Ein moderner Lederstrumpf. Robert Kraft
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Ein moderner Lederstrumpf - Robert Kraft страница 17

Название: Ein moderner Lederstrumpf

Автор: Robert Kraft

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754183892

isbn:

СКАЧАТЬ sollte man sich diesen peniblen, pedantischen Herrn in der Wüste, im Urwalde vorstellen, vielleicht monatelang am Lagerfeuer campiren müssend!

      Aber Ellen erkannte das Richtige heraus. Er würde, Angesichts des Hungertodes, seine Stiefelsohle mit derselben Umständlichkeit in Stücke schneiden und die Stücke mit demselben Behagen zum Munde führen, wie er im Speisesaale sich mit dem mit Oliven gefüllten Kapaun beschäftigte, wie er jetzt von dem mächtigen Schinken lange Schnitte absäbelte.

      Die finstere Schweigsamkeit dieses Mannes hatte sich vor Ellen's Augen nach und nach in ein ruhiges Behagen verwandelt. Ja, das war es! Alles an ihm war ruhige, behagliche Zufriedenheit, die durch nichts zu erschüttern war. Ihr brauchte er es nicht zu sagen, denn sie fühlte selbst, wie sie von ihm aus auf sie überströmte.

      Und dann, noch Eins erkannte sie. Wo der sich hinlegte, irgendwo auf der Erde, so sagte er stets, wenn auch ohne Worte: so, hier liege ich, nun mag's regnen, schneien oder blitzen; hier ist meine Heimath, hier bin ich zu Hause.

      Es ist ein liederliches, aber classisches Lied:

      Ich hab' mein Sach auf Nichts gestellt, juchheh!

       Und mir gehört die ganze Welt, juchheh!

      Goethe muss wohl manchmal ähnlich gefühlt haben.

      Ellen fühlte es jetzt, und das Herz wurde ihr an diesem schönen Morgen weiter.

      »Schmeckt es Ihnen, Mr. Starke?« rief sie hinüber.

      Kein verwundertes Aufblicken bei dieser ersten, so freundlichen Anrede. Er kannte so etwas nicht.

      »Danke, Miss. Mir schmeckt es, Gott sei Dank, immer. Wenn man das Leben von der einfachsten und dennoch hauptsächlichsten Seite betrachtet, so sind Hunger, Durst und ein tiefer Schlaf die schönsten Geschenke einer gütigen Natur, und jeder freie Mensch kann sie sich verdienen, muss sie sich durch eigene Anstrengung verschaffen, denn zu kaufen sind sie nicht für alles Geld der Welt.«

      Ellen war es, welche erstaunt aufblickte. Er sprach ganz aus ihrer Seele.

      »Schon allein, wenn man Ihnen beim Essen zusieht, muss man ja Appetit bekommen.«

      »HabenSie noch welchen? Wollen Sie ein Stück von meinem Schinken? Mein Hund isst keinen geräucherten Schinken.«

      Zunächst musste Ellen hell auflachen. Erst kam also sein Hund, dann sie, und durch den trockenen Ton wirkte es urkomisch.

      »Oh ja, bitte, gehen Sie mir ein Stück. Es ist doch fabelhaft, was man beim Radfahren für einen unerschöpflichen Hunger bekommt.«

      »Wenn man sich nicht überanstrengt. Sonst schlägt es in das Gegentheil um.«

      Er schnitt das Zweipfundstück durch, aber anstatt nun ihr die Hälfte zu bringen, blieb er gemütlich liegen, pflückte ein grosses Blatt ab, wickelte das Stück hinein und warf es ihr zu, allerdings so, dass es ihr direct in den Schooss fiel.

      Doch gerade diese collegiale Gemüthlichkeit gefiel ihr wiederum. Sollte er etwa aufstehen und eine Verbeugung machen? Das konnte sie im Hôtel genug haben, hier hätte es nicht gepasst.

      »Mr. Starke,« begann sie nach einer Weile wieder, »glauben Sie, dass ich die Tour in 300 Tagen machen kann?«

      »Wenn Sie so fortfahren wie bisher, glaube ich es. Lassen Sie sich noch etwas Anderes sagen. Mir ist während des letzten Tages in London Einiges zu Ohren gekommen. Sie haben gesagt: wenn ich täglich nur acht Stunden fahre, so werde ich auch beim schlechtesten Wege, wenn ich nur im Sattel sitzen kann, meine 32 Meilen machen und kann mich 16 Stunden wieder ausruhen. — Bleiben Sie bei diesem Princip, und ich weiss es ganz bestimmt, dass Sie Ihre Wette gewinnen werden.«

      Mit freudiger Ueberraschung sah Ellen zu ihm hinüber.

