Entfremdung und Heimkehr. Werner Boesen
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Название: Entfremdung und Heimkehr

Автор: Werner Boesen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783741843419

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СКАЧАТЬ um menschlichen Schwachsinn handelt, ist psychologischen Fachleuten schon lange bekannt, wenn diese es auch nicht so deutlich ausdrücken, wie ich dies gerade getan habe. Aber wann fragt ein Jurist einmal einen Psychologen? Selbst wenn der Jurist zu der Einsicht gelangt, der Psychologe habe recht, bedeutet dies natürlich noch nicht, dass der Jurist sich diese Entscheidung zunutze macht, denn Recht haben und Recht bekommen sind zwei recht unterschiedliche Tatbestände.

      DIE NONNE

      Sie entsprach bei weitem nicht den christlichen Idealen und zeigte die gleichen Verhaltensweisen wie die übrigen Erzieher. In ihrer Eigenschaft als Heimleiterin war sie sogar Vorbild für die Erzieher. Ihre Prügel glich einem Trommelfeuer. Bei der Nonne zeigte sich, wie jemand ein im Bewusstsein der Bevölkerung vorhandenes positives Bild in sein negatives Extrem verwandelte und niemand schien es zu merken. Wie sollte es auch jemand merken? In Gegenwart anderer Erwachsener zeigte die Nonne ihr liebstes Gesicht, stets freundlich lächelnd und den Eindruck erweckend, keiner Seele etwas zu Leide zu tun.

      GOTT UND TEUFEL

      Der „liebe“ Gott wurde im Kinderheim zur Förderung des Anpassungsverhaltens eingesetzt. Zunächst glaubten wir auch daran, dass es einen Gott gibt, der allmächtig ist und alles sieht, was man macht. Das jedoch unser Schicksal „gottgewollt“ sein sollte, ging uns nicht in unsere Köpfe. Da wir unser Schicksal als so gravierend erlebten, forderten wir quasi Gott heraus. Und siehe da, er ließ uns gewähren. Da der liebe Gott real nicht existent war, musste er an Glaubwürdigkeit verlieren. Gott diente nicht nur der Förderung des Anpassungsverhaltens, sondern sollte auch jede Art von Eigenaktivität hemmen, die nicht göttlichem Gebote entsprach. Obwohl es einen allmächtigen Gott geben sollte, wurde die Existenz eines Teufels nicht geleugnet. Gegen den Teufel, der Verkörperung allen Schlechten und Bösen musste man ankämpfen. Welche verrückte Erwachsenenwelt! Freilich ließ man sich zur Bändigung von Kindern recht viel einfallen.

      Die folgende Abbildung 1 enthält zusammengefasst die Sicht der Erlebniswelt ehemaliger Heimkinder in geschlossenen Einrichtungen.

ZwangsgewaltDem Gebrauch und Missbrauch durch fremde Erwachsene ausgeliefertKein Recht auf kindliche Autonomie
OhnmachtMein Wille zählte nicht mehrJeglicher Eigenwille wurde gebrochenDer Zweck heiligt die Mittel!
HeimterrorErziehungsprinzip: Befehl und GehorsamMotto: Bist du nicht willig, braucht es GewaltReligiöses Leitmotiv: Bete und ArbeiteKommunikationsmodus: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold!
Kinder nur noch ObjekteGefühls- und geschlechtslose WesenMarionetten und menschliche Wracks
Alles reglementiertEs darf gespielt werden
Gegenüber jedem Erwachsenen weisungsgebundenEin Erwachsener hatte jegliche Autorität
SelbstverleugnungVergessen der eigenen Herkunft gefordert
Sich selbst verantwortlichDie Letzten beißen die Hunde!
Rolle der ErzieherAuf der Stufe von Neo-PrimitivenHeimkindwärter mit Anwendung Kapo-PrinzipSie machten keine Fehler und wirkten wie Perfektionisten
Das JugendamtSachbearbeiter in Sachen Heimkind-AngelegenheitenZusammenarbeit mit Juristen (Paragraphenjongleuren)
Die Nonne als HeimleiterinIhre Seelsorge entsprach falschem Gottesverständnis und ließ den Teufel agierenIhre Prügel glich einem TrommelfeuerTeufel mit Engelsgesicht
Gott und TeufelDas Gute und das Böse im Menschen wirktGott dient dazu das Böse durch das Gute zu bekämpfenDer Teufel wird auch von Gott nicht besiegt trotz dessen Allmacht„Verrückte“ Erwachsenenwelt

