Les Misérables / Die Elenden. Victor Hugo
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Название: Les Misérables / Die Elenden

Автор: Victor Hugo

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754173206

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СКАЧАТЬ machte einen Spaziergang mit meinem Bruder, dem Bruder meiner Kindheit, an den ich – wohl bemerkt – nie denke, und auf den ich mich nicht mehr recht besinnen kann.

      Wir plauderten und begegneten Leuten. Wir sprachen von einer Frau, die in dem Hause nebenan wohnte und bei offnem Fenster zu arbeiten pflegte. Während des Gesprächs fror uns, weil das Fenster offen stand.

      Auf dem Felde wuchsen keine Bäume.

      Da sahen wir einen Mann, der an uns vorbeikam. Er war ganz nackt, aschfarben und ritt auf einem erdfahlen Rosse. Er hatte keine Haare und man konnte seinen Schädel so wie die Adern darauf sehen. In der Hand hielt er eine Ruthe, die biegsam war wie eine Weinranke und schwer wie Eisen. Er ritt vorüber und sprach nicht zu uns.

      Da sagte mein Bruder: »Wir wollen durch den Hohlweg gehen.«

      In dem Hohlweg sah man keinen Strauch, kein Moos. Alles war erdfarben, sogar der Himmel. Als ich einige Schritte gegangen war, bekam ich keine Antwort mehr, wenn ich sprach. Da bemerkte ich, daß mein Bruder nicht mehr bei mir war.

      Ich ging in ein Dorf, das ich sah. Ich dachte mir, es müßte Romainville sein. (Warum Romainville?) Diese Parenthese ist von Jean Valjeans Hand.

      Die erste Straße war menschenleer. Ich kam in die zweite. Da stand dicht an der, von der ersten und dieser Straße gebildeten Ecke ein Mann an die Mauer gelehnt. Diesen Mann fragte ich: Was ist das für ein Ort? Wo bin ich? Aber er antwortete nicht.

      Da sah ich eine offene Hausthür und ging hinein.

      Das erste Zimmer war leer. Ich trat in das zweite. Hinter der Thür dieses Zimmers stand ein Mann an die Wand gelehnt. Diesen Mann fragte ich: Wem gehört dieses Haus? Wo bin ich? Er antwortete nicht.

      Das Haus hatte einen Garten. Ich ging aus dem Hause hinaus und in den Garten hinein. Hinter dem ersten Baum stand ein Mann. Diesen fragte ich: Was ist das für ein Garten? Wo bin ich? Er antwortete nicht.

      Ich irrte in dem Dorf herum und bemerkte, daß es eine Stadt war. Alle Straßen waren menschenleer, alle Thüren standen offen. Kein lebendes Wesen ging auf der Straße, in den Zimmern, in den Gärten. Aber hinter jeder Straßenecke, hinter jeder Thür, hinter jedem Baum stand ein Mann, der still schwieg. Man sah immer nur je einen. Diese Leute sahen mich an, wenn ich an ihnen vorüberging.

      Nun ging ich zur Stadt hinaus und marschirte querfeldein.

      Nach einer Weile wendete ich mich um und erblickte eine große Menge Menschen, die hinter mir gingen. Ich erkannte in ihnen die Leute, die ich in der Stadt gesehen hatte. Sie hatten sonderbare Gesichter. Es hatte nicht den Anschein, als beeilten sie sich und dennoch kamen sie rascher vorwärts, als ich. Sie machten kein Geräusch beim Gehen. Im Nu holte mich diese Menschenmenge ein und umringte mich. Die Gesichter dieser Leute waren erdfahl.

      Da sprach der erste, den ich in der Stadt gesehen und gefragt hatte, zu mir: Wo gehst Du hin? Weißt Du nicht, daß Du schon lange tot bist?

      Ich that den Mund auf, ihm zu antworten und bemerkte, daß Niemand mehr da war.«

      Er wachte auf. Ihm war eisig kalt. Der Morgenwind bewegte die Fensterflügel, die offen geblieben waren. Das Kaminfeuer war ausgegangen, das Stearinlicht dem Erlöschen nahe. Noch herrschte finstere Nacht.

