Mythos, Pathos und Ethos. Thomas Häring
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Название: Mythos, Pathos und Ethos

Автор: Thomas Häring

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783738030754

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СКАЧАТЬ Den Tag der Machtergreifung, den 30.01.1933, feierte ich mit meinen Kameraden, wir soffen bis zum Morgengrauen und kotzten dann in die Büsche. Wir fühlten uns unbesiegbar und glaubten an die Wiederauferstehung des deutschen Volkes sowie an unseren Sieg über seine Feinde. Na ja, es ging alles ganz verheißungsvoll los, auch wenn die Leute von der SA ständig nervten und ebenfalls lukrative Posten ergattern wollten. Ich selber war ja anfangs auch in der SA gewesen, doch irgendwann hatte ich gemerkt, daß der Führer höchstpersönlich mit den alten Kameraden, welche für die Bewegung in den Straßenschlachten den Kopf hingehalten hatten, nicht mehr sonderlich viel anfangen konnte und so wandte auch ich mich von meinen alten Freunden langsam ab und suchte mir bessere Gesellschaft. Zugegeben, ich war durchaus schockiert, als die alten Kameraden im Sommer 1934 massenweise hingerichtet wurden, aber andererseits störte es mich auch nicht sonderlich, denn irgendwie waren die ein Relikt aus alten Zeiten, welches man in der Zukunft nicht mehr brauchen würde. Die meisten Leute in Deutschland sahen das ähnlich, viele lobten den Führer für seine Entschlossenheit und der machte munter weiter. Das ganze historische Zeug, Reichstagsbrand, Notverordnungen, Ermächtigungsgesetz und so weiter dürfte ja hinlänglich bekannt sein, von daher werde ich mich lieber auf meine eigene Lebensgeschichte konzentrieren. Apropos Konzentration: Von den Lagern wußten die meisten Deutschen wirklich nichts, also das KZ Dachau war schon bekannt, aber da dorthin ja nur Andersdenkende sowie Andersartige gebracht wurden, machte sich unsereins darüber keine großen Gedanken. Wir bejubelten viel lieber den Führer beim Reichsparteitag in Nürnberg, lasen voller Begeisterung den "Stürmer" und freuten uns darüber, daß der Hitler von einem Erfolg zum nächsten eilte. Bevor er damit anfing, die Juden auszurotten, tat er dasselbe mit der Arbeitslosigkeit, was ihn noch beliebter machte. Er war ein politisches Genie, das stand für uns als seine überzeugten Anhänger völlig außer Frage und die paar Kritiker, Besserwisser und Dauernörgler ignorierten wir entweder oder denunzierten sie bei der Gestapo, wenn sie ihre Klappe überhaupt nicht halten wollten. Wie bereits erwähnt, für mich persönlich waren die Jahre zwischen 1933 und 1938 vielleicht die schönsten meines Lebens. Der Führer gurrte süßlich wie eine Friedenstaube, wenn er mit dem Ausland korrespondierte, im Inland hielt er die Zügel straff und fest in der Hand, wir hatten alle gut zu tun und waren stolz auf unsere glorreiche Nation. Es ging wieder aufwärts und wir wußten nur zu gut, wem wir das zu verdanken hatten. Den Juden bestimmt nicht, denn die konnte unser Führer überhaupt nicht leiden, warum auch immer, jedenfalls hatte er was gegen die und weil er sie nicht mochte, behandelten auch wir sie so schlecht wie möglich, obwohl sie uns früher ziemlich egal gewesen waren. Für die Juden wurde es immer ungemütlicher im Deutschen Reich, was uns nichts ausmachte, denn wir hatten unseren Ariernachweis, der bewies, daß wir ein Teil der Herrenrasse, die über die ganze Welt herrschen sollte, waren. Von daher hatten wir es ziemlich gut erwischt, ich für meinen Teil sah auch nicht schlecht aus und weil ich als Kind viele Jahre lang dank meiner Mutter gelernt hatte, wie Mann mit Frauen umgehen mußte, erzielte ich bei der Damenwelt beachtliche Erfolge. Mein Charme war legendär, Scham kannte ich nicht und so feuerte ich aus allen Rohren, noch lange bevor der Zweite Weltkrieg begann. Das Problem an der Sache bestand lediglich darin, daß sich manche meiner Freundinnen relativ ähnlich sahen, weil ich scheinbar auf einen ganz bestimmten Typus Frau abfuhr, also ähnlich wie heutzutage der Maurice Mecker oder der Dietmar Kohlen, nur halt nicht auf so Mischlinge wie die, das wäre seinerzeit auch völlig undenkbar und überhaupt nicht gern gesehen gewesen, als abartige Rassenschande hätte man das bezeichnet.

