Название: Messalina
Автор: Alfred Schirokauer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754181485
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Dieser Mut hätte dem Frevler fast das Leben gerettet. Denn der Beherrscher der Welt war im Grunde seiner Seele ein jammervoller Feigling. Er wich weit zurück, in der Furcht, von Menalippus augenblicklich mit einem verborgen gehaltenen Dolche durchbohrt zu werden. Die Blässe seines Gesichtes hatte sich in ein fahles Grün verwandelt. Er zitterte mehr vor Angst als vor Empörung und war schon bereit zu einem Abbruch des Gespräches. Das Weitere würde sich später in aller Stille und Sicherheit finden.
Doch da fuhr Menalippus zu seinem Unheile fort:
»Du willst ein Gott sein! Du! Ein Narr bist du! Ein lächerlicher, aufgeblasener Narr, über den alle lachen, sobald er den Rücken wendet. Ich aber lache dir in dein fratzenhaftes, widerliches Tölpelgesicht. Denn lachte man nicht über dich, hätte man in deiner Umgebung das Lachen verlernt.«
Während des erzwungenen, aber schallenden Gelächters des dem Tode Geweihten gelang es dem Imperator, sich zu fassen. Er nahm beruhigt seinen Thronsessel wieder ein. Dieser Tor war ungefährlich – er dachte nicht an Meuchelmord.
»Mein Menalippus, du hörtest gewiß von dem Athener Dädalus?« begann Caligula ruhig mit erheuchelter Freundlichkeit.
»Er lebte in einer glücklicheren Zeit als der unsrigen,« antwortete Menalippus, dessen Züge nun erschlafften. Er hatte seinen Haß in Worten von der Seele geschleudert. Jetzt war er leer und fertig.
»Sprich endlich dein Urteil, Mörder!« rief er barsch. »Nur die Feigheit eines zahnlosen Katers ergötzt sich am erbärmlichen Katz- und Mausspiele.«
Caligula ließ sich nicht mehr beirren.
»Des Dädalus Sohn Ikarus flog der Sonne zu nah, die das Wachs seines künstlichen Gefieders schmolz,« fuhr er lehrhaft fort. »Nun wohl, mein Menalippus, auch du warst allzu kühn und kamst in deiner Verwegenheit der Sonne Caligula zu nahe. Wir wollen sehen, ob der Flug dir trotzdem besser glückt als dem Sohne des Dädalus. Begib dich in die Arena. Dort wird man dir Flügel verleihen. Man ist auf meine Wünsche vorbereitet. Fraglich war nur, wem dieser mythologische Flug vergönnt sein würde. Du hast dich wacker um diese Gunst beworben.«
Menalippus verabschiedete sich schweigend von seinen schweigenden Freunden. Dann trat er dicht an den Elfenbeinstuhl des Kaisers.
»Ein Verdammter mehr grüßt dich, Cäsar,« sprach er so laut, daß alle auf dem Podium ihn vernehmen konnten. »Der Gruß der Verdammten aber, die dir vor ihrem Tode fluchten – wird dir Verdammnis bringen. Vale!«
Menalippus verhüllte sein Haupt mit der Toga, denn er war ein Sterbender. So verließ er die Tribüne. Caligula lachte auf. Daß die kommende Vergeltung zum erstenmal offen ihr Haupt erhob, bemerkte Caligula nicht.
Unfern saßen die Tribunen Cornelius Sabinus und Cassius Chärea auf ihren gepolsterten Sitzen. Der alte Cassius flüsterte seinem Verbündeten Cornelius zu: »Die Stunde der Bestie ist abermals nähergerückt.«
»Schweig!« murmelte Cornelius mit kaum bewegten Lippen zurück.
Bald darauf sah das Volk, wie man einen geflügelten Menschen zu der schwindelnd hohen Säule führte. An dem Seile zogen die Knechte den Menalippus so hastig empor, daß es aussah, als flöge er gen Himmel. Toller Jubel der Menge durchbrauste den Zirkus. Man applaudierte dem Cäsar für diesen hübschen Einfall.
Ein Sonnenstreif umspielte das goldgleißende Kapitäl der Säule, auf dem der Verurteilte nun aufrecht stand. Er schloß die Augen, nicht schwindlig zu werden, und lehnte sich an den Galgen, der die Rolle trug.
Das Volk hatte den Zweck der gewaltigen, aus den Schwungfedern von Gänsen gefertigten Schwingen begriffen. Lachend, lärmend, mit schlechten Witzen und Anspornungen forderten die Schreier den Mann auf zum Sprung in die Tiefe. Und da Menalippus zögerte, wirbelten schmutzigste Schimpfreden zu ihm hinauf.
