Название: Ich und der Fisch, der Fisch und ich
Автор: Dorothea Doris Tangel
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная психология
isbn: 9783738004403
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Sie füllten mich, als meine Freundinnen nicht da waren so lange ab bis ich nicht mehr aus den Augen gucken konnte. Komm, trink noch ein Bier, sagten sie ständig und drückten mir das nächste Glas in die Hand und meinten: auf Ex! und dann beschlossen sie (alle!), mich unbedingt nach Hause fahren zu müssen: du kannst ja kaum noch stehen. Wie hilfsbereit…
Ich wachte im Wald, auf der Rückbank wieder auf, obwohl ich vorher vorne gesessen hatte, während einer mich bestieg und die anderen draußen herumstanden und lachten. Ich konnte mich weder bewegen, noch meinen Kopf zur Seite drehen, denn ich wollte ihn nicht ansehen müssen, ich wollte weg von ihm, aber meine Arme waren Blei und dann hörte ich noch wie er fragte: wer ist der nächste? Ich wachte wieder auf als ich vor unserem Haus aus dem Auto fiel und auf allen vieren über die Straße kroch. Da half mir keiner von den hilfsbereiten Männern.
Danach kotze ich stundenlang aus dem kleinen Fenster neben meinem Etagenbett und mein Vater zerrte an mir herum weil er meinte ich wollte aus dem Fenster springen.
Von da an zog ich es vor wie ein Junge auszusehen und trug in der Öffentlichkeit keine Röcke mehr. Ich versteckte mich fortan unter weiten dunklen Pullis. Ich wollte nicht daß man meine weiblichen Rundungen sieht. Bis ich 30 war hielten mich viele Fremde für einen Typen, was ich mochte, denn das bedeutete sie ließen mich in Ruhe. Ich fand, Frau sein, kein sicherer Ort!
Haschisch war mir lieber, es machte die Leute nicht aggressiv und war außerdem natur pur und, was mir das wichtigste war: dort wo die Kiffer waren, waren die verheirateten Männer des Fußballvereins, die so auf 14 jährige Mädchen standen nie anzutreffen.
Die Haschischleute ließen mich in Ruhe und behandelten mich wie einen Menschen. Bei ihnen konnte ich sein wie ich bin, ohne ein Geschlecht haben zu müssen. Obwohl ich Bier bald nicht mehr mochte, es schmeckte einfach furchtbar, schaffte ich es auch da lange nicht die Finger davon zu lassen.
Später stieg ich dann um auf Wein und Whisky und dachte das sei eine Alternative, nur weil es einen anderen, für mich unvorbelasteten Geschmack hatte und ich bekam eine Stimme wie Janis Joblin. Wofür ich auch wieder gelobt wurde. Aber mir war meine eigene Stimme lieber, auch wenn ich Janis Joblin liebte, aber ich wollte nicht die Imitation eines anderen sein, wenigstens in der Kunst, ich traute mich ja so schon kaum eine eigene Meinung zu haben.
Mein unstillbarer Hunger nach Betäubung brachte mich in gefährliche Situationen und ich schämte mich, bis ich 35 war einem Menschen von diesem Vorfall zu erzählen, weil ich mir die Schuld daran gab. Ich hätte ja das viele Bier nicht trinken und nicht in ihr Auto steigen müssen!
Es gab auch keinen Rückzugsort bei uns zu Hause, zum Nachdenken und Reflektieren, da wir Kinder kein Zimmer hatten. Ich konnte nie ungestört sein vor den Augen meiner Familie und musste mich in der Toilette umziehen als in der Pubertät die Scham einsetzte. Unser Bett stand in einem engen Durchgang zwischen Küche und dem Schlafzimmer der Eltern, natürlich ohne Türen, und es gab keinen Raum in dem man sich aufhalten oder Mal eine halbe Stunde alleine sein konnte, ohne das einer Kommentare abgab oder Fragen stellte. Ich hatte irgendwie kein Privatleben und war immer mit den Stimmungen der anderen beschäftigt, um mich zu schützen als meine eigenen Befindlichkeiten wahrnehmen zu können.
Ich konnte auch gar nicht darüber reden was mir da alles passierte und dass ich mich nie beherrschen konnte, da zu Hause schon so ein Exemplar meiner Spezies herumsaß. Dieses Thema war tabu und es war böse. Wir hatten schon genug Schwierigkeiten damit, da konnte ich nicht auch noch mit meinen eigenen Problemen ankommen!
