Auch sein Lächeln war der Versuch zu fliehen, weder vor mir, noch vor dem Spiel, doch er fürchtete meinen Blick, dass ich bemerken würde, dass er noch einen Krieg gegen Sabrina austragen müsste. Doch dazu war es zu spät, ich war einige Kapitel weiter, und wusste, dass ich ihn das nie merken lassen dürfte, das war alles Teil des Spieles.
Sabrina war genauso ein Buch, wenn auch schwerere Kost, zu viele Fragezeichen, und zu viele ausschweifend lange Sätze. Und zudem stand bei ihr allzu viel nur zwischen den Zeilen, das wollte ich mir vor der Reise nicht mehr zumuten. Aufgeregt war ich genug, und ich wusste nicht wie viel mein Magen vertragen würde.
Leicht vibrierte dieser, während das Flugzeug immer weiter auf die Startbahn zuhielt. Wieder wirkte es für mich unwirklich, ich verband die Bilder, die mir aus dem Fernsehen vertraut waren, mit dem was ich durch die dicken Gläser erkennen konnte. Doch es wollte nicht recht übereinstimmen, wie so oft. Diese Lügen hatte ich satt. Ich wollte die Welt sehen, nicht nur aus der Ferne, und bei dieser Rollbahn fing es an.
Sabrina konnte das nicht, dieses Anfangen, sie fuhr einfach weiter.
«Und hast du es dir so vorgestellt?», wandte sie sich vom Sitz vor mir an mich.
Sie hatte den Sicherheitsgurt noch nicht zugeschnallt, um sich noch zu mir umdrehen zu können. Sie kannte keine Hindernisse, nur Kompromisse, und die ging sie nicht ein.
«Nein», antwortete ich in Gedanken versunken und fast nur hauchend. Ihr Gesicht starrte, an die Lehne ihres Sessels gepresst, mich mit forschenden Blicken an.
«Hast du Angst?», fragte sie. Als ich ihren beinahe mütterlichen Blick sah, musste ich innerlich lachen.
Sie war wirklich mit allen Wassern gewaschen, doch ich ließ mich nicht nach Belieben auftauen. Schon gar nicht bei dem Ausschnitt, mit dem sie ihre vertrauenerweckende Rolle zu spielen versuchte.
Sie war nicht an Gefühlen interessiert, nur an Sensationen und so sah mein Drehbuch nicht aus. Wie dieses letztendlich aussehen würde, wusste ich nicht, nur so viel war mir klar, dass es nicht ihren Vorstellungen entsprechen würde.
So leid es mir für sie tat, aber sie lief mit mir in eine Sackgasse, und diese war nicht lang genug, um einmal um die Welt zu reichen.
«Nein, es ist nur ein komisches Gefühl», lächelte ich ihr zurück.
Eine letzte Drehung, und das Flugzeug blieb stehen. Dieses Warten löste ein leichtes Kribbeln in meinem Magen aus, nicht stark, nur so, dass ich es noch als angenehm empfinden konnte. Wie Vorfreude, die ich eben am Genießen war.
Selbst Sabrina, nachdem eine Stewardess, oder wie auch immer ich Konrads Angestellte betiteln sollte, sie darauf hingewiesen hatte, gurtete sich nun fest und musste ihren Angriff auf meinen abkapselnden Panzer unterbrechen.
Aufbegehrende Triebwerke brummten einige Male neben uns auf. Als diese lärmenden Störungen ein Ende fanden, ging es nach einer weiteren kurzen Pause endlich los.
Es war nicht mehr zu vergleichen mit dem langsamen Rollen auf der Startbahn von vorhin.
Viel kräftiger, und trotzdem gleichmäßig, drückte es mich viel tiefer in den Sessel.
Das Kribbeln im Bauch wurde stärker und ich schloss kurz die Augen. Es gefiel mir, nur noch zu spüren und meine Umwelt zu vergessen. Eintauchen, abtauchen und weg. Einfach herrlich, dieses Reisen.
Doch mein Körper kam wieder zum Vorschein. Wir waren in der Luft. Noch bevor ich meine Augen geöffnet hatte, konnte ich vor mir ein Klicken hören, gefolgt von einem kurzen dumpfen Schlag.