In einem langen Blicke trank der Unselige noch einmal den Sonnenzauber dieses Tages in sich hinein, die Farbenfreude des menschenwimmelnden Zirkus, alle Buntheit des Lebens, die ihn zum letztenmal grüßte vor der grauen Ode des Todes. Und Menalippus grüßte zurück. Dann aber – vielleicht in einer heimlichen Hoffnung, daß die Schwingen ihn doch tragen könnten – breitete er die mit den gewaltigen und gewaltig schweren Fittichen beschnallten Arme. Kopfüber sprang er von der Säule. Das Gewicht der Flügel riß ihn abwärts. An hörbarem, dumpfem Aufprall schmetterte der Körper zu Boden und brach das Genick.
Die weißen Federn färbten sich blutig. Sofort liefen zwei Knechte herbei; sie schlugen dem Leichnam einen Eisenhaken unter dem Kinn in den Kopf und schleiften den Toten hinaus. Andere Knechte gingen hinterdrein, die Blutspur mit frischem Sande zu verdecken und die triefende, breite Furche zu glätten.
Aber schon drang von einer andern Stelle der Arena her jauchzendes Geschrei von Weiberstimmen. Ein neues, fröhlicheres Schaustück hob an. Der kaiserlichen Tribüne gegenüber sammelte sich ein Gewimmel vollkommen nackter Frauen und Mädchen. Mit schamlosen Gebärden belustigten sie die Menschenmenge, während die Ordner des Spieles sich mühten, einzelne Gruppen abzuteilen.
Es sollte ein Wettrennen werden, dem dann ein Rennen zwischen den Siegerinnen der Einzelgruppen folgte. Fünfzig gänzlich entblößte, in der Sonne marmorn weiß leuchtende Leiber schoben sich durcheinander. Helles Kreischen und unzüchtige Redensarten schollen bis zu den Sitzplätzen hinauf. Kaum gelang es den Ordnern, sich der Zudringlichkeiten dieser entfesselten Mänaden zu erwehren und sie in bestimmte Gruppen zu bringen. Jede von ihnen wollte bevorzugt sein.
»Habe ich mir darum mit Harzpflastern und glühenden Nußschalen alle Haare vom Körper entfernen lassen, daß du mich nun so zurückstellst?« schrie eine in ganz Rom als ungeheuerlich ausschweifend bekannte Frau mit Namen Catulla den Ordner an. Dabei hob sie die Arme und zeigte ihre entblößten Achselhöhlen.
Cervia aber, eine sehr begehrte Hetäre, hing sich dem Ordner an den Hals und suchte ihn mit heißen Versprechungen zu gewinnen, auf daß er sie in die erste Gruppe nähme.
»Ich werde Siegerin sein in dieser Gruppe, und dann bleibt mir Zeit zum Ausruhen, damit ich auch im Endkampf der Siegerinnen siege,« flüsterte sie dem Manne zu. »Sei klug, Varillus! Dann sollst du mich einen Monat lang täglich besuchen dürfen und auch nicht die kleinste Münze, noch nicht ein As bezahlen für alle Freuden, die ich dir bereite.«
Ein hochgewachsenes, schönes Mädchen namens Polita löste sich aus dem Trubel. Sie trat näher an das Podium heran, zeigte ihren herrlichen Körper von allen Seiten und gab sich durch obszöne Stellungen allen Augen preis. Endlich die Hände unter die schneeigen Brüste legend, stand sie still und schrie zu Caligula hinauf:
»Achte auf mich besonders, Herr! Siehe diese Kugeln aus Marmor. Du wirst deine Freude haben, wie sie gleich weißen Lämmern vor mir herhüpfen, wenn ich renne.«
Der Kaiser lachte Tränen über diesen ihn köstlich dünkenden Witz. Zur Belohnung streifte er einen der Ringe ab, mit denen seine Finger über und über bedeckt waren. Er warf die Kostbarkeit der Polita zu. Doch das Mädchen verfehlte im Fange den funkelnden Ring. So verschwand er im Sande.
Einige der Gefährtinnen hatten den Vorgang verfolgt. Nun sprangen sie herbei, sich der kaiserlichen Gabe zum Nachteil der Polita zu bemächtigen. Kaum gewahrten die übrigen Rennerinnen, um was es sich handle, als auch sie die Ordner beiseitestießen und sich am Kampf um den Ring beteiligten.
So balgte sich unter schrillem Jauchzen und Lachen СКАЧАТЬ