1984. George Orwell
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Название: 1984

Автор: George Orwell

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754126516

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СКАЧАТЬ auch immer noch sein, wenn sie anders als in blaue Overalls gekleidet wären. Auf der anderen Seite des Raums, allein an einem Tisch, saß ein kleiner, wie ein Käfer aussehender Mann, trank seinen Becher Kaffee und warf dabei mit kleinen Augen verdächtige Blicke nach allen Seiten. Solange sich nur niemand um sich herum genau genug umsah, dachte Winston, war es zwar einfach zu glauben, dass der von der Partei zum Ideal erhobene Menschentyp – hoch gewachsene, muskulöse Jünglinge und großbrüstige Jungfrauen; blonde Haare, vital, sonnenverbrannt, sorglos – tatsächlich existierte und sogar überwiegend verbreitet wäre. Tatsächlich aber, soweit Winston das beurteilen konnte, war die Mehrheit der Menschen in Airstrip One eher klein, dunkel und unansehnlich. Es war merkwürdig, dass ausgerechnet jenes käferähnliche Aussehen bei denjenigen überwog, die in den Ministerien arbeiteten: kleine, pummelige Männer, schon sehr früh im Leben eher gedrungen wachsend, mit kurzen Beinen, schnellen, geradezu krabbelnden Bewegungen und dicken und undurchschaubaren Gesichtern mit sehr kleinen Augen. Es war die Art von Mensch, die unter der Herrschaft der Partei am besten gedieh.

      Die Mitteilung des Ministeriums des Überflusses endete mit einem weiteren Trompetensignal und wich einer blechernen Musik.

      Parsons, durch das Bombardement von Zahlen zu einer Art unbestimmter Begeisterung angeregt, nahm seine Pfeife aus dem Mund. „Das Ministerium des Überflusses hat in diesem Jahr sicherlich gute Arbeit geleistet“, sagte er mit einem wissenden Kopfnicken. „Und wenn wir schon dabei sind: Smith, alter Kumpel, ich nehme an, du hast auch keine Rasierklingen mehr, die du mir überlassen könntest?“

      „Nicht eine. Ich benutze dieselbe Klinge schon seit sechs Wochen.“

      „Na, klar – dachte nur, ich frag’ dich mal.“

      „Tut mir leid“, sagte Winston.

      Die schnatternde Stimme vom Nebentisch, die während der Mitteilungen des Ministeriums verstummt gewesen war, kam wieder in Gang, so laut wie eh und je. Aus unerfindlichem Grund dachte Winston plötzlich an Frau Parsons, mit ihrem wuscheligen Haar und dem Staub in ihren Gesichtsfalten: Innerhalb von zwei Jahren würden ihre Kinder sie bei der Thought Police denunzieren. Frau Parsons würde vaporized werden. Syme würde vaporized werden. Er selbst würde vaporized werden. O’Brien würde vaporized werden. Parsons hingegen würde niemals vaporized werden. Die augenlose Kreatur mit der quäkenden Stimme würde niemals vaporized werden. Die kleinen, käferartigen Männer, die so flink durch die labyrinthischen Korridore der Ministerien huschten, würden auch niemals vaporized werden. Und das Mädchen mit dem dunklem Haar, das Mädchen aus der Belletristikabteilung – sie würde sicher erst recht nicht vaporized werden. Es schien Winston auf einmal, als ob er instinktiv wüsste, wer überleben und wer sterben würde; obwohl nicht leicht zu sagen war, was ein solches Überleben genau bedeuten sollte.

      Da wurde er plötzlich aus seiner Träumerei herausgerissen: Das Mädchen am Nebentisch hatte sich teilweise umgedreht und sah herüber. Es war das Mädchen mit dem dunklen Haar. Sie blickte Winston nur kurz von der Seite an, mit einer seltsamen Intensität, und wandte sich dann schnell wieder um.

      Winston begann zu schwitzen, und ein Gefühl der Furcht erfasste ihn. Es verging fast sofort wieder, doch blieb eine Art nagenden Unbehagens zurück: Weshalb hatte das Mädchen ihn beobachtet? Folgte sie ihm? Wann genau hatte sie sich hingesetzt? Schon vor ihm? Erst hinterher? Er wusste es nicht mehr. Gestern aber, während des Zwei-Minuten-Hasses, daran erinnerte er sich jedenfalls noch sehr deutlich, hatte sie unmittelbar hinter ihm gesessen, obwohl das nicht unbedingt notwendig gewesen wäre. Wahrscheinlich hatte sie also vorgehabt, ihm zuzuhören und sich zu vergewissern, dass er auch laut genug brüllte.

