Marx und Nietzsche mischen sich ein - Die heillose Kultur - Band 1.1. Dr. Phil. Monika Eichenauer
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СКАЧАТЬ die ständige Zerstörung des immer wieder Geschaffenen voraus. Aber eben nicht für alle: Es trifft diejenigen, die wirtschaftlich abhängig sind. Das Geschaffene wird zerstört, damit sich der Profit vermehrt – das ist die ganze Wahrheit. Heute hilft kaum noch ein Mensch dem anderen. Heute sammelt jeder im übertragenen Sinne Steine für sich allein, um sich etwas aufzubauen – was aber dem Großteil der Bevölkerung nicht gelingt oder kaum noch möglich ist. Denn ihr Leben, ihre Arbeitskraft ist so berechnet, dass es nicht gelingen kann, in Ruhe zu leben.

      Wenn heute ein Mensch zerlumpt die Straße entlang geht, wird er verachtet: Er hat es nicht geschafft, im Kapitalismus zu bestehen.

      Das deutsche Volk fühlte sich befreit durch die amerikanischen Besetzer! Moral und Ethik wurde wieder unter Aufsicht eingeführt, die in der Nazizeit ihrer humanistischen Grundlagen entkleidet, funktional einer diametral entgegen gesetzten, antihumanistischen Machtideologie zur Handlungsgrundlage diente.

      Wer soll Deutschland heute noch retten? Wer rettet heute die Menschen vor kapitalistischen Interessen und einer inhumanen Zweiklassengesellschaft? Dieses wieder Ingangsetzen von Moral, Ethik, Recht und Ordnung, was dem deutschen Volk nachhaltig durch die eigene Regierung ausgetrieben und genommen worden war, von AUSSEN ist das beschämende und hemmende in der Verarbeitung dieser geschichtlichen Epoche: Die deutsche Regierung der Hitlerzeit handelte gegen die menschlichen Interessen seiner Bürger und machte ihnen mit Heilsversprechungen glaubhaft, was sich als völliges Gegenteil erwies! Ich glaube sagen zu können, dass der Großteil der Bevölkerung selbst unter sehr großem Druck stand und Angst hatte, die sie nicht zeigen durfte. Denn die Angst war Hinweis darauf, dass sie etwas wussten, was sie besser nicht gewusst hätten und öffentlich bestritten, wenn sie gefragt oder konfrontiert wurden.

      Da das Ausmaß dessen, was sie wussten, durch die Realität bei Offenbarwerden des tatsächlichen Ausmaßes gesteigert wurde, blieb es in weiten Teilen der Bevölkerung so: Man wusste nichts.

      Und heute? Menschen haben immer noch Angst. Sprechen nicht, treten nicht für humanistische Grundprinzipien ein, die da lauten könnten: Es gibt keinen demokratischen Beschluss in Deutschland, zur Einteilung von Menschen in eine Zweiklassengesellschaft. Es gibt keinen demokratischen Beschluss für Armut – oder habe ich da irgendetwas nicht richtig verstanden? Wie vereinbaren sich diese Entwicklungen mit dem Grundgesetz? Es gibt wirtschaftliche Entscheidungen der Unternehmer – und es gibt politisches Handeln, das sich diesen Beschlüssen der Manager für Globalisierung angeschlossen hat. Es gibt weiter keinen Beschluss für eine Zweiklassenmedizin! Es gibt keinen Beschluss, das Heilungsprinzip und Heilung abschaffen zu wollen!

      Damals verwehrten sich viele Menschen sich ihre eigenen, wahren Ängste und Gefühle klar zu machen. In Kriegszeiten und Hitlers Regime hatten sie bereits das Schweigen als Reflex und Abwehrmuster ausgebildet und blieben auch nach dem Krieg in dieser dann wiederum politisch begründeten reflexartigen Abwehrhaltung, die sich als generelle Lebensangst manifestierte: Sie schämten sich angesichts des Ausmaßes des geschehenen Unrechts. Schämt sich heute ein Mensch in Deutschland aufgrund des unter unseren Augen vollzogenen Abwertungsaktes mittels Verarmung, Niedriglohngruppen, Unterbezahlung – nein. Es scheint eher so zu sein, dass die Betroffenen sich schämen, da gelandet zu sein, wo sie nun sind – und die Übrigen haben Angst auch dort zu landen. Werden Menschen gefragt, wie sie das ausgehalten haben, mit der ständigen Angst während des Krieges zu leben, die Bombenangriffe auslösen müssen, dann kommt die Antwort, dass sie in den Keller oder Bunker gelaufen sind – wie alle anderen Menschen eben auch. Das Grauen und die Lebensbedrohung wurde zu etwas Gewöhnlichem, mit der man zu leben hatte – es ging allen so.

