Les Misérables / Die Elenden. Victor Hugo
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Название: Les Misérables / Die Elenden

Автор: Victor Hugo

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754173206

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СКАЧАТЬ scheußlichen Lebenswandel aufgeben zu können! Frei, reich, glücklich, geachtet mit ihrer Tochter zu leben! Und alle diese Herrlichkeiten sich so unvermittelt aus dem tiefsten Elend entfalten zu sehen! Sie sah ihren Retter mit wirren, umflorten Blicken an und schluchzte nur: Oh! Oh! Dann versagten ihr die Kniee den Dienst, sie fiel Madeleine zu Füßen, und ehe er es verhindern konnte, ergriff sie seine Hand und drückte ihre Lippen darauf.

Sechstes Buch. Javert

      I. Anfang der Ruhe

      Madeleine ließ Fantine nach dem Hospital schaffen, das er in seinem eignen Hause eingerichtet hatte. Er vertraute sie der Obhut der Schwestern an, die sie zu Bett brachten. Es stellte sich ein hitziges Fieber ein, und sie redete einen Theil der Nacht irre, schlummerte aber schließlich ein.

      Am nächsten Morgen erwachte sie, hörte Jemand dicht bei ihrem Bett atmen, hielt den Vorhang bei Seite und sah Madeleine da stehen. Er betrachtete mit einem Blick voller Demuth, Mitleid und Angst ein an der Wand befestigtes Krucifix.

      Madeleine war für Fantine jetzt ein höheres Wesen, eine verklärte Lichtgestalt. Er schien zu beten, und sie wagte lange Zeit nicht ihn zu stören. Endlich aber fragte sie furchtsam:

      »Was machen Sie denn da?

      Madeleine stand eine Stunde so da. Er wartete, ob Fantine erwachen würde. Er ergriff ihre Hand, befühlte ihren Puls und sagte:

      »Wie befinden Sie Sich?«

      »Gut. Ich habe geschlafen. Es geht besser, glaube ich. Es wird nichts von Bedeutung sein.«

      Nun erst beantwortete er Fantinens Frage:

      »Ich betete zu dem Märtyrer da oben.«

      »Für die Märtyrerin, die hier liegt,« fügte er in seinem Innern hinzu.

      Madeleine hatte in der Nacht und am Morgen Erkundigungen über Fantine eingezogen und wußte jetzt Alles, kannte alle ihre traurigen Erlebnisse.

      »Sie haben viel Schweres durchgemacht, Sie Arme. Aber beklagen Sie Sich nicht, denn Sie haben damit die Anwartschaft auf die Freuden des Paradieses erworben, und daß Ihnen die Menschen auf andre Weise dazu verhelfen würden, war nicht zu erwarten: Sie verstehen es nun einmal nicht besser. Die Hölle, aus der Sie jetzt herausgekommen sind, war die Vorhalle zum Himmel. Da mußten Sie zuerst hindurch.«

      Er seufzte tief auf. Sie aber lächelte ihn selig an, und dies Lächeln war nicht mehr häßlich anzusehen, trotz der Zähne, die ihr fehlten.

      Noch in derselben Nacht schrieb Javert einen Brief, den er in der Frühe in dem Postbüreau Montreuil-sur-Mer aufgab. Die Adresse lautete: An Herrn Chabouillet, Sekretär des Herrn Polizeipräfekten, in Paris. Da der Vorfall, der sich in dem Polizeibüreau abgespielt hatte ruchbar geworden war, so glaubte die Direktrice des Postbüreaus und einige andre Neugierige, die den Brief vor seiner Befördrung nach Paris sahen, daß Javert seine Entlassung eingereicht habe.

      Madeleine beeilte sich an die Thénardiers zu schreiben. Er schickte ihnen statt der hundert und zwanzig Franken, die Fantine schuldig war, dreihundert, mit der Weisung, er solle sich bezahlt machen und das Kind nach Montreuil-sur-Mer bringen, wo die kranke Mutter ihrer warte.

