Durch die Bank. Dieter Lüders
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Durch die Bank - Dieter Lüders страница 3

Название: Durch die Bank

Автор: Dieter Lüders

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия:

isbn: 9783737565554

isbn:

СКАЧАТЬ musste versteuert werden. Also gab man es aus, für große Autos zum Beispiel. Das hielt die Mitarbeiter bei Laune und war somit ein Gehaltsbonus, erinnerte sich Claudia.

      Er sah gut aus. Ende dreißig musste er sein. Er blickte zu ihr herüber. War es Zufall oder Gewohnheit? Er hatte sich vorgenommen, dass er sich Ampelflirts abgewöhnen wollte. Keine Blicke mehr auf Frauen und keine Gedanken an weibliche Wesen. Nach wenigen Monaten war für ihn an diesem Vormittag erneut eine Beziehung den Bach runter gegangen. Marlene war Geschichte. Manuel hatte die Reisetasche mit den letzten Sachen im Kofferraum seines Wagens. Mit den wichtigsten Übernachtungsutensilien, dem Rasierer und der Zahnbürste fuhr er ins Büro. Manuels und Claudias Blicke hatten sich getrennt. Der Verkehr erlaubte wieder einige Meter. Manuel zog vor und setzte sich vor sie. Es stockte noch einige Male. Doch dann löste sich der Knoten, und es ging weiter, als wäre nie etwas gewesen. Claudias Laune erfuhr einen Quantensprung, sie schaffte es sogar noch einmal, den vierten Gang zu benutzen. Fünf Jahre war sie wohl nicht mehr hier gewesen, schätzte sie. Es hatte sich viel getan, Neubauten, wo sie nur hinsah. Auch die Sonne schien. Es war Mai, und sie hatte nach zwei Jahren wieder einen neuen Job. Schwierigkeiten gab es immer, und so ließ sie sich in ihrer Stimmung nicht beirren, bis sie ihr Fahrtziel fast erreicht hatte.

      „Perlenkette“ nannten manche die Gebäude an der Großen Elbstraße. Die Strahlen der mittäglichen Maisonne glänzten auf den Wellenbergen der Elbe wie die vielen tausend funkelnden Sterne einer Feuerwerksrakete. Eine Linienfähre des Hamburger Verkehrsverbundes, die vom Fischmarkt bis nach Finkenwerder zu der Flugzeugwerft unterwegs war, bahnte sich ihren Weg durch die Wogen. Die Gischtwolken aus Elbwasser stoben auf wie das Gefieder weißer Schwäne. Es war nur ein Blick, den sie erhaschen konnte. Aber er blieb ihr im Gedächtnis. Sie fuhr sehr schnell, der Sportwagen vor ihr bestimmte das Tempo. Die Höchstgeschwindigkeiten in geschlossenen Ortschaften schienen hier nicht zu gelten. Sie kam kaum hinterher, so zog der Wagen vor ihr davon. Dann konnte sie sehen, dass er auf genau den selben Parkplatz fuhr, den sie auch befahren wollte. Aber da war eine Schranke. Und genau die schloss sich vor ihrer Kühlerhaube und hinderte sie an ihrer pünktlichen Ankunft.

      Der Fahrer des Sportwagens stellte seinen Wagen einfach ab. Er parkte nicht ein oder machte sich Gedanken über Parkplatznot und Stellplatzmangel. Er bremste neben einer großen Limousine, und das nannte er einparken. Er stieg aus und wollte in das Gebäude gehen, aber er wurde aufgehalten von Peter Schlüter. Einen Meter und achtzig groß, schlank, ein hageres Gesicht und ziemlich helles Haar. Nicht nur grau, fast weiss.

      „Den Schlüssel!“, herrschte Peter den Sportwagenfahrer an.

      Claudia war inzwischen aus ihrem Auto gestiegen und hörte das mit. Sie suchte an dem Kasten, in dem der Schlagbaum endete, nach einer Möglichkeit, um ebenfalls auf den Parkplatz gelangen zu können. Doch da war nichts. Sie sah zu den beiden. Der braungebrannte Sportwagenfahrer gab Peter die Zündschlüssel und ging die Treppen zur Bank hinauf. Claudia suchte noch immer nach einem Münzeinwurfschlitz oder einem Parkscheinauswurfschlitz, während Peter Schlüter in den Sportwagen einstieg und ihn sorgfältig neben seine eigene schwere Limousine zirkelte. Dann ließ Peter Schlüter die Seitenscheibe herab und erkannte, dass er Maßarbeit geleistet hatte. Zentimetergenau hatte er den Sportwagen an die Markierungslinien gestellt. Claudia wunderte sich: was für ein verrückter Chef... Sollte dieser Chef namens Peter Schlüter einen Junior-Schlüter haben, dann musste er es gewesen sein. Der braun gebrannte Sportwagenfahrer, der ihr vor wenigen Minuten zugelächelt hatte.