      Ich schließe mich dem Psychoanalytiker Ermann aus München an, der Fallbeispiele von im Krieg traumatisierten Menschen wie seine eigene lebensgeschichtliche Reflexion beschreibt. Eine Bedrohung, die so groß ist, dass man die eigene Angst nicht mehr spüren darf, weil man sonst, angesichts des Schreckens, wie gelähmt wäre und sich nicht retten könnte! Also lähmt Schock wie Trauma Gefühle und lässt die Lähmung der Gefühle als Existenzsicherungsreflex erscheinen.

      Die im Krieg freigesetzte zerstörerische Energie betrifft meiner Meinung nach nicht nur diejenigen, die den Krieg erlebten – sie wird über die seelisch Traumatisierten in den Familien der Nachkriegszeit an die Nachgeborenen weitergegeben. Diese Erlebnisse werden in psychogenetischen Konstanten, so will ich die konzentrierten Gefühlserfahrungen unterschiedlicher Form und Ausprägung bezeichnen, weitergegeben. Sie dienen dem Erhalt von Leben – aber man muss lernen, sie zu verstehen und zu lesen.

      In Angriffssituationen dient Angst der Aktivierung von Energie zur Flucht: Nur, flüchten vor dem Krieg konnte niemand – außer, man verließ das Land.

      Fazit: Die Traumatisierung wird in dem Fall zum Lebensretter, weil sie bewerkstelligt, das eigene Leben zu schützen. In diesem Vorgang wird die Angst abgespalten. Es ist davon auszugehen, dass Menschen einen Krieg nur aushalten können, wenn sie ihre Angst abspalten.

      Diese Abspaltung hört aber nicht „irgendwie“ von allein wieder auf. Zusätzlich gab es nicht eine Schreckensmeldung im Krieg, sondern viele: Bombenangriffe, Verfolgungen, Nahrungsmangel, Todesmeldungen der Väter und Söhne an die zurückgebliebenen Frauen und Mütter – und Judenverfolgung und Judenvernichtung. Ob Menschen sich an Grausamkeit und Todesangst gewöhnen, bleibt aufgrund des heute vorliegenden Wissens nur eine rhetorische Frage: Sie gewöhnen sich nicht. Das lässt sich aus den Berichten von Menschen, die den Krieg miterlebten, entnehmen: Sie erleben tiefe Schuld- und Angstgefühle, leiden unter Alpträumen und an fehlender Freude in ihrem Leben.

      Und heute? Wie gehen Menschen heute mit ihren Ängsten angesichts bürokratisch eingeleiteten Armutsverhältnissen und der Drohung an die Übrigen, sie könnten auch im deutschen Unten landen, um? Der aufgebaute Überwachungsstaat mit von allen Seiten gläsernen Bürgern, die im Fokus von Fiskus und Wirtschaft lediglich hinsichtlich finanzieller und wirtschaftlicher Zwecke in Erscheinung treten – und ansonsten kulturell, politisch und menschlich allein gelassen werden, glänzt in verharmloster Präsenz im ganzen Land. Welche Art von Freiheit in der Demokratie könnte dem gemäß auf dem Boden des Grundgesetzes bei uns im Lande herrschen? Die grenzenlose Freiheit, allein und selbst die sich aus dieser wirtschaftlich-politischen Konstellation ergebenden Probleme zu lösen?

      Damals wie heute wird das Grauen zur Normalität – nur in völlig anderen Formen. Unzählige Schicksale gäbe es zu beschreiben, wollte man diese Kriegszeit bewältigen. Wie es gegenwärtig zahllose Schicksale zu beschreiben gäbe, die erzählten, wie die wirtschaftlichen Globalisierungsentscheidungen Familien zerstören, Völker und Kulturen auseinander treiben und ebenfalls zerstören. Es wären Geschichten, die direkt an die Entscheidungen von Managern, die dieses Deutschland in den letzten fünfzig Jahren maßgeblich gestalteten, anzufügen wären.

      Ein höchst brisantes und – heute mehr denn je – vorrangig zu bearbeitendes Thema, nicht nur im Rahmen einer „formalen Vergangenheitsbewältigung“, sondern auch unter der Perspektive der Gewöhnung: Wie Existenzangst zur Normalität wird, über die sich kaum noch ein Mensch aufregt, weil sie ja viele Menschen betrifft. Damit wird eine Notwendigkeit im Hinblick auf die eigene Verantwortung für das eigene Leben und für das der eigenen Kinder in der Gegenwart abgeschafft. Heute.

      Erinnert sei noch einmal, dass traumatisierten Menschen nicht der Gefühlsradius zur Verfügung steht, um Nähe zu Familienangehörigen lebendig werden zu lassen. Sie können in ihrem Gegenüber, aber vor allem in ihren Kindern, den emotionalen Reflex von Sicherheit und Geborgenheit nicht entstehen lassen. Die Betroffenen leben nur einen Teil ihrer Lebenskraft – der Rest bleibt hinter der Wand der Traumatisierung gefangen. Kinder, die ihre Eltern so erlebt haben, spüren stets einen Mangel an Halt und eine gewisse existenzielle Unsicherheit in sich. Mitunter kompensiert von der Idee, andere zu retten (siehe Beispiel: Feuerwehrmann, Band 1, S. 171).

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