      »Wirklich? Das ist Ihre ehrliche Ueberzeugung?«

      »Ich spreche immer, wie ich denke. Machen Sie sich ein bestimmtes Programm, einen Stundenplan. Sie stehen halb 4 Uhr auf, Punkt 4 fahren Sie ab, Punkt 8 machen Sie den ersten Halt, zur Frühstückspause. Dann wieder von 9 bis 11. Dann grosse Pause mit Hauptmahlzeit und zwei Stunden Schlaf. Dann nochmals von 4 bis 7 im Sattel, und damit ist es aus. Halten Sie diese Zeiten mit der pedantischsten Pünktlichkeit bis zur Secunde inne. Machen Sie sich ganz unabhängig von Weg, Wetter und Wind. Gesetzt den Fall, Sie haben Nachmittags von 4 bis 7 schlechten Weg und Gegenwind, mit einem Male springt der Wind um, der Weg wird ausgezeichnet, sie wollen und können an diesem Abend noch 20 Meilen machen — nein, thun Sie es nicht, steigen Sie Punkt 7 vom Rade. Bald werden Sie merken, was für ein physiologisches, vielleicht auch psychologisches Geheimniss in diesem starren Einhalten des Princips steckt. Etwas Anderes ist es natürlich, wenn Klima, Regenzeit in Betracht kommen. Dann wird eben ein anderer Stundenplan gemacht und dieser ebenso pedantisch eingehalten. Folgen Sie meinem Rathe und soweit es ein Mensch kann und darf, garantire ich Ihnen dafür, dass Sie nicht einmal 300 Tage brauchen; Sie werden in der nächsten Stunde nach Ihrer Rückkehr mit fröhlichem Muthe Lawn-Tennis spielen können, und in Ihrer Erinnerung wird die ungeheuere Radtour eine schöne Spazierfahrt gewesen sein.«

      Wie eine dankbare Erleichterung überkam es Ellen. Die felsenfeste Gewissheit lag besonders in dem einfachen Tone, mit dem er diese Worte sprach.

      »Dann noch eins,« fuhr er fort. »Quälen Sie sich doch nicht unnöthig mit Entbehrungen. Diese kommen ganz von selbst, dann wird ihr Ertragen auch noch gelernt. Nehmen Sie das Beste, was Ihnen die Erde bietet, so lange Sie es noch haben können. Suchen Sie sich das weichste Bett aus, so lange Sie noch darin zu schlafen vermögen! Denn es dürfte noch die Zeit kommen, wo Sie sich wohl nach einem Bette sehnen, aber wenn Sie es haben, können Sie nicht mehr darin schlafen; stundenlang wälzen Sie sich in den Kissen, bis Sie endlich aufstehen und sich daneben auf den Boden legen und gleich sind Sie sanft, entschlafen. Provociren Sie diesen Zustand nicht, er ist manchmal nicht schön. Nehmen Sie Alles mit, auch, wenn es die Zeit Ihres Stundenplans erlaubt, Theater, Concerte und Kunstgalerien.«

      Konnte es vernünftigere Worte geben?

      »Ich werde Ihren Rath befolgen und ich danke Ihnen, Mr. Starke.''

      Der neben seinem Herrn liegende Hund stand auf, ging zu Ellen und blieb dicht vor ihr stehen. Sie wunderte sich, dass er plötzlich zu ihr kam.

      »Ach so, der arme Kerl hat ja heute kein Frühstück bekommen, weil er keinen Schinken frisst und sein egoistischer Herr nur an sich selbst gedacht hat!« bedauerte sie scherzhaft.

      »Er erhält nur einmal, des Abends, satt zu essen, er weiss es, und was vom Frühstück und Mittag abfällt, ist für ihn nur ein Gelegenheitsbissen, beanspruchen thut er es nicht.«

      Jetzt speculirte Hassan offenbar auf die im Papier liegenden Hühnerknochen. Ellen nahm einen. Eine besondere Hundefreundin war sie nicht, sie hatte das furchtbare Gebiss des Thieres schon gesehen; sie fürchtete sich etwas, deshalb warf sie ihm den Knochen mit einem »Fang!« zu.

      Aber der Hund fing nicht, kümmerte sich auch nicht um den im Grase liegenden Knochen, sondern warf Ellen einen seiner verächtlichen Blicke zu und wandte ihr den Rücken, blieb aber noch stehen.

      Dieses Benehmen war so menschlich gewesen, dass Ellen förmlich erschrak.

      »Oh, jetzt haben Sie ihn beleidigt,« sagte Starke. »Ich hätte Ihnen freilich sagen sollen, dass er höchstens etwas aus der Hand nimmt. Auf der Erde darf nichts gelegen haben. Nun kommt er nicht so leicht wieder СКАЧАТЬ