Название: Mythos, Pathos und Ethos
Автор: Thomas Häring
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783738030754
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Wie auch immer, ich brachte leider des Öfteren die Namen der Frauen durcheinander, was mir durchaus peinlich war, aber letzten Endes konnte ich auch wirklich nichts dafür, wieso mußten sich die blöden Weiber denn auch so ähnlich sehen? Mit der Zeit lernte ich aus meinen Fehlern und hielt mir deshalb nie mehr als drei Freundinnen auf einmal. Das konnte ich gerade noch so bewerkstelligen, weshalb die Frauen auch nichts voneinander erfuhren. Meine Freunde, die wie ich NSDAP-Mitglieder waren und genauso wie ich auf einen Aufstieg in der Partei hofften, bewunderten mich für meine Redekunst, amüsierten sich aber auch über meine Weibergeschichten und genossen es, mich damit erpressen zu können. Beruflich hatte ich es in jenen Jahren noch nicht sonderlich weit gebracht. Zwar war ich immerhin vom einfachen Fabrikarbeiter zum Blockwart aufgestiegen, aber so richtig Karriere gemacht hatte ich nun wahrlich nicht. Nichtsdestotrotz lobte ich den Führer in den allerhöchsten Tönen, was mir sowohl Anerkennung als auch Verachtung einbrachte. Meine Mutter zum Beispiel wollte deshalb schon längst nichts mehr von mir wissen, ich aber über sie viel mehr, weshalb ich sie von der Gestapo bespitzeln ließ. Irgendwann wurde sie von jener abgeholt und in ein Lager gebracht, aber mein Mitleid hielt sich in Grenzen, denn das hatte sie sich alles selbst zuzuschreiben. Wer nicht mit der Zeit geht, der muß halt mit der Zeit gehen, lautete das Motto jener Jahre und auch die Bücherverbrennungen stießen bei mir und meinesgleichen auf ein freudiges Echo und Hallo, denn auf die Art und Weise war der jüdische Schund wenigstens noch zu was gut, nämlich zu einem schönen, wärmenden Feuerchen, lesen konnte und wollte man den Scheiß eh nicht.
Wie bereits erwähnt, für die Juden wurde es immer unangenehmer, manche von denen waren schlau und reich genug, um ins Exil zu gehen, andere glaubten wiederum, alles wäre halb so schlimm und würde irgendwie vorübergehen. Na ja, wir Deutschen feierten uns und unsere Führung bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin und als es damit begann, mehr Lebensraum zu geben, durch den Anschluß Österreichs, der Annexion von Böhmen und Mähren, sowie die Zerschlagung der Tschechoslowakei, da wußten wir endgültig, daß wir auf das richtige Pferd, also den Führer Adolf Hitler, gesetzt hatten.
Der Antisemitismus als solcher war ja schon lange verbreitet und tief in vielen Völkern verankert, der entstand keineswegs von heute auf morgen. Hitler wußte das, nutzte die Gunst der Stunde und entfachte die lodernde Glut. Daß wir Deutschen uns für die Drecksarbeit einen Ausländer geholt hatten, weil wir uns selbst unsere arisch reinen Finger nicht schmutzig machen hatten wollen, sprach vielleicht nicht gerade für uns, zeugte aber irgendwie dennoch von einer bemerkenswerten Weitsichtigkeit. Auf die Art und Weise konnten wir nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg die ganze Verantwortung und Schuld auf den Österreicher schieben, unsere Hände in Unschuld waschen und danach genauso weitermachen wie vorher. Wir erteilten uns alle gegenseitig die Absolution und damit hatte es sich dann auch schon. Doch bevor es dazu kam, erst einmal auf in den Kampf. Ich für meinen Teil hatte "Mein Kampf" schon vor dem Ausbruch des Krieges mehrere Male gelesen und war begeistert gewesen. Meiner Meinung nach hätte Hitler dafür den Literaturnobelpreis erhalten müssen und wenn dem so gewesen wäre, dann hätte er die Welt womöglich verschont. Na gut, zugegeben, das vielleicht nicht, aber wer sein Werk aufmerksam studiert hatte, der wußte ganz genau was kommen würde. Entweder hatte man den Adolf völlig unterschätzt, nicht ernst genommen, für einen Sprücheklopfer gehalten, oder, noch schlimmer, sein Meisterwerk überhaupt nicht gelesen, obwohl doch in jedem deutschen Haushalt mindestens eins davon zu finden war. Ich für meinen Teil wußte schon längst, daß Führer oder später die Revanche für den verlorenen Ersten Weltkrieg beginnen würde, von daher hielt sich meine Überraschung in den Grenzen von 1913, als es dann wirklich soweit war. Auf an die Front, hipp hipp, hurra!
Um Hitler wirklich zu verstehen, muß man sich vergegenwärtigen, daß der Mann eigentlich ein Künstler und kein Politiker gewesen war. Ihn interessierte nicht die Macht des Möglichen, sondern lediglich die Möglichkeiten der Macht. Er war ein Radikaler in seinem ursprünglichen Sinn, einer, der das Übel, in seinem Fall den jüdischen Bolschewismus, bei den Wurzeln packen und ausreißen wollte. Für Hitler war der Krieg die Fortführung des Friedens mit anderen Mitteln. Ja, es war keine schöne Zeit an der Front und es machte auch keinen Spaß, andere Leute zu erschießen, selbst wenn es sich bei jenen nach unserer Ideologie um Untermenschen handelte. Außerdem verstand ich auch nicht, warum wir uns mit den Russen verbündet hatten, um untereinander Polen aufzuteilen. Irgendwie hatte ich kein gutes Gefühl bei der Sache, schließlich hatte uns "Onkel Adolf", wie wir ihn hinter verschlossenen Türen manchmal liebevoll nannten, jahrelang eingetrichtert gehabt, die Russen wären die leibhaftigen Bösen, die uns vernichten wollten. Na ja, da konnte man schon durcheinander kommen, bei jener sich ständig verändernden Gemengelage. Wir machten das Beste daraus, versuchten zu überleben und ballerten was das Zeug hielt. Unsere ersten Kriegseinsätze waren Kinderspiele, wir wollten Gegner, keine Opfer, aber dafür waren wir einfach zu stark und noch dazu vollgepumpt mit Drogen. СКАЧАТЬ