Flucht aus dem Morgengrauen. Marc Lindner
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Flucht aus dem Morgengrauen - Marc Lindner страница 6

Название: Flucht aus dem Morgengrauen

Автор: Marc Lindner

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783745014310

isbn:

СКАЧАТЬ hast du denn dein ganzes Gepäck gelassen?», kam eine frauenspezifische Frage gleich hinterher. Und in eben dem Augenblick wusste ich, dass mir dieses Spiel Spaß machen würde. Es war ganz nach meinem Geschmack.

      «Oh, das ist alles. Ich reise nur mit leichtem Gepäck», erklärte ich ihr und nahm den Rucksack von der Schulter, damit die Kamera ihn auch gut einfangen konnte.

      «Ich hatte schon befürchtet du kämst nicht», vernahm ich eine bebende Stim­me, während eine breite Pranke meinen nun freien Rücken mit voller Wucht traf.

      «Nicht doch, wo es ein Abenteuer gibt, da bin ich zu Hause.» Die Antwort galt der Kam­era, die scheinbar den Weg in meine Nase suchte.

      «Und du bist bereit loszugehen?» Die Frau blieb skeptisch.

      «Sobald der Vertrag unterschrieben ist», klärte ich sie über meine einzige Beding­ung auf.

      «Hör mal, ich bin ein Ehrenmann», klopfte mir der gestandene Mann aber­mals auf den Rücken und ich drohte fast nach vorne zu fallen.

      «Es ist nicht persönlich gemeint, das sicher nicht, aber wie stünde ich da, wenn ich noch bevor ich den Diplom in Hände halte, alles vergessen würde, was ich gelernt habe», wollte ich ihm mein Benehmen verständlich machen.

      «Recht hast du, Kleiner», lobte er mich. «Du wirst es noch weit bringen.»

      «Ja, hoffentlich einmal um die Welt», meinte ich lachend.

      Mit seiner rauen, dröhnenden Stimme fiel er in mein Lachen ein. Dieser un­mög­liche Mensch wurde mir richtig sympathisch. Wir verstanden uns gut. Nur die Frau vom Fernsehen wirkte leicht gekränkt.

      Die Einstiegsszene war keineswegs nach ihrem Geschmack verlaufen. Das sah man sogar ihren Kameraleuten an, die sich fragten, was sie eigentlich hier soll­ten. Drei Mann, und ich lieferte kein Material. So einen hatten sie wirklich nicht erwartet. Doch sie mussten es nun versuchen. Die Frau wusste ihren Chef im Nacken. Und ihre Furcht vor ihm war größer als ihr Missfallen an meinem faden Benehmen.

      «Wieso hast du dich eigentlich so schnell überreden lassen?», klammerte sie sich an mich. Sie hatte mir den Weg zu einem wartenden Auto gezeigt und mich gleich von dem Dicken weg gezerrt. Den mochte sie noch weniger als mich. Und dieser konnte unserem schnellen Tempo nur schwer folgen und war bereits nach wenigen Schritten schnaufend abgeschlagen.

      «Ich brauchte eine Veränderung in meinem Leben. Einfach mal einen sau­beren Schnitt», gestand ich ihr, und die Kamera war hautnah dabei. Ich fühlte gleich an ihrem Griff, dass sie auflebte und hellhörig wurde.

      Sie roch es bereits, die Sensation. Ich war für sie wie ein Gefrierschrank. So mus­ste ich wohl jetzt auf sie wirken, denn ihr Griff wurde fester und sinnlicher, als wollte sie mich auftauen. Ich spürte und genoss es. Sie gierte danach, dass ich zusammen­brach. Gefühls- und Tränen überlaufend. Auch wenn sie es nicht geschafft hatte in meinem Gesicht zu lesen, so waren ihre Sinne doch geschärft genug, um zu merken, dass tief in mir etwas lungerte. Eine Unruhe, vielleicht auch Wut und Trauer, die sie für die Welt an die Oberfläche bringen und ihren Zu­schauern in spannenden Folgen präsentieren wollte.

      Ich musste mich nur in Acht nehmen, dass ich nicht alle Spielregeln aus der Hand verlor, und dann schließlich nach ihrem Drehbuch tanzen müsste. Das war wiederum mir zu oberflächlich und abgegriffen. Ich wollte etwas Neues, sonst wäre diese Reise für mich sinnlos. Ich hatte nicht den Platz in meinem Ruck­sack auch noch die Werte und Vorstellungen der Zivilisation mit mir rum zu schleppen. Die waren mir zu schwer und erdrückten mich. Ich wollte sie nicht, und doch war mir dieses Spiel, dieses gespielt warmherzige Benehmen der Frau nicht unangenehm. Etwas aufzutauen würde ich noch hinnehmen können, aber sicher nicht zu schmelzen und vor ihr zu zerfließen.