      Freund Thénardier stutzte. »Alle Wetter! sagte er zu seiner Frau. Das Balg halten wir fest. Aus der Lerche wird jetzt eine Milchkuh. Ich kann mir schon denken, was dahinter steckt. Irgend ein Schafskopf hat sich in die Mutter verliebt.«

      Er parirte den Hieb mit einer gut zusammengestellten Rechnung über fünfhundert Franken. Auf derselben figurirten u. a. hauptsächlich zwei unanfechtbare Posten, nämlich die Quittung eines Arztes und die eines Apothekers, laut deren Thénardier ihnen dreihundert Franken ausgezahlt hatte – für Pflege und Arzneien, die Eponine und Azelma während langer Krankheit bekommen. Denn Cosette, wie schon erwähnt, war nicht krank gewesen. Es handelte sich blos um eine kleine Namensfälschung, Thénardier schrieb unter die Rechnung: Auf Abschlag erhalten ... dreihundert Franken.

      Madeleine schickte umgehend noch dreihundert Franken und schrieb: »Bringen Sie schleunigst Cosette.«

      »Alle Hagel! rief Thénardier. »Das Kind geben wir nicht raus.«

      Mittlerweile machte Fantinens Wiederherstellung keine weiteren Fortschritte. Sie befand sich noch immer in dem Hospital.

      Die barmherzigen Schwestern hatten Anfangs »die Dirne« nicht gut aufgenommen. Wer die Reliefs in der Kathedrale zu Reims je gesehen, wird bemerkt haben, daß bei den klugen Jungfrauen zum Unterschiede von den thörichten, die Unterlippe verächtlich emporgeschoben ist. Diese Geringschätzung, die Vestalinnen gegenüber Hetären zur Schau tragen, ist einer der am tiefsten eingewurzelten Instinkte weiblicher Würde, und auch die barmherzigen Schwestern hatten sie empfunden, und zwar um so stärker, als die Religion sie hierin bestärkte. Aber in wenigen Tagen wurden sie durch Fantinens demüthige und sanfte Art entwaffnet. Besonders rührend aber schien ihre Liebe zu ihrem Kinde. Eines Tages hörte man sie halb im Fieberdelirium sagen: Ich bin eine Sünderin gewesen, aber wenn mein Kind wieder bei mir sein wird, dann ist das ein Zeichen, daß Gott mir vergeben hat. So lange ich ein schlechtes Leben führte, hätte ich meine Cosette nicht um mich haben mögen; ich würde es nicht ertragen haben, wenn sie mich mit erstaunten und betrübten Augen angesehen hätte. Und doch war es ihretwegen, daß ich mich versündigt habe, und deshalb verzeiht mir Gott. Wie mir das wohl thun wird, wenn ich erst in die unschuldigen Augen blicken werde. Sie weiß von nichts, der kleine Engel. In dem Alter, meine Schwestern, sind die Engelsflügel noch nicht abgefallen.«

      Madeleine besuchte sie zweimal jeden Tag, und jedes Mal fragte sie:

      »Werde ich bald meine Cosette sehen?«

      »Vielleicht morgen früh,« pflegte er zu antworten. »Ich erwarte sie jeden Augenblick.«

      Dann strahlte das blasse Gesicht der Mutter vor Freude.

      »O, wie glücklich mich das machen wird!«

      Wir haben schon berichtet, daß ihre Genesung keine Fortschritte machte. Im Gegentheil, ihr Befinden schien sich von Woche zu Woche zu verschlimmern. Die plötzliche Erkältung der Haut durch den Schnee hatte eine Unterdrückung der Transpiration bedingt, in Folge deren ihre alte Krankheit mit besondrer Heftigkeit herausgetreten war. Man folgte damals bei dem Studium und der Behandlung Brustkranker den schönen Indikationen Laënnec's. Der Arzt auskultirte danach auch Fantine und – schüttelte den Kopf.

      »Wie steht's?« fragte ihn Madeleine.

      »Sie hat ja wohl ein Kind, das sie zu sehen wünscht?«

      »Ja.«

      »Dann lassen Sie es bald kommen.«

      Madeleine fuhr zusammen.

      »Was hat der Arzt gesagt?« forschte Fantine.

      Madeleine zwang sich zu lächeln.

      »Er sagt, wir sollen das Kind baldigst holen. Das würde Ihnen die Gesundheit bald wieder geben.«

      »Da hat er Recht. Was haben aber die Thénardiers blos, daß sie Cosette da behalten? Sie wird aber doch schließlich kommen, und dann wird das Glück in meiner Nähe sein.«

      Freund Thénardier gab aber das Kind nicht heraus und wußte immer neue Ausflüchte. Cosette СКАЧАТЬ