Entfremdung und Heimkehr. Werner Boesen
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Entfremdung und Heimkehr - Werner Boesen страница 8

Название: Entfremdung und Heimkehr

Автор: Werner Boesen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783741843419

isbn:

СКАЧАТЬ müssen. Und ob wir letztlich mehr Schaden als Nutzen von unserer Vergangenheit gehabt haben, wer kann dies beurteilen? Letztlich wohl nur wir selbst. Vielleicht ist gerade unsere Vergangenheit für uns auch eine heilsame Lehre gewesen.

      Was blieb uns auch anderes übrig, als uns auf unsere „eigene Beine“ zu stellen und das Beste draus zu machen? Mir ist es in einem weitaus stärkeren Maße gelungen, wie es meine Herkunft vermuten lässt. Mein Dank gilt dabei insbesondere auch den Pflegeeltern, die ihren Beitrag geleistet haben für etwas, was sie ebenfalls nicht für möglich hielten. Schade nur, dass Pflegeeltern so wenig Bedeutung staatlicherseits zukommt. Die in Aussicht gestellte Pflege auf Zeit entspricht weder dem Bedürfnis des Kindes nach einer dauerhaften Bezugsperson noch dem Bedürfnis der Pflegeeltern eine dauerhafte Ersatzmutter und ein Ersatzvater sein zu können. Diese Bedürfniskonstellation wird zu leicht durchbrochen von Behörden, die unbedingt eine Pflegestelle finden müssen, weil an und für sich anständige und fleißige Jungs und Mädels aus dem Heimtrott herausmüssen, wie im Falle von meinen Geschwistern und mir. Dann interessieren auch die Motive der Pflegeeltern nicht mehr. Pflegekinder stehen dann zu leicht in der Gefahr, als „billige“ Hausarbeitskräfte ge- und verbraucht zu werden. Dies ist nichts anderes als moderne Sklavenhalterei. Dafür sollten sich auch Pflegeeltern zu schade sein. Sie sollten zu ihrer originären Bedeutung stehen, auf Dauer Ersatzeltern zu sein und nicht nur auf Zeit. Das sollte zu Beginn der Pflegekindbeziehung den Behörden deutlich gemacht werden. Wenn die Behörden hier keine Einsicht haben, kann ich den Eltern nachfühlen, die beispielsweise 15.000 Euro und mehr ausgeben, um sich ein Kind aus der 3. Welt zu adoptieren (siehe zum Beispiel Website Eltern für Kinder e.V., Staatlich anerkannte Adoptionsvermittlungsstelle https://www.efk-adoptionen.de/adoption/kosten/). Dies ist eine klare erzieherische Ausrichtung, die von vornherein die Gewähr dafür bietet, auf Dauer angelegt zu sein.

      Auch wenn es aus Erwachsenensicht viele für unmoralisch halten, Kinder aus der 3. Welt zu „kaufen“ und an begüterte Eltern zu „verkaufen“, ist dies aus Kindessicht kein Thema. Dem Kind eröffnet sich eine Chance, die es sonst nie hätte. Aber welche Sozialarbeiter interessiert so etwas? Dabei sind sie selbst auch nichts anderes als „Kindesvermittler“, werden dafür jedoch nicht so gut bezahlt. Und jemand, der Geld hat, den interessiert es recht wenig, wieviel er für etwas hinlegen muss. Natürlich dürfte er auch froh sein, etwas ohne Geld zu bekommen. Doch dafür ist ein anderer „Kaufpreis“ fällig, nämlich der Preis, den Vorstellungen von Behördenmenschen zu entsprechen. Und dieser Preis ist für viele weitaus „teurer“ als irgendeine Summe Geld.

      3. Sozialarbeiter wursteln sich durch! Ein Kind hat noch keine Kinderrechte?!

      Wenn wir uns rückwirkend die Aktivitäten unserer Sozialarbeiter betrachten, können wir zunächst - wenn auch noch etwas oberflächlich - nur feststellen, dass sie sich mehr oder weniger erfolgreich durchgewurstelt haben.

      Jedes Kind, das vom Büroschreibtisch in die „Aktenablage“ wandert, ist „versorgt“. Sollten unerwarteterweise die Pflegeeltern vorsprechen, ist die alte Akte schnell wieder griffbereit, nur um ggf. noch einmal drauf hinzuweisen, wie verhaltensgestört ja das Kind war und auch noch ist usw. Vielleicht wird abschließend noch einmal deutlich gemacht, dass es halt so seine Zeit braucht, bis sich das Kind „in den Griff bekommt“ und es war ja auch das Beste von den vielen, die noch in Heimen sind. Die Pflegeeltern sind erst mal ruhiggestellt, die Sozialarbeiter können sich nochmal eine „Verschnaufpause“ gönnen und sich schon mal mit dem Gedanken vertraut machen, wohin das Kind kommt, wenn es dann gar nicht klappt.

      Sicherlich kein leichter Job, doch auch dieser Job als Sozialarbeiter/in in Jugendämtern wird zur Routine, härtet ab, macht betriebsblind, macht gefühlskalt. Eigenschaften, die der Welt eines Kindes fremd sind und genau das Gegenteil darstellen: ein Kind ist gefühlsbetont, sensibel, spontan. Eigenschaften, die ein Kind kennzeichnen und die von Behörden „verachtet“ werden. Ein Kind hat sich danach anzupassen, muss noch lernen, muss gehorchen, darf keine Gefühlsausbrüche haben (im Beamtendeutsch: jähzornig) usw.

