Zulassung zur Abschaffung - Die heillose Kultur - Band 2. Dr. Phil. Monika Eichenauer
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СКАЧАТЬ eine Grenze zu erblicken, die sie schützte. Dies muss sich ändern.

      Der Sprung ins kalte Wasser

      Einer Untersuchung der Gmünder Ersatzkasse zufolge, nahm die ambulante Psychotherapie „innerhalb von sieben Jahren um 61 % zu: Im Jahr 2000 waren 0,55 Prozent der Versicherten in Deutschland in Behandlung, im Jahr 2006 bereits 0,88 Prozent, ergab eine Studie des Institutes für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung, MHH Hannover (im Auftrag der Gmünder Ersatzklasse).“ Diese Studie diente nicht dazu, die Notwendigkeit der Aufstockung von Psychotherapieplätzen aufgrund der Zunahme psychischer Erkrankungen zu belegen, sondern die mäßige Wirksamkeit hinsichtlich Kostenreduzierung in anderen Bereichen des Gesundheitswesens darzustellen: „Die Deutsche Psychotherapeutenvereinigung und der BVVP bezweifeln die Relevanz der Studie: der Anstieg der Psychotherapiepatienten auf 0,88 Prozent der Versicherten sei relativ bescheiden – gemessen daran, dass der reale Bedarf bei etwa 7 % liege. Und: Die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen genüge nicht als Maßstab zur Bewertung des psychotherapeutischen Ergebnisses.“ (Pabst Science Publishers, http: .pabst-publishers.de; 5. März 2008. Studie: .GEK.de - GEK-Report ambulant-ärztliche Versorgung 2007).

      Mit der Gegenüberstellung des realen Bedarfs psychotherapeutischer Arbeit in der Bevölkerung einerseits und andererseits dem generellen Ansinnen von Krankenkassen, diesem Bedarf nicht realitätsgerecht nachkommen zu wollen, werden Untersuchungszusammenhänge ersonnen, die quasi die Unwirksamkeit von Psychotherapie belegen sollen - damit ist der politische Diskurs in Deutschland kurz und bündig grob benannt. Dabei wird eine Berufsgruppe, Psychologische Psychotherapeuten, gegen die andere, Ärzte oder besser und genauer formuliert Mediziner, ausgespielt – oder auch tiefenpsychologische Psychotherapie gegen Verhaltenstherapie. Im Rahmen des vorliegenden Band 2 zur Heillosen Kultur wird das politische Mittel der Spaltung von Berufsgruppen, um letztlich Unterfinanzierungen zur Einsparung von Kosten im Gesundheitswesen zu begründen, thematisiert.

      Nebenbei bemerkt könnte der durch die Gmünder Krankenkasse interpretierte Zeitraum von sieben Jahren darauf zielen, den Psychologischen Psychotherapeuten zu unterstellen, Patienten zu versorgen, die keiner Versorgung bedürfen. Wir sind als Facharztgruppe seit April 1999 offiziell als Diplom-Psychologen zur Psychotherapieausübung unter der Bezeichnung Psychologische Psychotherapeuten (PP) unter dem Dach der Kassenärztlichen Vereinigung zugelassen und werden in diesem Rahmen für die Gesetzlichen Krankenkassen tätig. Da bundesweit cirka die Hälfte der bis 1999 im Gesundheitswesen tätigen Diplom-Psychologen mit Fachgebiet Psychotherapie nicht zugelassen wurden, muss es andere Gründe als unsere Zulassung geben, die abgerechneten Leistungen bei der Krankenkasse zu begründen. Interessanter ist die Tatsache, dass der Psychotherapiebedarf und das Psychotherapieinteresse in der Bevölkerung gestiegen sind. Diesen Bedarf spürt jeder PP in seiner Praxis: Es müssen Wartelisten geführt werden, da wir dieser Nachfrage nicht prompt nachkommen können.

      Das Anliegen dieses Buches ist, Menschen in Deutschland über die berufspolitische Lage meiner Berufsgruppe, Facharztgruppe, aufzuklären: Dieses Thema sollte jeden Menschen in Deutschland interessieren. Niemand kann ausschließen, nicht vielleicht doch einmal Unterstützung und Hilfe von uns zu benötigen. Aber nicht nur aus dieser persönlichen Perspektive ist dieses Thema von Wichtigkeit. Es ist auch gesellschaftspolitisch, wie ich im Band 1-1.2 ausführlich darstellte, von existenzieller Bedeutung für Menschen. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang stichwortartig an Descartes Paradigma vs. Leibkonzept Nietzsches und die Marxsche Entfremdungsformel, in der sich Karl Marx zentriert der Frage zuwendet, wie der Mensch zum Menschen stehe. Der grundsätzliche Blick auf Menschen folgt in der Gegenwart der Gesundheitswirtschaft und ihrer Intention, Gewinn und Kapital aus dem Gesundheitswesen, sprich aus einerseits Patienten und andererseits Psychologischen Psychotherapeuten und Ärzten, zu erwirtschaften. Diese wirtschaftliche Intention und politische Praxis empfinde ich als Widerspruch zum Heilungsauftrag des Hippokratischen Eides und dies gab mir die Motivation, das vorliegende Buch zu schreiben – ebenso wie den Band 3, der sich dann vertiefend mit der Darstellung der Gesundheitswirtschaft in unserem Leben befasst. Nun forderte im Herbst 2007 die Psychotherapeutenkammer dazu auf, Patienten und Krankenkassen über die unmögliche Honorarsituation der psychologischen Psychotherapeuten zu informieren – dies traf ebenso ein eigenes wie das Anliegen meiner Berufskollegen. Insofern wird auch das Thema Honorare im vorliegenden Buch Darstellung finden.

