Ein Lotterielos. Jules Verne
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Название: Ein Lotterielos

Автор: Jules Verne

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754184370

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СКАЧАТЬ seinen Spitznamen »Schlickermilch-Land« in mehr denn ausreichendem Maße. In den Löchern im innern Lande, wie Tineß, Listhuus, Tinoset und vielen andern kriegt man niemals Brot zu sehen, oder höchstens so schlechtes, daß man es gern stehen läßt. Die Hauptkost bildet ein Gebäck aus Hafermehl in Scheibenform, das sogenannte » flatbröd«, trocken, schwarzbraun und hart wie Pappe, oder höchstens noch eine Art derben Hefenkuchens, der unter Beimischung von gestoßener Birkenrinde, auch wohl Flechten und Häcksel, gebacken wird. Eier sind Rarität, die Hennen müßten denn gerade acht Tage zuvor gelegt haben. Aber im Ueberfluß vorhanden ist ein Bier geringer Sorte, Schlickermilch, sauer sowohl als süß, zuweilen, auch ein bißchen Kaffee, aber so dick, daß er eher mit einem Teerdestillat Aehnlichkeit hat als mit den Produkten von Mokka, Bourbon oder Rio-Nunez.

      Bei »Mutter Hansen« aber ist alles da, was Küche und Keller nur irgend zu bieten vermögen: was sollen selbst die verwöhntesten Touristen noch weiter fordern? Gekochter Lachs, gepökelter Lachs, geräucherter Lachs, die sogenannten » hore«, worunter man Binnenlachse zu verstehen hat, die Salzwasser nie geschmeckt haben, Bachfische aus dem Telemarken, Geflügel und zwar weder zu hart noch zu mager, Eier mit allen möglichen Saucen, feine Küchelchen aus Roggen- und Gerstenmehl, Obst- und ganz besonders Erdbeeren, Schwarzbrot, aber von ausgezeichneter Sorte, Bier und alte Weine, darunter Marke Saint-Julien, die Frankreichs Rebenruhm bis in diese entlegenen Gegenden hinauf trägt.

      Kein Wunder, daß in allen Gegenden des nördlichen Europa das Gasthaus zu Dal im besten Rufe steht! Man braucht übrigens bloß in dem Gastbuche mit den vergilbten Blättern – in welchem die Wanderer ihrem Namen gern ein paar Lobesworte für »Mutter Hansen« beifügen – zu blättern! zumeist sind es freilich Schweden und Norweger, die aus allen Punkten Skandinaviens hierher strömen. Aber auch Engländer finden sich in Menge darunter, und einer davon, der mal eine ganze Stunde gewartet hatte, bis sich der Gipfel des Gusta aus seinen Morgennebeln herausschälte, hat in echt Britischer Art auf eines der Blätter geschrieben:

      Patientia omnia vincit. Geduld überwindet alles

      Drittes Kapitel.

      Ohne in der Völkerkunde ein großer Held zu sein, kann man doch im Einklang mit mehreren Gelehrten der Meinung werden, daß zwischen den vornehmen Geschlechtern der englischen Aristokratie und den uralten Geschlechtern des skandinavischen Königreichs eine gewisse Verwandtschaft besteht. Zahlreiche Beweise dafür finden sich unter den Ahnen-Namen, die zwischen beiden Ländern gleich lauten. Und doch gibt es in Norwegen keine Aristokratie! Indessen hindert das Vorherrschen der Demokratie nicht im geringsten, aristokratisch im Superlativ zu sein. Alles ist sich hier gleich an Höhe, statt es an Tiefe zu sein. Bis in die allerbescheidenste Hütte hinunter reicht der Geschlechtsstammbaum, der darum, weil er seine Wurzeln wieder in plebejische Erde zurückgetrieben hat, an Adelswert nicht das wenigste eingebüßt hat. Hier vierteln sich die Wappenschilder der Adelsgeschlechter aus der Feudalzeit, von denen diese schlichten Bauern stammen.

      So verhielt es sich auch um die Hansens von Dal, die, wenn auch in sehr entferntem Grade, ganz ohne Zweifel mit jenen Pairs von England verwandt sind, die nach dem Einfalle Roberts von der Normandie dort geschaffen wurden; und wenn sie auch weder deren Rang noch deren Reichtum besaßen, so hatten sie doch wenigstens den angeborenen Stolz oder vielmehr die angeborene Würde gewahrt, die in allen gesellschaftlichen Stellungen immer am Platze ist.

      Uebrigens scherten sie sich wenig darum! Trotz all seiner hochadligen Ahnenschaft war Harald Hansen doch Gastwirt in Dal geworden. Das Haus gehörte ihm vom Vater und Großvater her, von deren Stellung im Lande er gern zu sprechen pflegte. Nach seinem Tode hatte die Witwe das Gastwirtsgeschäft fortgesetzt auf eine Weise, die ihr Ruf und Ansehen schuf.