      Die wenigen Schritte reichten zum Glück nicht dazu, und ich konnte mich wieder sammeln, als wir ins Auto gestiegen waren und auf Konrad warteten.

      Es war eine geräumige Limousine, die mich mit geöffneten Türen erwartete, im absoluten Halteverbot. Dieser Konrad verstand es zu reisen. Und ich war be­lustigt von dem Gedanken, dass sie sich nun Mühe gaben mir die Vorzüge eines reichen Daseins zu zeigen, um mich dann zu Fuß durch die Wüste zu schicken.

      Auch als Herr Hartmann – um ihm die Ehre einer gepflegten Anrede zu erweisen, – sich zu uns gesellte und mich noch näher an die Journalistin drückte, merkte ich nur noch deutlicher, dass ich aus dieser Welt fliehen musste. Zwar zeigte ich mich höflicher­weise beeindruckt und es war auch in der Tat beein­druckend, wie angenehm sich das Leder anfühlte, doch schaffte dieses es dennoch nicht, mich zu berühren. Das Fernsehen hatte mich bereits ab­ge­stumpft und alle Superlative ließen mich kalt. Sie wollten mir alles zeigen, doch ich bemerkte, wie ich erblindete.

      Selbst den Vertrag, den ich unterzeichnete, nachdem der Fahrer weich ange­fahren war und Konrad ihn schwerfällig aus seinem Aktenkoffer hervor geholt hatte, löste keinerlei Empfinden bei mir aus. Die Kamera, die samt Bediener vorne Platz gefunden hatte, hätte genauso gut ausgeschaltet bleiben können. So wenig gab es in meinem Gesicht zu sehen. Das merkte ich dem Kameramann deutlich an und ich fand, es wäre interessanter gewesen, hätte er seine eigene Enttäuschung für die bildüberreizten Zuschauer festgehalten.

      Ich las mir den Vertrag in Ruhe durch, während ich auf der einen Seite ge­quältes Einatmen hörte und auf der anderen spürte, dass ich geröntgt wurde.

      Die bisweilen ulkigen Formulierungen bereiteten mir richtig Freude. Auch die Hin­ter­türen, die sich mir auf Schritt und Tritt zeigten, erheiterten mein Gemüt. Die Gewinnsumme war übertrieben hervor gehoben. So groß gar, dass sie den Zuschau­ern nicht entgehen konnte. Doch die Zeile überflog ich, auch sie hatte für mich keine Bedeutung. Ich wollte weg. Das Wissen aber, dass sie nachher auf mich warten würde, war dann doch ein beruhigendes Gefühl.

      «Möge das Abenteuer beginnen», sagte ich feierlich und schenkte der Kamera dann doch noch etwas Begeisterung.

      Kaum war die Szene im Kasten, als der Mann sein Gerät abschaltete und vorne aus dem Fenster sah. Er kannte mich schon gut genug, um zu wissen, dass meine Sendezeit nun zu Ende war. Und er hatte Recht. Ich war anders, und ich wusste er hätte die ganze Wahrheit jetzt noch nicht ertragen können.

      Die Fahrt zum Flughafen war wie eine Schlafwanderung. Durch die getönten Fen­ster hätte man die Landschaft zwar erkennen können, doch ich ließ sie un­be­­achtet an mir vorbeirauschen. Die Frau hatte den Versuch sich an mich zu dräng­en aufgegeben und sich nun uns gegenüber Platz genommen. Es wirkte fast hypnotisch, wie sie mich schweigend im Auge behielt. Als müsste sie mich erst einmal studieren, mich analysieren, meine Schwächen aufdecken. Dabei verfinsterte sich ihr Blick keineswegs, sondern blieb freundlich und offen.

      Nur der Dicke gefiel mir nicht. Er war genauso stumm, wie auch ich, doch wirkte es bei ihm eher bedrückt. Sein Gemüt wirkte so schwer, wie eine der Ge­sch­ichten, die ich hinter seiner Fassade gelesen hatte. Es aber nun zu spüren, betrübte mich leicht und Mitleid stieg in mir auf. Die Limousine konnte daran nicht das Mindeste ändern. Sie war bedeutungslos, nur eine dieser Fassaden, die die Welt, die Zuschauer so gerne sahen. Doch es war nicht die Wahrheit, denn die konnte man nur im Menschen finden. Und was ich dort sah, machte mir Angst. Ein aufgeblähter Luftballon, und ich sah, wie er nach einem Ventil suchte. Er drohte zu platzen, und gleichzeitig war er irgendwie leer.

      Sein Gesicht war gegen das Fenster gelehnt und er gab vor nach draußen zu schauen, doch seine Pupille – die, die ich sehen konnte – bewegte sich nicht. Seine Gedanken waren weit weg. Ich vermutete, dass seine Augen nichts finden konn­ten, was einen Blick rechtfertigen würde, und sein Geist war auf der Suche danach.

СКАЧАТЬ