Название: Messalina
Автор: Alfred Schirokauer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754181485
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Abalanda sah mit verfinstertem Gesicht auf diese Orgie der Leiber. Zwischen den Eltern hatte Valeria Messalina ihren Platz. Zu seinem Staunen gewahrte Abalanda, daß das junge Mädchen ohne jede Scham oder Scheu auf die Szene fesselloser Nacktheit blickte.
Valeria Messalinas dunkle Augen hafteten staunend, eindringlich die Einzelheiten verfolgend, auf dem Strudel der Lebenslust, an dessen Oberfläche blankes Fleisch und bloße Haut zusammenschäumte zu einem Wust schillernder Leiber, bald auseinander sprühte in Flocken einzelner wirbelnder Körper, um immer wieder zurückzuwellen zum jauchzend verknäulten Durcheinander nackter Glieder. Sie war zum ersten Male im Zirkus. Eine fatale Absicht der Eltern hatte ihr diesen ungewohnten Besuch gestattet. Den blühenden Mund zu einem unbewußten Lächeln geöffnet, atmete Valeria Messalina wollüstig unbewußt den Duft von Balsam und Wohlgerüchen ein, der durch die Erhitzung der Katzbalgerei sich von den parfümierten Körpern der Frauen dort unten löste. Zwischen der Elfenbeinreihe der schönen Zähne des Mädchens erschien hin und wieder die feuchte Zungenspitze, als genieße sie einen köstlichen Leckerbissen. Die Nüstern der edelgeschnittenen Nase blähten sich und bebten, als wolle der hastig gehende Atem das aufsaugen, was dem Sinne der Augen entging.
Betroffen senkte Abalanda das Haupt. Er war tief enttäuscht. Nicht Abscheu, wie er erwartet, sondern ein genußfreudiges Begehren durchzitterte das Mädchen, das er in der stillen, sich gern verbergenden Liebe verehrte, die den Männern seiner nordischen Heimat eigen war. Dort warb man um das Weib und mußte sich den Besitz erkämpfen. In diesem brünstigen Rom aber raste die Liebe nackt vor den Augen alles Volkes und warf sich jedem an den Hals, der ihrer, wenn auch nur flüchtig, begehrte.
Messala hatte den jungen Mann beobachtet. Er kannte das Leben genau, war zu sehr Menschenkenner, als daß er nicht längst bemerkt hätte, wie es um das Herz seines Gastfreundes stand. Der Aënobarbus strich sich über den rötlichen Bart, der sich seit Lucius Domitius den meisten Männern der Familie vererbte.
Man erzählte: zwei göttliche Jünglinge hätten vor Zeiten durch Berührung das dunkle Haupthaar und den Bart des Lucius zu rot schimmernder Erzfarbe verwandelt, um so ihre olympische Herkunft zu erweisen.
Nachdenklich seinen »Erzbart« krauend, beugte Messala sich vor und musterte das stille Antlitz Abalandas. Er sann. Gewiß war es besser, den Kaiser zu bitten, den jungen Nordländer einem andern Hause in Rom als Gast zu überweisen. Caligula hatte durch die Einladung Valeria Messalinas zum Gastmahle dargetan, welchen Gefallen er an ihr fand. Noch immer war die Gunst der Cäsaren ungesucht den Aënobarbi zugefallen. Nur Caligula hatte bis jetzt gezögert. Aber jetzt, da der Imperator das unüberlegte, jugendlich abweisende Verhalten des Mädchens nicht übelgenommen, ja auch die ungehorsame Weigerung, an seiner Seite den Zirkusspielen beizuwohnen, weder sonderlich beachtet noch geahndet hatte, blühte neues ungeahntes Heil der Familie. Er, der Vater, würde Messalina schon lehren, ihr Glück zu begreifen. Zwar war ihr starker Selbstwille – der ererbte »Eisenkopf« als Familieneigentümlichkeit – nicht leicht zu brechen. Offenbar gefiel ihr auch die in Rom nicht bräuchliche und als fremdartig um so anziehendere stumme Verehrung des Gastes aus Germanien. Ehe aber hieraus ernstere Zuneigung sich entwickelte, mußte ein Riegel vorgeschoben werden. Eine Römerin und ein Barbar – unmöglich! ...
Glücklicherweise gab Caligula gerade jetzt das Zeichen zum vorzeitigen Aufbruch. Er hatte sich satt gesehen an dem mänadischen Gebaren der Weiber in der Arena und versprach sich vom Wettrennen der nackten Schar nun keine gesteigerte Belustigung. Bevor er die Tribüne verließ, verharrte er noch einen Augenblick neben seinem Elfenbeinstuhle. Er suchte mit den Augen die Reihen der ihn grüßenden Vornehmen ab, einen Blick auf Valeria Messalina zu erhaschen.