      Abbildung 1: Erlebniswelt von Heimkindern in geschlossenen Einrichtungen

      1.3. Etwas verändert?

      Die Frage, ob sich heute etwas verändert hat an und in den geschlossenen Einrichtungen, klingt hoffnungsvoll. Doch wir würden uns etwas vormachen, wenn wir nur diese Hoffnung hätten. Veröffentlichungen zur Ersterscheinung dieses Buches im Jahre 1992 zeigten auf, dass sich so gut wie nichts verändert hatte. Erst im Jahre 2008 kam es auf Druck des Kinderheimverbandes zur politischen Aufarbeitung durch eine Bundestagskommission und die verantwortlichen Kirchenträger schlossen sich an. Unsere einschlägigen Erfahrungen bestätigen, dass die Änderungsbereitschaft verantwortlicher Instanzen minimal ist, zumal es weiterhin an Kinderrechten im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland fehlt. Erst im Jahre 1992, nachdem die Kinderheimzeit über zwanzig Jahre hinter mir lag, gelang es mir, mich mit diesen Erlebnissen an die breite Öffentlichkeit zu wenden. Meinen Geschwistern ist dies noch kaum möglich. Und die Mehrheit schweigt weiterhin, denn die Torturen wirken. Deshalb fordere ich weiterhin

      HOLT DIE KINDER AUS DEN HEIMEN!

      Nicht Berufstätige sind gefragt, sondern Menschen als Vorbilder und das „rund um die Uhr“. Wer glaubt, vielen etwas bieten zu wollen, bietet letztlich niemandem besonders viel. Es ist wichtig, sich auf wesentliches zu konzentrieren. Für die Kindererziehung im Kleinkindalter bedeutet dies, sich nur so viele Kinder zu holen, wie man mit seiner gesamten Privatheit erziehen kann. Staatliche Erzieher/innen können dies aufgrund ihres Berufsverständnisses und der Ausrichtung auf einen zeitlich organisierten 8 Stunden-Tag (ein Drittel eines 24stündigen Tages) an fünf Arbeitstagen pro Woche nicht leisten.

      1.4. Das Leben ist im ständigen Fluss! Suche nach Identität, wer bin ich?

      Nachdem ich vom siebten bis vierzehnten Lebensjahr im Kinderheim war, kam ich anschließend zu Pflegefamilien (insgesamt zwei). Bei den ersten Pflegeeltern waren Günter und ich noch zusammen (ca. ein halbes Jahr), anschließend trennten sich unsere Wege. Bei den zweiten Pflegeeltern wurde mir die schulische Qualifizierung ermöglicht bis zum Abitur. Zu Beginn der zweiten Pflegschaft brach der Kontakt mit meiner leiblichen Mutter. Ich wollte sie nicht mehr sehen, da ich keinerlei Hoffnung hatte, dass sie die Erziehung noch ausüben könnte. Sie kam dann auch nicht mehr. Nachdem ich nach dem Abitur noch erfolgreich studierte, habe ich anschließend das erste Buch geschrieben. Nach Fertigstellung des ersten Buches suchte ich dann wieder den Kontakt mit meiner leiblichen Mutter, um mir und meinen Geschwistern weitere Fragen beantworten zu können. Obwohl meine Geschwister noch nicht bereit waren und zum Teil auch heute noch nicht bereit sind, den Kontakt zu finden, wollte ich es nun doch wissen. Was bewog mich dazu?

      Mir fehlte noch ein Teil meiner wahren Identität. Ich wollte Klarheit, wer nun meine Eltern sind und was sie mir in meinem Verhaltensrepertoire mitgegeben haben. Was war dran an der Aussage einer Pflegemutter: „Du kannst nur von Deinem Vater geerbt haben!“ Die Pflegemutter hatte einige Male meine leibliche Mutter kennengelernt.

      Es gab noch weitere Beweggründe, die mehr oder weniger wichtig sind und die ich hier nicht alle aufzählen möchte. An verschiedenen Stellen dieses Buches werde ich den einen oder anderen Aspekt hervorheben. Letztlich ist es nicht so wichtig, die einzelnen Beweggründe vollständig zu kennen. Es war eine innere Kraft, die mich dazu bewog, meine Eltern zu finden.

      Wie suchte ich meine Eltern?

      Ich suchte zunächst nur meine Mutter, da ich sie noch in Erinnerung hatte. Meinen Vater kannte ich nicht. Ich setzte an dem Ort an, wo meine Mutter und ich zuletzt wohnten und wandte mich an den damaligen Sozialarbeiter. Dieser schrieb mir sogar recht schnell zurück und teilte mit, dass meine Mutter sich am Tag x nach Ort y abgesetzt hat. Ich schrieb Ort y an. Das zuständige Gemeindeamt schrieb, dass sich meine Mutter zwar angemeldet hatte, aber seit einiger Zeit unabgemeldet verzogen ist. Dann erinnerte ich mich an den Hinweis von Doris, dass sich unsere Mutter zuletzt von Ort Z gemeldet hatte. Ich schrieb Ort Z an und hatte Erfolg. Meine Mutter war dort wohnhaft. Ich war froh, dass die Suche doch ein recht schnelles Ende fand.

      Das erste Treffen verabredete ich mit ihr allein. Da sie sehr weit weg wohnte, holte ich mir für eine Nacht ein Hotelzimmer. Sie hat keine eigene Wohnung und lebt in einer Frauenunterkunft einer sozialen Trägerschaft. Die Frauen werden dort von Sozialarbeitern betreut. Insofern suchte auch die betreffende Sozialarbeiterin den Kontakt mit mir. Es СКАЧАТЬ