Ein moderner Lederstrumpf. Robert Kraft
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Читать онлайн книгу Ein moderner Lederstrumpf - Robert Kraft страница 18

Название: Ein moderner Lederstrumpf

Автор: Robert Kraft

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754183892

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СКАЧАТЬ er denn so heikel?«

      »Er trinkt aus jeder Pfütze, wenn er Durst hat, isst Cadaver, wenn er hungrig ist, aber das frische Wasser, welches ihm vorgesetzt wird, wird er nicht berühren, wenn Jemand seine Hand hineingetaucht hat, und ich glaube, er fühlt es — nicht, dass er es riecht, sondern er fühlt es heraus. Ich muss es annehmen.«

      »Was ist denn das nur für ein Hund?«

      »Ein Beduinenhund. Kein bevorzugtes Exemplar, sondern die ganze Race ist so. Hier haben Sie ein Beispiel, was der Mensch aus einem Thiere durch Erziehung machen kann. Aus dem Wolfe gewannen wir den treuen Hund. Aus dem Hunde hat der von der Jagd lebende Beduine der lybischen Wüste im Laufe vieler, vieler Jahrhunderte ein Thier geschaffen, welches — für welches ich keinen Namen habe. Kein Anlernen, keine Dressur, allein die Behandlung von Generation zu Generation ist es. Der Hund gehört zur Familie unter das Zelt. Denken Sie: wenn sich eine Hündin mit einem unebenbürtigen Hunde eingelassen hat, oder wenn man sonst den Vater nicht kennt, so werden ihr die Jungen im Leibe todt gedrückt, was gewöhnlich auch ihren Tod bedeutet. Ich habe viele Jahre unter den Beduinen gelebt, aber nur ein einziges Mal ist dieser Fall vorgekommen, und da habe ich gesehen, wie die gefallene Hündin stillschweigend ihre Leiden ertrug und stillschweigend starb. Nie kann ich es vergessen, nicht etwa, wie sie litt, sondern wie sie ihre Ehrlosigkeit wusste, und wie sie dann, durch ihre Sühne von der Schuld erlöst, als gerechter Beduinenhund verschied. Das war kein Hund mehr. Ja, die Ehre ist es! Wir ziehen den Hund auf Muskeln und Dressur, die Beduinen erziehen ihn zum Ehrgefühl. Wenn dagegen eine Hündin in aller Ehre entbunden wird, so ist der Jubel im Zeltlager unermesslich — doch nicht laut, die junge Mutter braucht Stille. Zuerst, wenn es ihr Zustand erlaubt, kommt der Scheich, gratulirt ihr — nicht dem Besitzer — hängt ihr etwa ein Perlenhalsband um. Dann kommen die anderen Honoratioren mit Glückwünschen und Geschenken. Schliesslich alle Beduinenfrauen, sie haben das schönste Geschenk hervorgesucht, sie bringen Kraftsüppchen, sie schmeicheln und bewundern die Jungen, und nun sollten Sie sehen, wie gravitätisch und stolz sich solch eine glückliche Hundemutter im Kindbett benimmt. So werden dann auch die Jungen erzogen.«

      »Aber das ist ja Thieranbeterei!« rief Ellen.

      »Nicht doch. Sie müssen bedenken, dass ein Paar solcher Hunde dort für den Ernährer einer grossen Familie gilt. Die Wüstenantilopen lassen sich nicht schiessen, das schnellste Pferd holt sie nicht ein, nur der Windhund, und zwei sind nöthig, das hakenschlagende Thier abzufangen. Jene Beduinen leben fast nur von der Antilopenjagd, daher wird der die Nahrung bringende Hund so verehrt. Wer ihn beleidigt, der beleidigt seinen Herrn; wer ihn schlägt, der verliert die rechte Hand; wer ihn tödtet, dessen Leben wird wieder gefordert. So ist das Gesetz der Wüste. Durch diese Hochachtung, welche man ihm entgegenbringt, ist dieser Hund entstanden. Wollen Sie meine besondere Ansicht darüber hören?«

