienweise für sie zusammenlas,
während ich im Land herumzog, in Nord und Süd und Ost und
West, soweit der Wind im Land bläst, hier und da und an jedem
Ort, über die Berge und weiter fort. Und als ich den Karren so
ziemlich mit Büchern gefüllt hatte, fiel mir ein neuer Plan ein, der,
wie sich dann herausstellte, meine Zeit und Aufmerksamkeit für
eine gute Weile in Anspruch nahm und mir über die beiden Jahre
hinweghalf.
Ohne habgierig zu sein, habe ich es doch gern, wenn meine
Sachen mir gehören.
Zum Beispiel möchte ich nicht einmal euch als Partner an meinem
Händlerkarren haben. Nicht etwa, daß ich euch mißtraue, aber
mir ist es lieber, ich weiß, daß er mein eigen ist. Ebenso wäre es
euch wahrscheinlich lieber, ihr wüßtet, daß er euch gehört.
Nun gut! Eine Art Eifersucht begann sich meiner zu bemächtigen,
wenn ich daran dachte, daß alle diese Bücher schon lange, bevor
sie von ihr gelesen wurden, von anderen Leuten gelesen worden
waren. Mir schien es, als ob das ihr Besitzrecht daran
beeinträchtigte. So tauchte denn folgender Gedanke in mir auf:
Könnte ich nicht ein ganz neues Buch, das eigens für sie gemacht
wäre, herstellen lassen, so daß sie die erste sein würde, die es
liest?
Dieser Gedanke gefiel mir, und da ich niemals derjenige gewesen
bin, der einen Gedanken in sich schlafen ließ (denn in meinem
Beruf muß man die ganze Gedankenfamilie, die man hat,