Название: Für ein Leben unter den Flügeln der Seele - Die heillose Kultur - Band 1
Автор: Dr. Phil. Monika Eichenauer
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная психология
isbn: 9783844217711
isbn:
Die fehlende Einfühlung drückt sich täglich in neuen wirtschaftlichen Entscheidungen gegen Menschen aus, die in Lebensstrukturen à la Hartz-IV hinein gestoßen werden. Es geht eher darum zu verstehen, wie Menschen eine solche Anpassungsleistung in sozial augenscheinlich völlig ungerechten politischen Verhältnissen dennoch ausbilden, dass sie schlussendlich auch noch zur Legitimation dieser gesellschaftlichen Vorgänge beitragen, sie bestätigen und noch oben auf zur Belustigung beitragen! Zynisch könnte man sagen, die Nebenwirkungen unserer Kultur sind auch in dieser Hinsicht unerschöpflich. Hier ist der Hofnarr zum Beispiel durch Harald Schmidts Wahrnehmung und Intellekt in Deutschland geboren. Und wer hat sie bezahlt? Haben diese Hartz-IV-Empfänger ein Honorar vom WDR erhalten? Wohl kaum, dieses Statement, mir geht’s gut, kostet nichts. Es reicht zur Legitimation wie zur ironischen Lachnummer in der Kultur.
Diese ausschließlich an Profit- und Erfolg orientierte Oben-Haltung wird Menschen nicht retten, nicht gesunden lassen und vor allem nichts auf der Welt besser werden lassen. Menschen werden so, wie sie sind, in alle Ewigkeit konserviert – und damit auch Rechts- und Unrechtsstrukturen.
Wenn wir sehen, was sich im Namen der Zufälligkeit durch fehlende konkrete und generelle Verantwortungsübernahme im Leben von Menschen und weiter, in der Welt ereignet, werden wir es vielleicht hinterher nicht mehr sehen wollen, weil die Gefühle uns überschwemmen. Ein weiterer Grund, Verantwortung abzulehnen. Schutz bietet hier als letzte Abwehr Gefühlskälte. Dann kann man sich auf Kosten anderer amüsieren. Vielleicht sehen wir aber auch gar nichts, weil es uns abgenommen wurde, noch etwas sehen zu können oder überhaupt zu wollen: Weil uns gesagt wird, wie wir etwas zu sehen und zu verstehen haben – oder uns wird gar ein völlig falscher Film gezeigt. Bei diesem vielen „Sehen“ kann einem schwindelig werden, aber nur dann, wenn man seine eigene Geschichte nicht genau weiß und einem Schwindel unterliegt, wie man so sagt. Denn ansonsten würde man fühlen, was die eigene Wahrheit ist, und Krankheits- wie Sozialsymptomen auf die Spur kommen wollen und können. Dann weiß man einfach, wo die Wahrheit zu suchen wäre. Denn, so meine Hypothese, es gibt ihn immer noch, den klaren Blick und das untrügliche Gefühl für Wahrheit.
Das ist die gute Botschaft. Aber wer wagt sich angesichts von allumfassender Komplexität noch an Grundsatzfragen heran und bescheinigt sich selbst, zu wissen, wie sich was verhält und was die Wahrheit ist?
Wie bekannt, gibt es in jeder Familie „Filme“, die die ganze Familie im stillen Einverständnis und unangesprochen immer wieder sieht. Entsprechend laufen das gesamte Familienleben und deren Bedeutungsgebung ab. Wenn aber ein Familienmitglied darunter ist, das sagt: „Da stimmt doch was nicht!“, wird derjenige, der nicht mehr mitspielt, konsequent ausgeschlossen, bevor auch noch der Rest der Familie in seiner Meinung einbricht und vielleicht anderen Sinnes wird. Mit Meinungsmache sorgt man auch politisch dafür, dass alle wieder auf Spur kommen. Man versucht, die alte Tradition, die alte Sichtweise, den alten Film zum Schaden der Mehrheit wie zum letztlich eigenen Schaden aufrecht zu erhalten und weiter abzuspulen, um sich selbst wie denjenigen vermeintlich zu schützen, der droht, entlarvt zu werden, wenn die Wahrheit ans Tageslicht käme. Die Abwehr muss nicht einmal bewusst sein, nicht einmal böse gemeint sein. Sie ist dann allerdings umso wirkungsvoller. Aber sie ist und wird böse – daran geht kein Weg vorbei –, wenn sie immer weiter verfeinert und gefestigt wird. Ein schwieriger und steiniger Weg! Denn wer wollte den im Grunde so lieben Menschen, ob in Familie oder Politik oder in der Wirtschaft etwas nachsagen wollen? Realisiert wird in solchen Fällen weder in Familien noch offenbar in Politik und Wirtschaft, dass man damit unzählige Schäden, Verletzungen, Krankheiten und Strukturierungen von Lebensläufen, Ungerechtigkeiten wissentlich oder unwissentlich in Kauf nimmt. Nur zu einem Zweck: Alles bleibt, wie es immer war – schön aufgeteilt in Besitzende und Besitzlose. Man will partout nicht begreifen, was diese Haltung inhaltlich für das Leben bedeutet.