      Ein Gedanke, den er schon einmal gehabt hatte, kam Winston wieder in den Sinn: Wahrscheinlich war das Mädchen zwar nicht bei der Thought Police, aber anscheinend eine Amateurspionin, und die waren die größte Gefahr von allen. Er wusste nicht, wie lange sie ihn bereits beobachtet hatte, vielleicht waren es nur fünf Minuten gewesen, doch das konnte bereits genügen, wenn es ihm in dieser Zeit nicht gelungen war, seine Gesichtszüge vollständig unter Kontrolle zu halten. Es war schrecklich: An einem öffentlichen Ort oder in Reichweite eines telescreen die Gedanken abschweifen zu lassen, war verdammt gefährlich. Schon die kleinste Sache genügte, um jemanden zu erledigen: ein nervöses Zucken, ein unbewusster Blick der Angst, eine Gewohnheit des Murmelns zu sich selbst; einfach alles, was andeuten konnte, nicht normal zu sein, etwas zu verbergen zu haben. Jedenfalls war bereits ein unangemessener Gesichtsausdruck (etwa, ungläubig erstaunt auszusehen, wenn ein Sieg verkündet wurde) eine Straftat. Es gab sogar ein Wort dafür auf Newspeak: FACECRIME.

      Das Mädchen hatte sich wieder von Winston abgewandt. Vielleicht verfolgte sie ihn ja doch nicht; vielleicht war es nur zufällig geschehen, dass sie zwei Tage hintereinander in seiner Nähe gesessen hatte. Seine Zigarette war ausgegangen, und er legte sie vorsichtig auf die Tischkante. Er würde sie nach der Arbeit zu Ende rauchen, wenn es ihm gelänge, den Tabak darin zu behalten. Sehr wahrscheinlich war die Person am nächsten Tisch eine Spionin der Thought Police, und sehr wahrscheinlich würde er in spätestens drei Tagen in den Kellern des Ministeriums der Liebe landen, aber eine halbe Zigarette durfte trotzdem nicht verschwendet werden.

      Syme hatte seinen Papierstreifen zusammengefaltet und in der Tasche verstaut.

      Parsons begann wieder zu sprechen: „Hab’ ich dir jemals davon erzählt, alter Junge“, sagte er zu Winston und gluckste fröhlich mit dem Pfeifenstiel im Mund, „wie meine beiden kleinen Nervensägen den Rock einer alten Marktfrau angezündet haben, weil sie gesehen hatten, wie sie Würste in ein Plakat mit dem Bild von B. B. einwickelte? Schlichen sich von hinten mit einer Streichholzschachtel an die Alte heran. Hat sich ziemlich schlimm verbrannt, glaube ich. Kleine Verbrecher, was? Aber scharf wie Senf! Das ist eine erstklassige Ausbildung, die sie heutzutage bei den Spies erhalten; sogar noch besser als zu meiner Zeit. Was, glaubst du, haben sie mir zuletzt vorgeführt? Ohrtrompeten zum Hören durch Schlüssellöcher! My little girl hat neulich so ein Ding mit nach Hause gebracht und es an unserer Wohnzimmertür ausprobiert und meinte dann, sie könne doppelt so viel hören wie sonst. Natürlich ist es nur ein Spielzeug, wohlgemerkt. Trotzdem gibt es ihnen eine richtige Vorstellung von der Sache, oder?“

      In diesem Moment ertönte aus dem telescreen ein durchdringendes Pfeifen. Das war das Signal, zur Arbeit zurückzukehren. Alle drei Männer sprangen auf, um sich an dem Kampf um die Aufzüge zu beteiligen – und der restliche Tabak fiel aus Winstons Zigarette.

      VI

      Winston schrieb in sein Tagebuch:

      Es ist drei Jahre her. Es war an einem dunklen Abend, in einer schmalen Seitenstraße, in der Nähe eines der großen Bahnhöfe. Die Frau stand in einem Hauseingang, unter einer Straßenlaterne, die kaum Licht gab. Sie hatte ein junges Gesicht, sehr dick bemalt. Es war in Wahrheit die Farbe, die mich ansprach, das Weiß, wie eine Maske, und die leuchtend roten Lippen. Parteifrauen malen sich nie ihr Gesicht an. Es war sonst niemand auf der Straße, und es gab keine telescreens. Die Frau sagte: Zwei Dollar! Ich...

      Kurz konnte Winston nicht weiterschreiben. Er schloss die Augen, presste seine Finger dagegen und versuchte, die immer wiederkehrende Vision herauszudrücken. Er konnte der Versuchung kaum widerstehen, eine Reihe schmutziger Worte herauszubrüllen. Oder seinen Kopf gegen die Wand zu schlagen, den Tisch umzutreten und das Tintenfass durch das Fenster zu schleudern – etwas Gewalttätiges, Lärmendes oder Schmerzhaftes zu tun, das die Erinnerung, die ihn quälte, verschwinden ließe.

      Der schlimmste Feind, so wurde Winston wieder einmal klar, war immer das eigene Nervensystem. Zu jedem beliebigen Zeitpunkt konnte die innere Anspannung sich in ein sichtbares Symptom verwandeln. Winston dachte an einen Mann, an dem er vor ein paar Wochen auf der Straße vorbeigegangen СКАЧАТЬ