Messala trat rasch neben seine Tochter. »Dränge dich vor und grüße den Kaiser besonders zuvorkommend!« befahl er.
Das Mädchen, noch im Banne des Erlebten befangen, gehorchte, fast ohne zu wissen, was sie tat. Auch die Mutter Lepida schob sie an den Schultern vorwärts. So hob Valeria Messalina beide Arme und winkte in kindlicher Gebärde, noch im Rausche der Erregung über die ungewohnten starken Eindrücke auf ihr junges, kaum erwecktes Gemüt.
Befriedigt gewahrte der Vater, daß Caligula huldreich den Gruß erwiderte. Der Kaiser nickte mehrmals zu der Reihe hinauf und rief dann den Prätor zu sich, dem er eindringlich einen Auftrag erteilte. Unter den begeisterten Zurufen der Menge verließ er sodann den Zirkus.
Wenig später kam Proculejus Gillo und sprach den Messala an.
»Der Kaiser läßt dir sagen, du mögest es nicht als Ungnade auffassen, wenn er dich ersuchen läßt, statt dem von ihm gegebenen Gastmahle dem Gastmahle seines Günstlings Protogenes beizuwohnen,« bestellte der Prätor.
»Ich fasse es durchaus als eine Gunstbezeigung auf,« versicherte Messala Barbatus klüglich mit erhobener Stimme. Denn er erfaßte sofort den Grund dieser Ausladung. Caligula wollte Valeria Messalina zum Gaste, allein, ohne Gegenwart der Eltern. Die Wahl des neuen Gastgebers freilich war eine Kränkung. Denn der Grieche Protogenes galt in Rom als der widerwärtigste Speichellecker des Kaisers und als des Imperators Gehilfe im Ersinnen so mancher Greueltat.
»Der Kaiser läßt dir ferner danken, daß du mit den Deinen so vergnügt die heute von ihm dem Volke gebotenen Zirkusspiele verfolgt hast,« setzte Proculejus hinzu.
»Triffst du den Kaiser noch?« erkundigte sich Messala hocherfreut.
»Selbstverständlich, da ich ihn zum Palatin zurückgeleite.«
»So bitte ich dich, dem Kaiser folgendes zu sagen: ich hätte ihm gern selbst erzählt, daß ich mit meiner Tochter einen harten Auftritt hatte wegen ihres ungezogenen Auflehnens gegen seine geheiligte Person und Gnade. Valeria Messalina ist noch zu unerfahren, die Fülle dieser Gunst voll zu würdigen. Sie ist von uns, ihren Eltern, nunmehr belehrt und zurechtgewiesen und freut sich der ihr zuteil gewordenen Bevorzugung. Sie wird dem Kaiser Abbitte leisten. Und ich selbst, ich kann dem Kaiser meine Ergebenheit nicht besser beweisen, als daß ich Valeria Messalina gestatte, unbeaufsichtigt einem Gastmahle im kaiserlichen Palast beizuwohnen.«
Der Prätor lächelte verbindlich und meinte, die Stimme dämpfend: »Ich kenne dich als einen klugen Mann, Valerius Messala. Sei versichert, daß ich dem Kaiser getreulich deine Worte berichten werde. Doch ich nannte dich einen klugen Mann. Es wird dir also recht sein, wenn ich dem Kaiser vorenthalte, daß du besondere Betonung legst auf das ›Unbeaufsichtigtbleiben‹ deiner Tochter.«
Proculejus Gillo grüßte und eilte dem Kaiser nach.
In der Arena begann der Wettlauf der Weiber. Ihrem Jauchzen nach war ihnen jetzt, nach dem Scheiden des Kaisers, weniger um einen ehrbringenden Kampf zu tun als um eine eigene Belustigung und um Zurschaustellen ihrer körperlichen Vorzüge und ihrer geheimsten Reize.
Abalanda sprach finster zu seines Gastgebers Tochter: »Du hörtest, Valeria Messalina, was dein Vater sagte und was er von dir verlangt?«
Sogleich unterbrach sie ihn ärgerlich: »Du bist hier, um unsere Bräuche zu erlernen. Dann merke dir auch, mein Freund, daß es gegen römische Sitte verstößt, andere in ihrem Vergnügen zu stören.«
»Dir gefällt dieses tolle Gebaren?« wunderte er sich kopfschüttelnd.
»Du bist doch ein Mann,« erwiderte sie СКАЧАТЬ