      Ein Kind ist definiert wie ein „Maßanzug von der Stange“.

      Obwohl doch in jedem psychologischen Lehrbuch darauf hingewiesen wird, wie individuell jedes Lebewesen ist. Freilich scheint die Individualität durch den Verlust der Eltern kaum mehr gegeben. Bei der Vielzahl der Kinder wäre es auch nicht zu schaffen, diese individuell zu betreuen. Bleibt nur ein „Massenprodukt“, herzurichten in einer Anstalt mit einem „wohlgeordneten Chaos“, den Nachwuchsanstalten für Klöster und Kirchen. Doch es gibt auch noch Alternativen, denn es bewerben sich mehr Eltern um Pflegekinder, als Kinder in Heimen sind. Außerdem

      „Ungewollt kinderlos sind in der Bundesrepublik mehr als 1,2 Millionen Paare“

      (pro familia Heft 6/90 S. 25).

      Welches unerschöpfliche Potential, um beispielsweise 100.000 Heimkinder unterzubringen.

      Doch so einfach wie sich dies der „Laie“ wohl denken mag, kann es natürlich nicht gemacht werden. Schließlich stehen da etliche Heimeinrichtungen von Kindern zur Verfügung. Die kann man doch nicht alle leermachen. Dann muss natürlich genau das Vorleben der potentiellen Eltern ausgefragt werden. Nicht dass da jemand dabei ist, der aus niederen Motivlagen heraus ein Kind zu sich nehmen will. Schließlich ist es scheinbar auch bedeutsam zu wissen, ob die Eltern auch ohne Kinder leben können. Vielleicht steckt da auch die Angst dahinter, dass Pflege- bzw. Adoptivkind könnte von den sexuellen Aktivitäten der Eltern etwas mitbekommen. Da ist es dann besser, Eltern zu haben, die sich ein „weiteres“ Leben auch ohne Nachwuchs vorstellen können, die zum Beispiel getreu der katholischen Lehre auf sexuelle Aktivitäten verzichten. Ob die Eltern es dann tatsächlich machen, ist eine Angelegenheit, die nicht nachweisbar ist. Eigentlich sollte das Sexualleben ja niemanden etwas angehen. Und die Frage, ob man sich ein Leben ohne Kinder vorstellen könne, betrifft nun einmal - wenn auch sehr indirekt ausgedrückt - aber doch präzise genug, das Sexualleben der potentiellen Eltern. Ich denke, da haben wir leider auch heute noch Verhältnisse wie im 3. Reich. Die Frage, ob ein Leben ohne Kinder vorstellbar ist, stellt eine behördliche Arroganz dar und zeugt zugleich von immensem Dilettantismus. Auch hier muss ich den Eltern wieder zustimmen, die sich bezüglich solcher Amtsanmaßungen lieber für 15000 Euro und mehr ein Kind aus der dritten Welt holen.

      Die aufgezeigte Frage, die wohl nicht von allen Behörden gestellt wird, sollte exemplarisch aufzeigen, welches Missverhältnis in der Behördenlandschaft existiert. Ich will da nicht wissen, was sich mancher „Behördenguru“ noch alles so herausnimmt, um an die „wahre“ Motivlage von Eltern zu kommen. Ich habe mir Anfang der 1990er Jahre selbst noch einmal bei einer beliebigen Behörde Aufklärung verschafft: das Gespräch habe ich in aller Freundlichkeit vorzeitig beendet, dies den Sozialarbeiter jedoch nicht spüren lassen. Es ist zwar nun lange her, doch die grundsätzlichen Aspekte sind nach wie vor akut. Folgende Aspekte wurden sinngemäß besprochen:

      Ich interessiere mich für ein Pflegekind, da ich selbst eines war und möchte heute auch meinen Beitrag leisten, einem Kind zu einem Startsprung zu verhelfen. Ich bin bei einem Onkel groß geworden, da meine Eltern früh verstarben (dies war leider gelogen, aber ich wollte nicht meine wirkliche Lebensgeschichte erzählen – ich wäre dann auch nicht so zügig mit meinem Anliegen vorangekommen). Leider, sagte ich weiter, bin ich ein vielbeschäftigter Mann, sodass ich wenig Zeit für den Sprössling hätte, aber das besorgt meine Frau, zur Zeit zwei eigene Kinder. Mein monatliches Einkommen ist überdurchschnittlich, habe ein eigenes Haus und interessiere mich für ein Arbeiterkind.

      Der letzte Satz brachte den Sozialarbeiter in Stimmung. „Um Gottes willen, ein Arbeiterkind bei ihrem Einkommen und einem eigenen Haus – unmöglich!“. Das Arbeiterkind würde mit Lebensumständen konfrontiert, die es selbst nie erreichen würde. Sollte das Kind dann wieder zu seinen Eltern zurückmüssen, wären die Probleme vorprogrammiert.

      Ich СКАЧАТЬ