Freie Republik Lich - 2023. Stefan Koenig
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Название: Freie Republik Lich - 2023

Автор: Stefan Koenig

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Zeitreise-Serie

isbn: 9783753191294

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СКАЧАТЬ Natürlich mit vorläufiger Veröffentlichungssperre. Dazu die Grundsteuer. Da kommt ja was zusammen! Das glaubt einem ja keiner! Sie wollen ja das Stadtparlament baldmöglichst auf Ihre Seite bringen, sobald Sie selbst von dem Vorhaben hundertprozentig überzeugt sind.“

      Groß nickte nichtssagend. Er war bereits hundertprozentig überzeugt, wollte es aber noch nicht zeigen. Schon gar nicht gegenüber einer einfachen Schreibkraft.

      Die Chefsekretärin bewunderte das Stadtoberhaupt. „Warum eigentlich?“, hatte kürzlich ihr eifersüchtiger Mann gefragt.

      „Weil er zielstrebig ist. Weil er eine steile Karriere hingelegt hat“, hatte sie geantwortet. Sie hatte nicht einmal ihrem Ehemann von dem geheimen Vorhaben und dem in Aussicht stehenden Geldregen berichtet, obwohl es ihr auf der Zunge brannte.

      Der Rathauschef hatte sie in die Geheimhaltungspflicht genommen. „Wenn etwas über die konkreten Absichten der Wüst AG vorzeitig herauskommt, Frau Demuth, kann das gesamte Projekt scheitern. Ich muss Sie ausdrücklich bitten, hundertprozentige Vertraulichkeit zu gewährleisten. Selbst Ihr Mann darf keine Einzelheiten von diesem Projekt erfahren.“

      Daniela Demut hatte ihrem Chef in die Hand versprochen, eisern zu schweigen, damit das gute Vorhaben nicht vorzeitig von nörgelnden, aber völlig unwissenden Bürgern zum Scheitern gebracht werden konnte.

      Ihr Mann war im Sinne von Arturo Groß tatsächlich ein Sicherheitsrisiko. Er mochte Groß nicht; er konnte ihn auf den Tod nicht leiden. Neulich hatte er ihn als einen typischen Politkarrieristen bezeichnet. „Menschen ohne echte politische Ideale versauen unsere politische Landschaft“, hatte er gemeint. „Sie denken nur an sich, nur an ihr eigenes Vorankommen, boxen die parteiinternen Idealisten aus dem Rennen, wenn es um Parlamentssitze geht. Die verkaufen ihre Seele und selbst ihre Großmutter, wenn es um ihre Karriere geht.“

      Daniela Demuth schüttelte den lästigen Gedanken an jenen Disput mit ihrem eifersüchtigen Gatten ab und schaute den Rathauschef abwartend an. Groß warf ihr einen Vertrauen heischenden Blick zu. Frau Demuth lächelte beflissen zurück. Sie vertraute ihrem Vorgesetzten hundertfünfzigprozentig. Sie hielt ihn keinesfalls für einen Karrieristen. Oder aber nur dann, wenn man alle Parteileute zu Karrieristen erklärte, was jedoch nicht sein konnte, denn sie kannte darunter eine Menge armer Schweine. Sie hielt Herrn Groß für einen großartigen Politiker, weil er viel besser reden konnte als ihr Mann.

      „Soll ich Ihnen außer dem Kaffee noch irgendeine Lektüre oder die Rufnummer von MyClo besorgen?“, fragte sie in der ihr eigenen Beflissenheit.

      Bürgermeister Groß nickte dankend. Schon in ein paar Tagen würde er die Dame aus dienstlichen Gründen versetzen. Ein Personalkarussell war angesagt. „Wechseln Sie in nächster Zeit Ihre Sekretärin aus, ohne sie zu verprellen“, hatte ihm Dr. Wüst empfohlen. „Geben Sie ihr irgend einen ruhigeren Job ohne Gehaltseinbußen. Es ist in solchen Fällen wichtig, dass niemand aus der näheren Umgebung die Entwicklung in ihren gesamten Zusammenhängen erkennen kann. Sonst könnte man später leicht zum Opfer von Erpressungsversuchen werden.“

      Als Frau Demuth die Tür hinter sich zugezogen hatte, steckte er sich die von Dr. Wüst spendierte Havanna an. Ein entspanntes, ja frohes Lächeln umspielte seine schmalen Lippen. Er rieb sich die Augen, eine der Kontaktlinsen saß nicht richtig. Während er vor dem Spiegel im Innenteil des Büroschrankes die Linse wechselte, ging ihm die Abmachung mit dem Investor durch den Kopf.

      Gut, dass Wüst und ich das alles längst privat eingetütet haben. Man muss in diesem Land Theater spielen. Und es muss überzeugend sein. Und übrigens, seine Frau hatte es richtig auf den Punkt gebracht: Machen es die andern nicht genauso? Sogar in Berliner Kreisen wird gemauschelt und man ist sich gegenseitig beim Erklettern der Karriereleiter behilflich. Ist doch alles ganz normal. Er gab sich einen Ruck und berichtigte seine Gedanken: Mauscheln ist ein völlig falscher Begriff. Es geht um Geschäftsgeheimnisse, um nichts weiter! Groß war sich keiner Schuld bewusst. Er hat Probleme beim Anzünden der Zigarre; aber nun fiel ihm ein, dass er sie vorne etwas anschneiden muss.

