Mythos, Pathos und Ethos. Thomas Häring
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Название: Mythos, Pathos und Ethos

Автор: Thomas Häring

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783738030754

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СКАЧАТЬ gebracht hatte, zum Größten Feldherrn aller Zeiten, als ohnehin. Doch so richtig euphorisiert und erleichtert waren wir erst, als der Überfall auf die Russen begann, denn nun war unsere schöne braune heile Welt endlich wieder in Ordnung und der wahre Feind durfte wieder bekämpft werden.

      Doch mit der Zeit schien sich das Kriegsglück zu wenden und auch unser Über-Führer machte nicht mehr immer die allerbeste Figur. Dafür konnte er aber rein gar nichts, denn schuld daran waren zum einen die ausländischen Spione sowie die Exil-Juden, Exil-Sozialdemokraten, Exil-Kommunisten, Exil-Gewerkschafter und wen wir sonst noch so aus unserem schönen Deutschen Reich, das laut Adolf 1000 Jahre dauern sollte, vertrieben hatten. Aber am allerschlimmsten war der Widerstand innerhalb der deutschen Wehrmacht und dafür trugen diese Adeligen die Hauptverantwortung. Jene waren mir schon von Anfang an ein Dorn im Auge gewesen, diese Snobs mit ihrem feinen Getue, ihren Manieren und ihrer Ehre. Solange wir unsere Schlachten gewannen, konnte man ihnen nichts anhaben, doch dann wurden sie immer dreister und ihre Sabotageakte, kombiniert mit dem Widerstand der hiesigen Partisanen in den jeweiligen besetzten Gebieten, sorgten dafür, daß wir immer mehr Probleme bekamen. Der Führer hätte sich von jenen Parasiten schon viel früher trennen müssen, er aber zögerte und zauderte, wie es anscheinend leider des Öfteren bei ihm Usus war und so verübten sie auch noch ein feiges, hinterhältiges Attentat auf den großartigen Mann, den die Vorsehung für uns ausersehen hatte. Wenigstens zog er danach alle nötigen Konsequenzen und machte dem Adel in der Wehrmacht den Garaus. Besser spät als nie, aber in dem Fall hätte sich der Führer schon früher vorsehen müssen, vor solchen Kreaturen, die ihn von Anfang an für einen Emporkömmling gehalten und deshalb immer belächelt hatten. Feige Schweine waren sie allesamt gewesen, nach dem Krieg wurden sie zu Helden erklärt, aber alle, die wie ich, tapfer und ehrlich gegen den Feind gekämpft haben, anstatt mit ihm zu kollaborieren, wissen, was man von solchen Kameradenschweinen zu halten hat.

      Krieg geil!, rief niemand von uns, nicht umsonst hatte unser Schlachtruf ja immer Sieg Heil gelautet, doch nachdem wir eine entscheidende Schlacht nach der anderen verloren hatten, wurde auch dem überzeugtesten Nazi unter uns schön langsam klar, was die Stunde, beziehungsweise daß unser letztes Stündlein geschlagen hatte. Deutschland würde untergehn und vermutlich auf absehbare Zeit nicht mehr wiederauferstehn, damit hatte man sich abzufinden und an jenen Gedanken mußten sich auch wir Tausendprozentigen langsam gewöhnen. Vom Endsieg war irgendwann keine Rede mehr, nur noch Endzeitstimmung war zu spüren. Alle versuchten, das Ganze irgendwie zu überstehen und von der guten alten Zeit wollte schon bald niemand mehr etwas wissen.

      Wie so viele Andere auch, kam ich ebenfalls in Kriegsgefangenschaft, doch ich blieb ein Ewiggestriger und schleimte mich bei den Besatzungsmächten nicht ein. Das wiederum imponierte jenen nur bedingt, sie hielten mich für einen Unbelehrbaren, weshalb sie mich länger in Kriegsgefangenschaft behielten als meine opportunistischen Kameraden, die unbedingt zu ihren Familien zurückwollten. Ich dagegen hatte im Grunde nichts mehr zu verlieren und genau so benahm ich mich auch. Der Führer war tot, mein Idol hatte sich aus dem Staub gemacht und uns mit den Besatzern allein gelassen. Am schlimmsten waren nicht die Russen, sondern die Neger. Wenn die einen ganz fröhlich und unverschämt angrinsten, dann wurde einem Rassisten wie mir ganz schlecht. Aber die würden ihre Quittung nach ihrer Rückkehr in die Heimat schon noch bekommen, davon war ich felsenfest überzeugt, denn die Amis waren im Grunde genauso rassistisch wie wir Deutschen, von daher würde den Bimbos das Lachen schon noch vergehen. Rassenschande gab es nun natürlich allerorten, die deutschen Frauen gaben sich den Besatzern hin und all die Schauspielerinnen, die früher bei Goebbels auf der Besetzungscouch gelandet waren, um sich in einen tollen Film zu ficken, waren nun auf der Besatzungscouch vertreten, um Uncle Sam und Uncle Joe, wie Stalin in den USA genannt wurde, einen zu blasen.