      Er stand auf und trat an das Fenster. Auch jetzt noch stand kein Stern am Himmel.

      Von seinem Fenster aus konnte man den Hof und die Straße überblicken. Plötzlich veranlaßte ihn ein scharfes und knappes Geräusch, das sich unten vernehmen ließ, die Augen niederzusenken.

      Er sah unter sich zwei rothe Sterne, deren Strahlen in der Dunkelheit seltsam hin und her zuckten.

      Da sein Gehirn noch halb von Traumnebeln umfangen war, kam er auf den sonderbaren Einfall: »Es stehen keine Sterne am Himmel, dafür sind aber jetzt welche auf der Erde.«

      Indessen kehrte jetzt sein Bewußtsein völlig zurück, er sah wieder hin und bemerkte, daß die beiden Sterne die Laternen eines Wagens waren. Bei der Helle, die sie um sich verbreiteten, konnte er die Form des Gefährts erkennen. Es war ein Tilbury, der mit einem kleinen Schimmel bespannt war. Das Geräusch, das er so eben vernommen hatte, kam von Hufschlägen her.

      »Was mag denn das für ein Wagen sein?« dachte er bei sich. »Wer kommt denn so früh?«

      In demselben Augenblick wurde leise an seine Thür geklopft.

      Er erbebte am ganzen Körper und fragte mit zorniger Stimme:

      »Wer ist da?«

      »Ich, Herr Bürgermeister.«

      Er erkannte die Stimme der alten Portierfrau.

      »Nun, was giebt's?«

      »Herr Bürgermeister, es ist gleich fünf Uhr.«

      »Was schiert das mich?«

      »Herr Bürgermeister, der Wagen!«

      »Was für ein Wagen?«

      »Der Tilbury.«

      »Was für ein Tilbury?«

      »Haben der Herr Bürgermeister nicht einen Tilbury bestellt?«

      »Nein!«

      »Der Kutscher sagt, er wäre hierher geschickt?«

      »Was für ein Kutscher?«

      »Der Kutscher von Herrn Scaufflaire.«

      »Herr Scaufflaire?«

      »Bei der Nennung dieses Namens fuhr er zusammen, als wäre ein Blitz vor ihm niedergefahren.

      Hätte die alte Frau ihn in diesem Augenblicke sehen können, sie wäre entsetzt gewesen.

      Es trat eine ziemlich lange Pause ein. Er starrte stumpfsinnig in die Flamme der Kerze und nahm mechanisch von dem Docht das heiße Wachs ab, das er zwischen seinen Fingern rollte. Die Alte wartete unterdessen. Endlich aber fragte sie sehr laut:

      »Herr Bürgermeister, was soll ich antworten?«

      »Daß Alles in Ordnung ist, und daß ich herunterkomme.«

      V. Hemmnisse

      Die Postfuhrwerke, die damals noch seit Napoleons Zeit zwischen Arras und Montreuil-sur-Mer den Briefverkehr besorgten, waren zweirädrige Kabriolette, die inwendig mit falbem Leder ausgeschlagen waren, auf Schraubenfedern ruhten und nur zwei Sitze hatten, einen für den Kourier, den andern für den Fahrgast. Die Räder waren mit langen Naben bewaffnet, die dazu dienten, andere Fuhrwerke in respektvoller Entfernung zu halten, und die man noch auf deutschen Landstraßen zu sehen bekommt. Der Depeschenkoffer, ein riesiger langer Kasten, war hinten angebracht und aus einem Stück mit dem Kabriolett. Der Koffer war schwarz, das Kabriolett gelb angestrichen.

      Diese Wagen, die heutzutage vollständig abgekommen sind, sahen ungestaltet und bucklig aus. Wenn man sie aus der Ferne sah, glichen sie jenen Kriechthieren, die man, glaube ich, Termiten nennt und einen dünnen Vorderleib haben, während der hintere Theil des Körpers sehr stark ist. Sie fuhren übrigens СКАЧАТЬ