Die Frage, welches Land und welcher Boden einem Menschen zugehörig ist, ist ebenso brisant wie die Frage, ob dem Menschen noch seine Seele gehört. Der Körper ist ihm nachhaltig abgeknöpft worden: Körper sind Materie, mit der man wirtschaftlich arbeiten und die als Munition in Kriegszeiten eingesetzt wurde und wird. Die Methoden, ihn zu benutzen und strategisch einzusetzen, sind ungezählt wie die Formen, mit ihm Geld zu machen. Lebt diese „Materie“ als der jeweilige Mensch weiter, hat sie/er das Erlebte nicht vergessen, und ob es jemals vollends psychisch und körperlich verarbeitet wird und die Sehnsucht nach Einheit und Gesundheit erfüllt, ist stark zu bezweifeln. (Siehe unten auch zu Hustvedt in: „Die doppelte Frau.“)
Nun hat das mächtigste Organ der Vereinten Nationen, der Sicherheitsrat, unter der Nummer 1820, eine Resolution verfasst, für deren Anerkennung Frauen seit Jahrzehnten gekämpft haben: Sexuelle Gewalt habe das Ausmaß einer globalen Krise angenommen. Diese Resolution wurde auf dem Hintergrund der Tatsache verfasst, dass im Ostkongo 70 % aller Frauen seit 1997 durch Rebellen, Soldaten und Milizionäre vergewaltigt worden sind: „Seit 2002 herrscht im Kongo offiziell Frieden. Die Vergewaltigungen gehen weiter.“ (Andrea Böhm, 2008, Titelseite).
Der Sicherheitsrat hat anerkannt, „dass Vergewaltigungen immer wieder als Kriegsstrategie eingesetzt werden und als Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Teil eines Völkermordes zu ahnden sind. (...) Systematische sexuelle Gewalt ist kein soldatisches Kavaliersdelikt mehr, sondern – so steht es ausdrücklich in der Resolution 1820 – eine Gefahr für Frieden und Sicherheit. Genau wie Waffenschmuggel, Hunger und Terrorismus.“ (ebd. 2008.) Warum ist Vergewaltigung so wirksam? Antwort: „Der Körper des Opfers als Nachricht, als Aufforderung an die ganze Gruppe, zu fliehen. Für diese Form der Vertreibung müssen die Täter nicht mal Gewehrkugeln verschwenden. Und sie wissen, dass die meisten Opfer und ihre Familien aus Scham schweigen.“ (Böhm, 2008)
Im Oktober 2008 erhielt die Kölner Ärztin Monika Hauser den alternativen Nobelpreis, weil sie sich seit 15 Jahren gegen Vergewaltigung von Frauen einsetzt. Sie eröffnete 1993 das Therapiezentrum Mecia Zenica in Zentralbosnien und danach auch in Köln im „medica mondiale“, in dem sie weiblichen Kriegsflüchtlingen hilft. Sie sagt: „ Die Geschichten der vergewaltigten Frauen seien ‚tief in ihr vergraben’. Sie sind unvergessen, belastend, aber treiben sie auch an, im Kampf gegen die Kriegsverbrechen an Frauen, ‚die immer noch mit einem Handstreich vom Tisch der Geschichte gefegt werden.“ (Ruhr Nachrichten, 2.10.2008) Monika Hauser lehnte das Bundesverdienstkreuz 1996 wegen des Beschlusses der deutschen Innenministerkonferenz, die bosnischen Flüchtlinge trotz der damals instabilen und katastrophalen Zustände in Bosnien „zurückzuführen“, ab.
Vor über 30 Jahren wurde, gleichfalls wie in zig anderen Städten in Deutschland, über den Verein Frauen helfen Frauen ehrenamtlich ein Frauenhaus in Dortmund initiiert und nach vielen Querelen hinsichtlich der Finanzierung erkämpft. Eine ambulante Beratungsstelle für Frauen folgte in der Stadtmitte. An dieser Stelle möchte ich an die vielen Frauen erinnern, die ohne einen Pfennig für ihre Arbeit zu bekommen, Jahre und Jahrzehntelang für diese Möglichkeiten der Versorgung vergewaltigter, geschlagener und missbrauchter Frauen und Kinder kämpf(t)en. Sie werden in diesen politischen Zusammenhängen gleichfalls gern vom Tisch gefegt und ggf. für andere politische Zwecke benutzt. Wie Monika Hauser vergraben auch sie die gehörten und gefühlten Geschichten der Frauen tief in sich, die sie immer wieder antreiben, initiativ zu werden – so, wie mich selbst auch. Diese Geschichten leben in den Seelen und dem Leib der Opfer und derjenigen, die gegen Vergewaltigung, Missbrauch und Gewalt vorgehen und anarbeiten, weiter. Da Menschen, die wenig Berührung mit diesem Thema haben und deren Phantasie schnell ausgeht, was da zwischen Menschen СКАЧАТЬ