      Ob Harald mit dem Gasthofe Geld verdient hatte? Das wußte man nicht. Aber er hatte seinem Sohne Joel und seiner Tochter Hulda eine Erziehung geben können, daß ihnen der Lebensanfang nicht zu schwer geworden war; ja auch noch einem Schwestersohn von seiner Frau, Ole Kamp, der infolge frühen Todes seiner Eltern seiner Fürsorge zeitig anheimgefallen war, hatte er die gleiche Erziehung zuteil werden lassen können wie seinen eigenen Schößlingen. Ohne seinen Onkel Harald wäre diese Waise ganz sicher eines jener armen kleinen Geschöpfe geworden, die bloß auf die Welt kommen, um sie schnell wieder zu verlassen. Uebrigens bewies Ole Kamp seinen Pflegeeltern eine echt kindliche Dankbarkeit; das Band, das ihn mit der Familie Hansen verknüpfte, sollte niemals zerrissen werden; seine Heirat mit Hulda sollte es noch enger knüpfen und für Lebenszeit festigen.

      Harald war seit etwa anderthalb Jahren tot. Der Gasthof in Dal war nicht das einzige, was er seiner Witwe hinterließ; sie erbte auch noch einen kleinen, im Gebirge gelegenen »soeter«. Unter dieser Bezeichnung wird eine Art einsam liegenden Bauernhofs verstanden, dessen Ertrag im Durchschnitt mittelmäßig, nicht selten aber gleich Null zu sein pflegt. In den letzten Jahren war von guten Erträgen keine Rede gewesen. Der ganze Ackerbau hatte schwer zu leiden gehabt, sogar Weideland hatte nichts gebracht. Schuld daran trugen die vom norwegischen Bauern »eifern« genannten Nächte, in denen eiskalter Nordost durch das Land fegt und allen Keim bis tief in das Erdreich hin ausdörrt. Norwegens »eiserne Nächte« sind der Ruin für den Bauern im Telemarken und im Hardanger.

      Wenn aber Frau Hansen selber genau wußte, woran sie war und wie sie dastand, so hatte sie doch darüber nie mit jemand gesprochen, nicht einmal mit ihren Kindern. Kalten und schweigsamen Charakters, war sie wenig mitteilsam – ein Umstand, der ihren beiden Kindern sichtlich Schmerz verursachte. Der in den nördlichen Ländern eingeborene Respekt vor dem Familienhaupte legte ihnen aber in dieser Hinsicht strenge Zurückhaltung auf, und so schwer ihnen dieselbe zuweilen auch fiel, so war ihnen doch nie auch nur der kleinste Verstoß dagegen unterlaufen. Zudem mochte Frau Hansen nie viel wissen von Rat oder Beistand, denn von der Verläßlichkeit ihres eigenen Urteils war sie, als echte Norwegerin, felsenfest überzeugt.

      Frau Hansen zählte zur Zeit 50 Jahre. Wenn auch das Alter ihr Haar gebleicht hatte, so hatte es doch weder ihre hohe Gestalt gebeugt noch die Lebhaftigkeit ihres tiefblauen Blickes, dessen Azur sich in den Augen ihrer Tochter unverändert wiederfand, abgeschwächt. Bloß ihr Teint hatte den gelblichen Teint von Aktenpapier angenommen, und ein paar Runzeln fingen an sich auf ihrer Stirn einzugraben.

      Die »Madam«, wie man im skandinavischen Lande sagt, ging nie anders als im schwarzen Rock mit weiten Falten, dem Zeichen der Trauer um den Tod ihres Mannes. Aus den Ausschnitten ihres braunfarbigen Mieders traten die Aermel eines Hemds aus ungebleichtem Linnen. Ein dunkelfarbiges Brusttuch reichte vom Halse bis unter den Schürzenlatz; die Schürze selber wurde auf dem Rücken mit großen Spangen zusammengehalten. Die »Madam« trug immer eine dicke Seidenhaube, nicht unähnlich einer Begghinen-Haube, die freilich stark aus der Mode zu kommen scheint. Kerzengerade im Lehnstuhl sitzend, ließ die würdige Wirtsfrau von Dal ihr Spinnrad bloß im Stiche, um ein Pfeifchen aus Birkenholzrinde zu rauchen, dessen Qualm sie immer bald in eine leichte Dunstwolke hüllte.

      Wahrlich! ohne die Anwesenheit der beiden Kinder möchte das Haus wohl recht trübselig erschienen sein!

      Ein braver Junge, der Joel Hansen! Im Alter von 25 Jahren, von ebenmäßiger, hoher Gestalt wie die norwegischen Gebirgsleute durchweg, war er von stolzer Art, ohne Prahlhansigkeit, und von strammer Haltung, ohne Verwegenheit. Er war blond, aber nicht hellblond, sondern mehr von jenem Blond, das sich dem Kastanienbraun nähert, und hatte dunkelblaue, schon ans Schwarze streifende Augen. Seine Tracht setzte die kräftigen Schultern in Geltung, denen es schwer wurde, sich zu beugen, desgleichen die breite Brust, in welcher die kräftigen Lungen des Bergführers bequem arbeiteten, die muskulösen Arme, und die zu den beschwerlichsten Aufstiegen in den Hochregionen des Telemarken gleichsam expreß gebauten Beine. So wie er sich für gewöhnlich trug, konnte man ihn recht wohl für einen Edelmann halten. Seine blaufarbige Jacke mit Schulterklappen schloß eng über die Brust, mittels zweier langen, senkrecht verlaufenden Aufschläge und war auf dem Rücken mit bunter Stickerei besetzt, ähnlich wie manche keltische Jacken in der Bretagne. Sein Hemdkragen СКАЧАТЬ