Als ich dann langsam die Augen öffnen wollte, riss ein kurzer Schreck sie mir gleich auf und Sabrinas Gesicht presste sich abermals an die Seitenlehne ihres Sessels.
Wie sie das so schnell geschafft hatte, blieb mir ein Rätsel, und ich ordnete es gleich zu den anderen ungelösten Fragen, die ich mit ihr in Verbindung brachte, ohne in diesem Moment noch einen Gedanken darauf zu verwenden.
«Und wie fühlst du dich?», schoss sie wieder mit ihrer Journalistenfrage um sich.
«Gleich noch mal», lachte ich sie begeistert an.
Wo die Kamera sich diesmal versteckte wusste ich nicht, es war mir egal, man konnte eh nicht das ganze, noch ungeschriebene Drehbuch veröffentlichen.
Sie funkelte mir zurück als nehme sie mir diese Reaktion nicht ab. Wohl, weil meine schauspielerischen Künste noch recht ungeschliffen und meine Reaktionen zu aufgesetzt wirkten.
Ich nahm ihre Kritik dankbar entgegen und freute mich, dass sie doch nicht so oberflächlich war, wie ihr Auftreten es befürchten ließ.
Um mich ihrem bohrenden Blick zu entwinden, tauchte ich ab, löste die Sperre vom Sessel und wandte mich dem Fenster zu.
Wieder eines dieser verwirrenden Bilder, die ich so oft im Fernsehen gesehen hatte. Merkwürdig daran war, wie bedeutungslos sie mir erschienen, es war ein einzigartiger Ausblick, und doch behielt ich meinen Atem. Es war wie eine kalte Bewunderung, als betrachte ich die Welt durch eine dicke Glasscheibe. Bei diesem Gedanken musste ich lachen, denn schließlich war es nichts anderes.
«Man muss die Welt im Ganzen sehen, bevor man sie Stück für Stück erkunden kann», dröhnte Konrad, da ich mich abgewandt hatte hinter meinem Rücken feierlich hervor.
Verwundert über diesen philosophischen Anmut seines Ausrufes schlug ich ein neues Kapitel in seinem Roman auf, ohne diesmal gelesen zu haben und ohne zu wissen, was mich noch erwarten würde.
«Willst du die Welt bereisen, musst du erst dich finden, die Vorstellungen der Menschen in den Schrank stecken, und deine Neugier in deinen Koffer», sagte ich wie zu mir selbst, während ich immer noch zum Fenster raus schaute und die Wolken, die an uns herab fielen, meine Blicke kitzelten.
«Es spricht sich leicht, wenn man von allem so weit weg ist», kommentierte Sabrina unseren Geistesausflug.
Ohne mich umzudrehen, hörte ich wie der Kameramann verzweifelt seinen Platz aufgab. Die Anspannung, diese Szene nicht in Frontperspektive zu haben, war greifbar. Doch auch daran störte ich mich nicht. Mit einem lächelnden Blick nach hinten hieß ich ihn herzlich in unserem Spiel willkommen, und damit, dass ich mich gleich wieder abwandte, hatte ich ihm das Regelwerk mitgeliefert.
Jetzt würde er lernen was es heißt eine Livesendung – und nicht bloß eine so genannte, die nach Drehbuch verlief – einzufangen.
Als sich immer mehr Wolken über die Welt stülpten und sie in weiß gehüllt unter mir lag, und sich jedem meiner Blicke entzog, drehte ich mich endlich um und wusste, dass der erste Schritt meiner Flucht, meiner Reise, getan war.
Als meine Gedanken wieder drinnen angelangt waren, hielt ich es für angemessen, dass ich unseren vierten Spieler kennenlernte.
«Wie heißt du, wenn ich fragen darf?», stellte ich ihm unvermittelt die Frage.
Er sah erst mich, dann Sabrina verwundert an.
Ich wollte, dass wir uns duzen, bei Konrad war das natürlich etwas anderes, aber ansonsten nahm ich keinen mit auf eine Reise, zumal bei einer solchen, da ging СКАЧАТЬ