      Claudias Zweifel, ihre Bedenken, ihre Vergangenheit und ihre familiär grauen Schleier auf der Seele teilten sich. So wie sich einst das Meer für Israel auf der Flucht aus Ägypten in zwei Hälften teilte und einen neuen Weg freigab. Steine fielen ihr nicht vom Herzen, es gab keine Steine mehr. Plötzlich gab es in ihrem Herzen nur noch Schäfchenwolken, die ihr den Himmel versprachen. Sie hatte keine Gedanken mehr, sie hatte nur noch ein Gefühl, und es fühlte sich gut an. Zwar war die Schranke vor ihrem Auto noch zu, der Motor ihres Wagens lief noch, und niemand schien sich um sie zu kümmern. Aber das sollte sich schnell ändern. Peter Schlüter hatte sich inzwischen aus dem Sportwagen geschält und kam auf sie zu.

      „Frau Petersen!“, rief Peter Schlüter ihr zu.

      Er kam näher und reichte ihr zur Begrüßung die Hand.

      „Hallo.“

      „Entschuldigen Sie bitte, ich kann Sie nicht reinlassen.“

      Claudia durchfuhr ein Schreck, sie dachte schon an etwas anderes.

      „Mein Sohn hat mir nur seine Wagenschlüssel gegeben. Warten Sie, ich hole die Fernbedienung für die Schranke.“

      Claudia setzte sich in ihr Auto und schaltete den Motor aus. Sie sah, wie Peter Schlüter zur Treppe eilte und noch versuchte, seinen Sohn einzuholen. Aber der war längst im Gebäude verschwunden.

      Warten. Claudia stand da wie bestellt und nicht abgeholt. Ihre Gedankenmaschine kam wieder in Gang. Sie starrte auf die „Perle an der Elbe“, ein Glashaus, teuer und nobel. Das Zweite Deutsche Fernsehen funktionierte dieses Haus oft in die >Hafenklinik< an der Hafenkante um. Ein Sternekoch, der auf einem Privatsender eine coaching-show leitete, hatte ein Haus weiter sein Restaurant. Claudia hatte es in den USA oft im Fernsehen gesehen: Diese Adresse war eine der ersten Adressen der Stadt. Und Horst, Claudias Vater, hatte es sich mit diesen „Söhnen der Stadt“ gründlich verdorben. Hier Glanz und Gloria, und dort ein fahnenflüchtiger Landmaschinenhändler, der sich im Alkohol erging.

      Claudia musste nicht lange warten. Manuel Schlüter kam selber die Treppen herunter geeilt. Er fuchtelte mit einem elektronischen Schlüssel für die Schranke. Sie hob sich, sie senkte sich. Er fand es witzig, wie die Schranke seinem Daumendruck auf dem Sender folgte. Er verlangsamte seinen Schritt und hielt inne.

      „Frau Petersen?“, fragte er und war nur noch wenige Meter von ihr entfernt.

      „Herr Schlüter?“, entgegnete sie.

      Sie sahen sich an. Es waren Blicke, die tiefer nicht hätten sein können.

      Claudias Puls schnellte hoch. Der „Sunny-Boy“ hatte sie angesprochen. Es musste für sie wie an einem Samstag Abend gewesen sein, als wenn man im Sekundentakt seine Lottozahlen ihm Fernsehen nach und nach fallen sah. Sein Gang, seine Frisur, seine Wangengrübchen, seine Krawatte. Und das weiße Hemd schaute vier Zentimeter unter seinen Sakkoärmeln hervor. Die Manschettenknöpfe waren garantiert aus echtem Gold. Und weiße Zähne hatte er. Konnte er gut küssen, konnte er tanzen? Claudia durchfuhr es heiß und kalt. Wen interessierte jetzt noch die Trunksucht des Vaters?

      Johann Wolfgang von Goethe, der bewusste Geheimrat, formulierte in seinem „Heinrich Faust“ auf dem Osterspaziergang: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein“. Claudia erinnerte sich in ihrer Euphorie an diesen Ausspruch und auch an ihre Chance. Wie gut, dass ich diesen Job bekommen habe, dachte sie. Hier geht vieles, hier ist alles möglich. Hamburg, meine Heimat, das Tor zur Welt, endlich daheim.

      Sie vergaß ihr USA-Desaster und reichte Manuel Schlüter zur Begrüßung die Hand. Sie vergaß ihren Vater und ihren Job, sie war hin und weg. Manuel Schlüter war ihr Hauptgewinn, als Kollege zumindest. So empfand sie es in diesem Moment.

      „Ich mache Ihnen die Schranke auf“, sagte er dann.

      Claudia konnte sich kaum von seinem Lächeln lösen. Er drückte auf die Taste seiner Fernbedienung, und die Schranke öffnete sich.

      „Was ist?“ fragte er.

      Sie stieg in ihren Wagen und fuhr unter der offenen Schranke hindurch. Manuel sah ihr zu, und sein Herz schlug schneller. Ob sie verheiratet war? Solche jungen Frauen waren normalerweise vergeben. Zumindest hatten sie einen großen СКАЧАТЬ