      Schon vor einem dreiviertel Jahr hatte das erste Geheimtreffen im Steigenberger stattgefunden, im legendären »Frankfurter Hof«. Das zweite Treffen war im Sommer erfolgt und war für Groß ausreichend großzügig verlaufen. „Ist nur eine kleine Aufmerksamkeit“, hatte der Investor gesagt. Bei der dann folgenden diskreten Begegnung, der bisher letzten, hatte Groß bereits die Ehre, die Kronberger Villa des Dr. Werner Wüst von innen kennen lernen zu dürfen. Nach ein wenig Palaver und einem alten Scotch waren sie per Du, und sie waren sich einig geworden. Der Deal sollte einfach und praktikabel sein.

      Was beide wussten: Die zweite sechsjährige Licher Amtszeit für Groß lief bereits in knapp drei Jahren ab. Wiederwahl wäre zwar möglich gewesen, aber sie hatten andere Pläne … Groß musste aus dem Schussfeld genommen werden. Ein scheinbar neuer, unverdächtiger Mann musste her. Die verbleibenden Monate würden schnell vorbeiziehen. Es musste gehandelt werden; Groß musste jetzt handeln, schnell und umsichtig und sehr gut abgestimmt mit seinen parteiinternen Freunden und Feinden. Wenn er bis zum Ende seiner Amtszeit die Weichen für den Mammutbau im Stadtparlament durchgedrückt hatte, war ihm ein Managementposten im Wüst-Imperium gewiss.

      „Aber wie kann ich sicher sein, dass Sie sich an unsere Absprache halten?“, hatte Groß gefragt und seinen Kopf skeptisch zur Seite geneigt.

      „Ganz einfach“, hatte der AG-Boss lächelnd geantwortet. „Sie bekommen ab sofort, gewissermaßen auf Vorkasse, einen Beratervertrag, von dem niemand außer uns beiden und meinem Steuerberater, der ab sofort auch Ihr Steuerberater sein könnte, etwas erfährt. Die Steuerbüro-Kosten gehen natürlich auf meine Kappe. Das alles bleibt unter uns. Immerhin gilt noch das Steuergeheimnis. Und dieser Vertrag wird die Klausel enthalten, dass er hinfällig wird, sobald Sie auf einen Managementposten bei der Wüst-AG berufen werden. So handhaben wir das seit Jahren zur Zufriedenheit aller Beteiligten.“

      Groß schaute jetzt auf seine To-do-Liste. Er musste zügig handeln. Heute das Show-Treffen mit Dr. Wüst. Morgen würde er dann den Fraktionsvorsitzenden seiner Partei informieren ebenso wie die Erste Stadträtin – noch unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Dann wird er mit der Landrätin telefonieren, die er noch aus guten alten gemeinsamen Zeiten kannte – mit der Bitte um Vertraulichkeit, da dies nur als persönliche Vorab-Info verstanden sein sollte. Danach ein Gespräch mit dem Chef der Bauaufsicht des Landkreises, ein guter Parteifreund aus dem Nachbarort – ebenso streng vertraulich. Auf diese Weise, das war der Rat von Dr. Wüst, würde er ein geeignetes Netzwerk flechten können, um später auf genau dieser Vertrauensbasis zu den gewünschten Entscheidungen zu gelangen.

      „Ein einfacher psychologischer Trick“, hatte Wüst schmunzelnd gemeint, jedoch ernsthaft hinzugefügt: „So funktioniert Netzwerk! Und zwar zum gemeinsamen Wohl von Politik und Wirtschaft. Niemand kann sich übergangen fühlen, wenn auf solch ehrliche und vorinformelle Weise verfahren wird. Das ist ein unabdingbarer demokratischer Wert. Und so ähnlich sollten wir …“ Er hatte einen Moment innegehalten, um die Reaktion des Bürgermeisters auf das unvermittelte »wir« zu testen, aber der Rathauschef hatte es gelassen hingenommen. „… so also sollten wir später auch mit den Fraktionsspitzen und behördlichen Entscheidungsträgern vorgehen. Man muss Vertrauen aufbauen!“

      Mehr als eine Stunde war vergangen. Noch immer lag das Rathaus in einem tristen Grau, und der Regen prasselte gegen die Fassade. Die an den historischen Laternen befestigten Weihnachtssterne schaukelten im Wind und leuchteten noch nicht, obwohl der tief bewölkte Himmel keinen Lichtstrahl durchließ. Für Besucher wurde die Rathaustür abgeschlossen. Jetzt herrschte Mittagsruhe.

      Um diese Zeit herum erreichte Dr. Wüst, der unmittelbar zuvor seine verspätete Ankunft telefonisch angekündigt hatte, das Rathausportal. Frau Demuth machte sich erwartungsvoll auf den kurzen Dienstweg zum Eingangsbereich. Gleich СКАЧАТЬ