Название: Am Rande. Eine Bemerkung
Автор: Anna Lohg
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742722935
isbn:
Am Rande.
Am Rande. Eine Bemerkung.
2018
Alle Rechte vorbehalten
Anna Lohg
Inhaltsverzeichnis:
Am Rande.
Eine Bemerkung.
II. Kapitel
III. Kapitel
IV. Kapitel
V. Kapitel
"Sie sollten doch einen Rock anziehen.", lautet die Begrüßung.
"Willkommen im 21. Jahrhundert.", nuschele ich mehr zu mir selbst.
"Was?"
"Wir schreiben das 21. Jahrhundert.", sage ich laut und schaue ihn direkt an.
"Was tut das hier zur Sache?"
"Stimmt.", erwidere ich nachdenklich. "Eigentlich tut das gar nichts zur Sache. Das 21. Jahrhundert ist kosmisch betrachtet ein Witz und evolutionsgeschichtlich auch nicht der Rede wert."
"Was reden sie da?" Er verliert die Geduld, die er sowieso nicht hat.
"Ich meine, sie haben Recht.", wiederhole ich. "Das 21. Jahrhundert ist nichts weiter als eine willkürliche Zeiteinteilung ohne weitere Bedeutung. Ob sie von mir wollen, dass ich mir einen Rock anziehe oder auf dem Mars eine Sonde den Boden umpflügt, das steht in keinerlei Zusammenhang."
"Meine Güte!" Aus ihm spricht nunmehr pure Fassungslosigkeit. "Sie stellen sich an! Wer ihnen zuhört, könnte meinen, ich würde sie nötigen. Sie sollen zum arbeiten lediglich einen Rock anziehen, mehr verlange ich gar nicht!"
"Und wenn ich sie höflich darum bitten würde, einen Rock anzuziehen?"
"Werden sie hier nicht albern!"
Solcherlei Auseinandersetzungen sind mir inzwischen zum Klassiker geworden, sowas passiert mir andauernd. Sei es als Aushilfskellnerin, Tresenfachkraftassistentin oder Hostesschen überall die gleiche Chose. Angeblich seriöse Arbeitgeber, also nichts wo ich mein Hühnerbrüstchen an die frische Luft halten müsste, nee, aber unbedingt einen Rock anziehen. Ich kann Röcke nicht ausstehen und ich werde gewiss keine anziehen, bloß um zu beweisen, dass ich problemlos im stehen pissen kann. Aber es ist vollkommen gleichgültig was ich will, bei einem Einstellungsgespräch spielt das überhaupt gar keine Rolle. Und garantiert fällt irgendwann dieser eine auffordernde Satz.
"Dann kommen sie morgen in schwarzem Rock und weißer Bluse." Wahlweise in anderen Farben.
"Geht es auch in Hose?". Gewissenhaft stelle ich jedes Mal dieselbe Frage.
"Nein, das geht nicht.", heißt es dann. "Sie müssen im Rock erscheinen."
"Warum nicht in Hose?". Jedes Mal eine berechtigte Frage.
"Sie wollen sich doch nicht von den anderen abheben, oder?" Das soll ein Appell an meine Solidarität sein. "Sie ziehen einen Rock an, damit sie die gleiche Uniform tragen wie alle anderen."
"Wie?", tue ich überrascht. "Kommen die Jungs auch im Röckchen?" Das finden die meisten gar nicht komisch.
"Lassen sie den Unsinn." Als herrsche über die Definition von Unsinn absolute Einigkeit. "Frauen bedienen im Rock!" Das ist das Diktat, steht vermutlich schon so in der Bibel und sei daher unsinnsfrei.
"Das wird ihnen gar nicht gefallen." Normalerweise lasse ich mich auf solcherlei Auseinandersetzungen erst gar nicht ein, weil ich sowieso eine Hose anziehen werde, ich habe nämlich gar keinen Rock. Aber hin und wieder reize ich das Thema aus. "Wenn sie meine Beine sehen, werden sie sich wünschen, ich hätte eine Hose an."
"Wieso? Haben sie Warzen?" Fragen dieser Art changieren zwischen Mitleid und Ekel.
"Nein, Haare. Üppiges, langes, schwarzes Haar." Das ist gar nicht mal gelogen.
"Na, das hat doch eine einfache Lösung." Die Erleichterung über den Mangel an Warzen ist sichtlich, tröstlich weil es für seine ästhetischen Probleme eine leichte Abhilfe gäbe. "Dann rasieren sie sich die Beine. Das ist doch keine große Sache."
"Und was kommt als nächstes?", will ich dann wissen. "Haare färben, Nägel lackieren, Lippen röten, Rouge auftragen, Brauen zupfen, Wimpern tuschen, Schmuck anlegen, Duftwasser wechseln, Pupillen erweitern, Nase richten, Brust СКАЧАТЬ