      Das war der Treppenwitz der Geschichte schlechthin: Die Loser wie Rußland und Frankreich durften plötzlich über das deutsche Schicksal mitbestimmen, obwohl sie gegen uns keine Chance gehabt hatten, eine Demütigung sondergleichen. Na ja, irgendwie ging das auch alles vorüber, ich aber brauchte unheimlich lange, um mich in jenem neuen Deutschland wieder zurechtzufinden, in dem plötzlich alles verboten worden war, was bis vor Kurzem noch als das einzig Wahre gegolten hatte. Wenigstens lebte ich im Westen des Landes, so daß ich mit den russischen Soldaten nicht in Kontakt kam, das hätte mich völlig fertiggemacht.

      1949 gab es dann die ersten Bundestagswahlen und neben mir dürfte es doch so einige Leute gegeben haben, welche die NSDAP auf dem Wahlzettel vermißten. Na ja, also wählte man halt das kleinere Übel, nicht unbedingt die FDP, die damals auf stolze 11,9 Prozent der Stimmen kam. Erster Bundeskanzler der neuen Bundesrepublik Deutschland (BRD, im Osten gründete man die DDR) wurde ein gewisser Elmar Wadenhauer von der Christlich Demokratischen Union (CDU). Der Mann war damals schon sage und schreibe 73 Jahre alt, aber wenn uns jemand prophezeit hätte, daß "der Alte" länger an der Macht sein würde als unser geliebter Führer, dann hätten wir uns tot gelacht und so gar nicht mehr erlebt, daß es dann tatsächlich so kam. In Bayern konnte man die CDU gar nicht wählen, dort gab es die bayerische Variante der Partei, nämlich die Christlich Soziale Union (CSU). Jene war damals noch jung, frisch gegründet und hatte mit der Bayernpartei, welche Bayern vom Bund abspalten wollte, eine beachtliche Konkurrenz neben sich. Ein Mann namens Hans Werner Braus ragte schon recht bald aus der CSU heraus, man merkte ziemlich schnell, daß es der noch weit bringen wollte und vielleicht auch würde. 14 Jahre Wadenhauer, das war die Höchststrafe für einen Altnazi wie mich, auch wenn der ehemalige Kölner Oberbürgermeister wenigstens fast genauso eindringlich vor den "Soffjets" warnte wie sein Amtsvorgänger. Es waren bewegte Jahre, aber wir waren ein geschlagenes Volk, litten Hunger und waren Verlierer, die nichts mehr hatten worauf sie stolz sein konnten. Nur gut, daß sich die USA und die UdSSR nicht verstanden und überhaupt nicht zusammenpaßten, denn so wurden wir für die Amerikaner plötzlich wichtig und sollten zu einem Bollwerk gegen die kommunistische Gefahr aus dem Osten werden. Dazu waren wir gerne bereit, vielleicht hatte unser kleines Leben also doch noch einen höheren Sinn.

      Ein Leben ohne die FDP, das kann ich mir momentan noch überhaupt nicht vorstellen. Ist das eigentlich möglich? Wir werden sehen, aber nachdem mich jene Partei fast zwei Drittel meines Leben auf meinem Weg begleitet hat, bin ich doch gespannt, wann die ersten Phantomschmerzen auftreten werden. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich habe die FDP nie gewählt und oft gequält, doch für mich war sie wie ein Arbeitskollege, den man kennt und grüßt, aber nicht sonderlich mag. Wenn der eines Tages weg ist, dann freut man sich zunächst darüber, allerdings findet man es auch etwas komisch, nicht lustig komisch, sondern eher merkwürdig komisch. Ich für meinen Teil blieb auch in den Jahren nach dem Krieg ein überzeugter Nazi und das führte dazu, daß ich mich dadurch in der Gesellschaft immer mehr isolierte. Zwar gab es auch Leute, die mich deswegen mochten und ermunterten so weiterzumachen, doch das taten jene nur heimlich, in der Öffentlichkeit dagegen verurteilten sie das alte Regime, auch wenn sie selbst zu seinen allergrößten Fans gehört hatten.

      Das deutsche Volk wurde von den Besatzern systematisch umerzogen und in Bayern wurden aus den Nazis lauter Bazis. Bazis bedeutet nicht etwa bayerische Nazis, sondern eher Gauner, Lumpen, Hallodris, Spitzbuben und Schlitzohren. Jene rafften sich was sie kriegen konnten und zu ihrer bevorzugten Partei im Bayerischen Landtag wurde die CSU, denn die praktizierte so etwas in Gestalt von Hans Werner Braus und etlichen seiner Kollegen ebenfalls ungeniert.

      Um an dieser Stelle ein großes Mißverständnis endlich mal auszuräumen: Natürlich rückten die Bayern noch enger zusammen, wenn ein bestimmtes angebliches Polit-Magazin aus Hamburg mal wieder über ihren Hans Werner herzog und ihm alles Mögliche unterstellte, aber wir waren nicht so blöd zu glauben, daß an den Vorwürfen überhaupt nichts dran war. Ganz im Gegenteil, viele von uns waren sogar sehr stolz darauf, daß es der Braus so toll trieb und ihm trotzdem niemand etwas anhängen konnte, das war schon sehr beeindruckend.

      Der Bayer an sich ist so etwas wie der Italiener Deutschlands. Vetternwirtschaft, Filz und Amigos waren und sind ihm keineswegs fremd, ganz im Gegenteil, sie gehören zu seinem Leben dazu. Alle Räder möchten geschmiert werden und wer als Unternehmer der CSU oder Braus Geld gegeben hat, der brauchte selbstverständlich weniger oder gar keine Steuern СКАЧАТЬ