      »Ich bitte, ich interessire mich sehr dafür.«

      »Sehen Sie Hassan an. Viele Jahre habe ich mich mit Beduinenhunden beschäftigt, vier Jahre speciell mit diesem Hunde, habe ihn beobachtet und studirt, und noch immer ist er mir ein Räthsel. Ich werde immer sagen müssen: ich weiss es nicht, ich glaube es nur, ich nehme es an. Ich weiss nicht, ob Hassan jedes meiner Worte versteht. Manchmal muss ich es fast annehmen, aber dann sträube ich mich wieder gegen den Glauben, diesem Hunde fehle nichts weiter als die Sprache und die menschliche Form, um ein Mensch zu sein. Nein, ein Thier ist es. Ich glaube das Geheimniss in etwas Anderem gefunden zu haben. Verliere ich etwas unterwegs, Hassan wird es mir nachbringen. Lese ich in einer Zeitung, der Wind entführt mir das Blatt, Hassan wird es mir ohne Aufforderung zurückbringen. Sage ich zu ihm: hole mir dies und jenes — und er kennt den Namen des Gegenstandes — er wird ihn mir sofort bringen. Das thut jeder gut dressirte Hund. Dieser Hund ist aber gar nicht dressirt! Hebe ich einen Stein vor ihm auf, werfe ihn fort — Hassan, hole ihn! — er wird mich erstaunt ansehen, warum ich denn den Stein erst fortwerfe, und wenn ich mein Verlangen mehrmals wiederhole, mehrmals Steine fortwerfe, würde er mich verlassen und irgendwo kläglich verenden. Ich weiss es, deshalb wage ich solch' ein Experiment gar nicht, ich habe es früher bei anderen Hunden probirt. Sehen Sie, als ich dies erkannte, da bin ich erschrocken gewesen. Was soll man davon denken? Ist dies nicht menschlicher Verstand, der Zweck von Zwecklosigkeit zu unterscheiden weiss? Ich habe so lange darüber nachgegrübelt, bis ich die Erklärung gefunden zu haben glaube. Wir sagen: der Mensch, und auch das höher entwickelte Thier, hat fünf Sinne. Solch' eine Eintheilung dürfte aber doch recht illusorisch sein. Wir haben offenbar noch mehr Sinne, wir sind uns dessen nur nicht bewusst, deshalb haben wir keine Bezeichnung dafür. Ich bin fest überzeugt, dass der Mensch mit seiner Entwickelung in der Cultur Sinne verloren hat. Ich will Sie in ein finsteres Zimmer stellen, Sie einige Male im Kreise herumdrehen, und Sie können mir nicht sagen, wo Ost und wo West ist. Thun Sie dasselbe mit einem Wilden, mit einem von der Jagd lebenden Indianer, und er wird Ihnen immer ganz genau angeben können, wo Sonnenaufgang und Sonnenuntergang ist. Das ist der uns Culturmenschen verloren gegangene Orientirungssinn. Dann habe ich auch noch einen anderen Sinn erkannt, den ich den des Gleichgewichts nennen möchte. Ich kannte einen Mann, einen Ingenieur, ein grosser Turner und Radfahrer und vor allen Dingen ein sehr gewandter Salonmensch. Er wurde einmal zwischen einer Maschinerie am Kopfe gequetscht und musste hinter beiden Ohren operirt werden. Es hatte gar nichts zu sagen, er genas, sein Gehirn und Denkvermögen hatte nicht im mindesten gelitten, er war noch ganz derselbe Ingenieur. Auffallend war nur, dass er das Gehen erst wieder wie ein kleines Kind von Neuem lernen musste; auf einem Beine stehen konnte er nicht mehr; er besass noch dieselben Muskeln, dieselbe Beweglichkeit, aber mit dem Turnen war es für immer vorbei; nie wieder kam er auf ein Rad hinauf, er fiel immer herunter; und mit einem Male war er ein schüchterner, zaghafter Mensch geworden, der in der Gesellschaft den Mund nicht aufzuthun wagte, vor lauter Verlegenheit fortwährend Dummheiten beging. Aber dabei war er immer noch derselbe geistvolle Ingenieur. Er hatte den Sinn des Gleichgewichts verloren. Nun wieder zu dem Hunde. Durch jahrhundertlange Erziehung und Behandlung hat sich bei seiner Race ein besonderer Sinn entwickelt, welchen ich den der Sympathie nennen will. Das ist also eine Art von Ahnung, oder richtiger sehen ohne Auge, riechen ohne Nase, fühlen ohne Tastsinn: Meinetwegen mag man es auch Instinct nennen, obgleich dies gar nichts bedeutet. Ich nenne es Sympathie. Wenn man Hassan mit Zucker und Peitsche behandeln wollte, so würde man mit der Zeit sicher einen vorzüglich dressirten Hund aus ihm machen, aber ich bin überzeugt, dass er, wenn er über den Stock springen und Pfötchen geben kann, auch diesen besonderen Sinn der Sympathie wieder verloren haben würde. Ich sagte Ihnen schon,dass Hassan kein Wasser anrührt, in welches Jemand seine Hand getaucht hat, er braucht es gar nicht gesehen zu haben. Nun, das könnte er ja riechen. Dasselbe ist aber natürlich auch bei der Milch der Fall. Bei der Milch ist eine Berührung mit der Hand kaum zu vermeiden, sie wird gemolken. Das genirt den Hund nicht. Es trägt ihm Jemand Wasser oder Milch zu, die Schüssel kippt, seine Hand kommt mit der Flüssigkeit wiederholt in Berührung — der Hund trinkt sie ruhig. Sobald aber Jemand, oder auch ich selbst, hinter seinem Rücken, in einer anderen Stube, mit Absicht die Hand hineintauche, rührt er sie nicht mehr an. Woher er es weiss? Mir ist es unfassbar. Er ahnt es, er fühlt es, eben durch einen besonderen Sinn.«

      »Das ist allerdings wunderbar,« sagte Ellen. »Da kann ich Ihnen eine Ergänzung geben. Einige englische Gelehrte haben jüngst ihre Beobachtungen über Vögel veröffentlicht; sie behaupten, dass die Vögel frisches Wasser nicht nur durch Gesicht und Geruch wahrnehmen.«

      »Und da haben sie Recht. Ich selbst habe mich davon überzeugt bei durstigen Hühnern. Sie finden das frische Wasser immer, man mag den Saufnapf noch so gut verstecken, auch wenn man ihnen Nasenlöcher und Augen mit Wachs verklebt. Sie wittern es auf eine andere Weise. Nun aber etwas Anderes, was beweist, dass dieser Sinn, den ich meine, wirkliche Sympathie ist. Um wen ich mich nicht kümmere, um den kümmert sich auch Hassan nicht. Einmal hatte ich gegen einen Menschen einen Widerwillen, liess es mir aber nicht merken, durch kein Wort, durch keinen Blick. Plötzlich fing Hassan, was er sonst nie thut, zu knurren an, sobald sich dieser Mensch ihm näherte, und wehe ihm, hätte er ihn anzufassen gewagt. Ein anderes Mal hatte ich gegen eine Person eine herzliche Zuneigung gefasst. Sie ahnte es nicht, Niemand ahnte es, ich wusste meine Gedanken zu zähmen. Plötzlich war СКАЧАТЬ