Auch wenn der Vater nichts anderes tat als saufen und es jeden Tag meines gesamten Lebens schon um nichts anderes als um seinen Alkoholkonsum, der unseren ganzen Alltag bestimmte gegangen war, sollte ich es anders wissen. Ich kannte es gar nicht anders. Ich hatte nie etwas anderes gesehen! Ich fragte mich lange: was machen eigentlich Leute abends, die nicht trinken?
Wie sieht es in einer ganz normalen Familie aus? Sitzen die abends zusammen, essen und reden womöglich freundlich miteinander? Ich weiß es bis heute nicht und fühle mich auch schnell bedroht von regelmäßigen Tagesabläufen und Essen um 1 und zu viel Nähe. Wenn es intim wird, wird mir immer erst einmal schlecht. Man weiß ja nie!
*
Doch bin ich (trotz meiner Geschichte oder gerade deswegen) für die Legalisierung von Drogen und ganz speziell Cannabis und habe nie verstanden warum Haschisch verboten und Alkohol erlaubt, ja sogar gesellschaftsfähig ist. Man fällt sogar unangenehm auf wenn man den teuren Wein beim Diner oder den Verdauungsschnaps danach verschmäht.
Wie oft bekomme ich ungefragt einen Schnaps hingestellt wenn wir alle in einem Lokal essen sind und die Rechnung kommt. Meistens schnauze ich dann die Kellner an, da ich will dass sie sich bewusstwerden dass es Leute gibt, für das eine Rückfallgefährdung bedeuten kann. Beim nächsten Mal fragen sie vorher, wer einen will. Auch der Sekt, der morgens um 11, wenn einer auf der Arbeit Geburtstag hatte herumgereicht wurde, durfte nicht abgelehnt werden ohne daß einer beleidigt war. Ich konnte danach nie weiterarbeiten und der Tag war für mich gelaufen.
Also tat ich irgendwann so als würde ich trinken und leerte das Glas, wenn keiner in meine Richtung sah unauffällig in die Spüle und behielt aber noch das leere Glas in der Hand. An Sylvester hob ich einfach die leere Hand in die Höhe und rief Prost Neujahr, damit mich keiner nötigte.
Ich hasste die ewigen Diskussionen, als ich den Alkohol endlich hinter mir gelassen hatte, dass es doch nur „mir zuliebe“, und „es ist doch mein Geburtstag“ oder „ komm´, nur ein Glas weil heute Sylvester, Weihnachten, Ostern und der Weltuntergang“ ist. Ich wollte nicht mehr darüber reden, ich wollte mich nicht rechtfertigen müssen, ich wollte es nicht tun und ich wollte nicht ständig daran denken müssen.
Es ging doch keinen etwas an was ich in meinen Körper hineinschütten wollte oder nicht. Einem trocknen Alkoholiker empfiehlt man doch auch nicht als Kellner in einer Kneipe zu arbeiten.
Aber kaum einer wusste davon, denn auch das war irgendwie ein Tabuthema, obwohl gerade ich doch stolz darauf hätte sein können. Aber ich war es nicht, zeigte es doch nur dass ich Probleme damit hatte. Und Probleme waren schlecht, ganz schlecht, dachte ich damals!
Einmal fragte mich ein Mann, den ich auch noch hochinteressant fand und für den ich gerade starke Gefühle der Zuneigung entwickelte, ob ich denn mit dem Alkohol Schwierigkeiten hätte? Er hatte beobachtet, wenn wir abends noch alle zusammen saßen und gemeinsam aßen und redeten dass ich den Wein immer ablehnte. Den anderen war das nicht aufgefallen. Er schaute mich dabei so dramatisch an dass ich mich ertappt fühlte. Jetzt wusste er dass ich nicht perfekt war. Wie soll mich so einer mögen können?
Ich gewöhnte mir an, wenn jemand besorgt fragte: „willst du denn nichts trinken?“ und der ganze Saal entsetzt in meine Richtung guckte, schnell zu sagen: „ich habe gerade keine Lust!“. Das half und schützte mich vor unangenehmen Fragen. Sonst starrten einen alle immer so komisch an und sofort fing eine lautstarke Diskussion über dieses Thema an und viele fühlten sich dann auch noch in Frage gestellt, nur weil einer etwas anders tat als der Rest.
Ich war dann doch nur wieder mit den Angelegenheiten anderer beschäftigt und meine eigene blieb auf der Strecke. Ich wollte in Ruhe ich selber sein dürfen, ohne mich ständig dafür entschuldigen zu müssen. Aber genau daran musst ich mich gewöhnen: auch Mal anders sein zu können ohne gleich zusammenzubrechen weil einer kritisch oder beleidigt guckte.
Das war mir am Anfang aber СКАЧАТЬ