      Wenn ich also einerseits die Dringlichkeit und Notwendigkeit von Behandlungen für Patienten und andererseits das allgemeine Interesse der Krankenkassen in Bezug auf unsere Berufsgruppe an den Anfang des Buches stelle, dann ist damit gleichzeitig gesagt, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass wir als Berufsgruppe überhaupt existieren. Aus dem Titel des Buches ist zu entnehmen, dass wir als „Psychologische Psychotherapeuten“ offiziell in die Kassenärztliche Vereinigung (KV) integriert wurden. Aber haben wollte man uns nicht – und das will man auch jetzt noch nicht – oder eben so, wie Rainer Richter es wie oben zitiert formulierte: Psychotherapie als Ergänzung der Medizin. Denn so kann man uns auch wieder weiter unterordnen, billige Psychologische Psychotherapeuten in ärztlichen Praxen und Kliniken anstellen und das heißt, vor allen Dingen an uns verdienen und zusätzlich ein modernes gesundheitspolitisches Verständnis als Feder an den Hut der Mediziner stecken. Gründe und Auswirkungen im Berufsalltag, Bedeutung unseres Berufsrechtes und das ausgeklügelte Vorgehen von Medizin und Ärzten im Fachbereich Psychotherapie und dem Gebiet der Psychosomatik lassen nur den Schluss zu, dass wir wieder abgeschafft werden sollen: wohl nicht formal als Psychologische Psychotherapeuten, aber bezüglich unserer Berufsinhalte und unserer Berufsrechte. Hinzu tritt die miserable Honorarsituation, wegen der wir seit 1999 klagen – letztendlich ohne Erfolg trotz Angleichung unserer Honorare auf den geforderten Ursprungswert von vor 10 Jahren. Es gibt immer wieder Fallen in den ausgeklügelten Honorarberechnungen und politischen Argumentationen, die das Gegenteil von dem verwirklichen, was wir einerseits für die Versorgung von Patienten und andererseits für unsere berufliche Existenz fordern.

      Nun steht im Rahmen der Gesundheitswirtschaft der Ausverkauf unserer Berufsfachgruppe in Medizinische Versorgungszentren (MVZ) aufgrund eines im Vergleich mit Ärzten eingeschränkten Berufsrechtes bevor. Ärzte können Psychologische Psychotherapeuten, aber Psychologische Psychologen keine Ärzte anstellen bzw. Psychologische Psychotherapeuten können MVZen nicht selbstständig und unabhängig von Ärzten gründen und leiten. Damit verliert unsere Berufsfachgruppe neben anderen Begleiterscheinungen ihre Eigenständigkeit – beziehungsweise wird auf Dauer stillschweigend in ärztlichen Hilfsdiensten und Modulen von der Bildfläche in der Gesundheitswirtschaft verschwinden. Denn zusätzlich wird, dem cartesianischen Paradigma folgend, für Störungsbilder symptomorientiert Modul-Medizin und Modul-Psychotherapie entwickelt: das bedeutet, die Geschichte eines Menschen und die Gründe, weshalb es zu Erkrankungen kommt und kam, fallen weg – es wird nur noch Pflaster-Medizin betrieben. Die Geschichte des Menschen wird dann auch im Gesundheitswesen reduziert bzw. ausrangiert. Symptome dirigieren Behandlung, Leben und Gewinne. Dokumentiert werden sollen auf der Gesundheitskarte aus Kostenersparnisgründen alle Symptome, Behandlungen und Medikamente. Mit diesen Daten werden weitere von Patienten zu bezahlende Tarife ersonnen, mit denen Fehler im Gesundheitswesen kostenmäßig aufgefangen werden. Für die Psychotherapie werden seit Januar 2008 Zulassungen davon abhängig gemacht, Nutzennachweise hinsichtlich verschiedener Störungsbilder vorzulegen – neben den bisher geforderten anerkannten Psychotherapieverfahren, können nun auch Psychotherapiemethoden, „die diese Bandbreite nicht aufweisen, sondern hochspezifisch für bestimmte Störungsbilder entwickelt wurden, GKV-Leistung werden.“ (Deutsches Ärzteblatt, PP, Heft 1, Januar 2008, S. 6) Das bedeutet Modul-Psychotherapie, die ähnlich wie in der Verhaltenstherapie, Symptome bekämpft und sich weder für generelle Lebenszusammenhänge noch individualgeschichtliche Zusammenhänge interessiert.

      Aber mehr denn je erscheint es im gesamtgesellschaftlichen Kontext von immenser Wichtigkeit und Bedeutung, geschichtlich allgemeine und individuelle Zusammenhänge zu verstehen und aus diesem Wissen heraus Menschen psychotherapeutisch СКАЧАТЬ