Название: Altneuland
Автор: Theodor Herzl
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754183144
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»Ja, Mr. Kingscourt. Nur weiß ich nicht, warum Sie es mir erzählen.«
»Warum, Doktor? Weil ich mir einen Gesellschafter mitnehmen will, um das Sprechen nicht zu verlernen, und um jemand zu haben, der mir die Augen zudrückt, wenn ich sterbe. Wollen Sie der sein?«
Friedrich schwieg und überlegte eine halbe Minute lang. Dann sagte er in festem Tone: »Ja!«
Kingscourt nickte zufrieden und fügte hinzu: »Ich muß Sie aber aufmerksam machen, daß Sie eine lebenslängliche Verpflichtung eingehen. Wenigstens so lange ich lebe, muß es gelten. Wenn Sie mit mir gehen, dürfen Sie nicht mehr zurück. Sie müssen alle Fäden abschneiden.«
Friedrich entgegnete: »Mich bindet nichts. Ich stehe ganz allein in der Welt und habe das Leben vollkommen satt.«
»Einen solchen Mann brauche ich, Doktor. Tatsächlich verlassen Sie das Leben, wenn Sie mit mir gehen. Sie werden nichts mehr vom Guten und Bösen dieser Welt erfahren. Sie sind tot für die Welt und die Welt ist untergegangen für Sie. Paßt Ihnen das?«
»Es paßt mir.«
»Dann werden wir gut zusammenleben. Ihre Art gefällt mir.«
»Eines muß ich Ihnen noch sagen, Mr. Kingscourt: ich bin Jude. Stört Sie das nicht?«
Kingscourt lachte: »Hören Sie? Die Frage ist komisch. Ein Mensch sind Sie, das sehe ich. Ein gebildeter Mann scheinen Sie auch zu sein. Des Lebens sind Sie überdrüssig, das spricht für Ihren guten Geschmack. Alles übrige ist dort, wohin wir gehen, furchtbar gleichgültig … Also schlagen Sie ein!«
Friedrich nahm die dargebotene Hand und schüttelte sie kräftig. »Wann sind Sie reisefertig, Doktor?«
»Jede Stunde.«
»Gut. Sagen wir morgen. Wir fahren nach Triest. Dort ankert meine Jacht … Sie werden sich hier vielleicht noch einiges besorgen wollen?«
»Ich wüßte nicht, was,« sagte Friedrich. »Das ist ja keine Lustreise, sondern ein Abschied vom Leben.«
»Immerhin, Doktor, Sie brauchen vielleicht Geld für Anschaffungen. Verfügen Sie über mich.« »Danke, ich brauche nichts, Mr. Kingscourt«
»Haben Sie keine Schulden, Doktor?«
»Ich besitze nichts und schulde nichts. Meine Rechnung ist glatt.«
»Haben Sie keine Verwandten oder Freunde, denen Sie etwas hinterlassen wollen?«
»Niemand!«
»Um so besser! Wir reisen also morgen, … aber wir könnten schon heute miteinander speisen.«
Kingscourt klingelte. Die Kellner deckten auf einen kurzem Befehl den Tisch im Salon und brachten ein reichliches Mahl. Die beiden Männer näherten sich einander sehr rasch in ihren Gesprächen. Friedrich fühlte nach all dem Vertrauen, das ihm Kingscourt so schnell geschenkt hatte, das Bedürfnis, auch seine eigene Geschichte zu erzählen. Er tat es in kurzer und deutlicher Weise. Als er damit zu Ende war, sagte der Amerikaner: »Ich glaube jetzt, daß Sie mir nicht durchgehen werden, wenn ich Sie auf meiner Insel habe. Liebeskummer, Weltschmerz und Judengram — das ist zusammen genug, um auch einen jungen Mann für immer Abschied nehmen zu lassen vom Leben. Nämlich vom Leben mit den Menschen. Selbst wenn man ihnen Gutes tut, wird man von ihnen betrogen und gequält. Die größten Narren sind die Wohltäter. Glauben Sie nicht?«
»Ich glaube, Mr. Kingscourt, daß man beim Wohltun ein angenehmes Gefühl hat … Und da fällt mir etwas ein. Sie haben mir Geld angeboten, falls ich vor meinem Abschied vom Leben etwas hinterlassen wollte. Ich weiß eine Familie in tiefster Not. Der möchte ich helfen, wenn Sie es mir erlauben.«
»Es ist ein Unsinn, Doktor. Aber ich kann es Ihnen nicht verweigern. Ohnehin, es war überhaupt meine Absicht, Ihnen einen Betrag zur Ordnung Ihrer Angelegenheiten zu geben. Machen Sie damit, was Sie wollen. Sind fünftausend Gulden genug?«
»Oh, reichlich!« sagte Friedrich. »Und es ist doch auch für mich ein schöner Gedanke, daß mein Abschied vom Leben nicht ganz ohne Zweck ist.«
5. Kapitel.
Die Stube der Familie Littwak sah bei Tage noch elender aus als bei Nacht. Und doch fand Friedrich Löwenberg diese armen Leute in beinahe rosiger Stimmung, als er bei ihnen eintrat. David Littwak stand vor dem Fensterbrett, auf dem ein aufgeschlagenes Buch lag, und er las darin, während er an seinem mächtigen Butterbrot kaute. Der Vater und die Mutter saßen auf der Streu. Die kleine Mirjam spielte mit Halmen.
Chajim Littwak erhob sich rasch, um den Wohltäter zu begrüßen. Auch die Frau wollte aufstehen, aber Friedrich ließ es nicht zu. Er kniete schnell neben ihr nieder und streichelte das Brustkind, das ihn aus den armseligen Fetzen heraus mit lieblichen Augen anlachte.
»Nun, wie geht es heute, Frau Littwak?« fragte Friedrich.
Die Arme haschte vergeblich nach seiner Hand, um sie zu küssen: »Besser, gnädiger Herr!« sagte sie. »Wir haben Milch für Mirjam und Brot für uns.«
»Zins hab’ ich auch schon gezahlt!« ergänzte Chajim stolz.
David hatte sein Butterbrot hingelegt, stand mit verschränkten Armen da und betrachtete Friedrich festen Auges. »Warum siehst du mich so durchbohrend an, kleiner David?«
»Damit ich Sie nie vergess’, Herr. Ich hab’ einmal gelesen eine Geschichte von einem Manne, der einem kranken Löwen geholfen hat.«
»Androklus!« lächelte Friedrich.
»Er hat schon viel gelesen, mein David,« sagte die Mutter mit schwacher und zärtlicher Stimme.
Friedrich stand auf, legte die Hand auf den runden Kopf des Knaben und scherzte: »Bist du am Ende der Löwe? Juda hatte einst einen Löwen …«
David entgegnete beinahe trotzig: »Was Juda gehabt hat, kann es wieder haben. Unser alter Gott lebt noch.«
Frau Littwak rief klagend: »Nit amal ein’ Sessel können wir Ihnen anbieten, gnädiger Herr!«
»Nicht СКАЧАТЬ