      Wie auch immer, ich brachte leider des Öfteren die Namen der Frauen durcheinander, was mir durchaus peinlich war, aber letzten Endes konnte ich auch wirklich nichts dafür, wieso mußten sich die blöden Weiber denn auch so ähnlich sehen? Mit der Zeit lernte ich aus meinen Fehlern und hielt mir deshalb nie mehr als drei Freundinnen auf einmal. Das konnte ich gerade noch so bewerkstelligen, weshalb die Frauen auch nichts voneinander erfuhren. Meine Freunde, die wie ich NSDAP-Mitglieder waren und genauso wie ich auf einen Aufstieg in der Partei hofften, bewunderten mich für meine Redekunst, amüsierten sich aber auch über meine Weibergeschichten und genossen es, mich damit erpressen zu können. Beruflich hatte ich es in jenen Jahren noch nicht sonderlich weit gebracht. Zwar war ich immerhin vom einfachen Fabrikarbeiter zum Blockwart aufgestiegen, aber so richtig Karriere gemacht hatte ich nun wahrlich nicht. Nichtsdestotrotz lobte ich den Führer in den allerhöchsten Tönen, was mir sowohl Anerkennung als auch Verachtung einbrachte. Meine Mutter zum Beispiel wollte deshalb schon längst nichts mehr von mir wissen, ich aber über sie viel mehr, weshalb ich sie von der Gestapo bespitzeln ließ. Irgendwann wurde sie von jener abgeholt und in ein Lager gebracht, aber mein Mitleid hielt sich in Grenzen, denn das hatte sie sich alles selbst zuzuschreiben. Wer nicht mit der Zeit geht, der muß halt mit der Zeit gehen, lautete das Motto jener Jahre und auch die Bücherverbrennungen stießen bei mir und meinesgleichen auf ein freudiges Echo und Hallo, denn auf die Art und Weise war der jüdische Schund wenigstens noch zu was gut, nämlich zu einem schönen, wärmenden Feuerchen, lesen konnte und wollte man den Scheiß eh nicht.

      Wie bereits erwähnt, für die Juden wurde es immer unangenehmer, manche von denen waren schlau und reich genug, um ins Exil zu gehen, andere glaubten wiederum, alles wäre halb so schlimm und würde irgendwie vorübergehen. Na ja, wir Deutschen feierten uns und unsere Führung bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin und als es damit begann, mehr Lebensraum zu geben, durch den Anschluß Österreichs, der Annexion von Böhmen und Mähren, sowie die Zerschlagung der Tschechoslowakei, da wußten wir endgültig, daß wir auf das richtige Pferd, also den Führer Adolf Hitler, gesetzt hatten.

      Der Antisemitismus als solcher war ja schon lange verbreitet und tief in vielen Völkern verankert, der entstand keineswegs von heute auf morgen. Hitler wußte das, nutzte die Gunst der Stunde und entfachte die lodernde Glut. Daß wir Deutschen uns für die Drecksarbeit einen Ausländer geholt hatten, weil wir uns selbst unsere arisch reinen Finger nicht schmutzig machen hatten wollen, sprach vielleicht nicht gerade für uns, zeugte aber irgendwie dennoch von einer bemerkenswerten Weitsichtigkeit. Auf die Art und Weise konnten wir nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg die ganze Verantwortung und Schuld auf den Österreicher schieben, unsere Hände in Unschuld waschen und danach genauso weitermachen wie vorher. Wir erteilten uns alle gegenseitig die Absolution und damit hatte es sich dann auch schon. Doch bevor es dazu kam, erst einmal auf in den Kampf. Ich für meinen Teil hatte "Mein Kampf" schon vor dem Ausbruch des Krieges mehrere Male gelesen und war begeistert gewesen. Meiner Meinung nach hätte Hitler dafür den Literaturnobelpreis erhalten müssen und wenn dem so gewesen wäre, dann hätte er die Welt womöglich verschont. Na gut, zugegeben, das vielleicht nicht, aber wer sein Werk aufmerksam studiert hatte, der wußte ganz genau was kommen würde. Entweder hatte man den Adolf völlig unterschätzt, nicht ernst genommen, für einen Sprücheklopfer gehalten, oder, noch schlimmer, sein Meisterwerk überhaupt nicht gelesen, obwohl doch in jedem deutschen Haushalt mindestens eins davon zu finden war. Ich für meinen Teil wußte schon längst, daß Führer oder später die Revanche für den verlorenen Ersten Weltkrieg beginnen würde, von daher hielt sich meine Überraschung in den Grenzen von 1913, als es dann wirklich soweit war. Auf an die Front, hipp hipp, hurra!

      Um Hitler wirklich zu verstehen, muß man sich vergegenwärtigen, daß der Mann eigentlich ein Künstler und kein Politiker gewesen war. Ihn interessierte nicht die Macht des Möglichen, sondern lediglich die Möglichkeiten der Macht. Er war ein Radikaler in seinem ursprünglichen Sinn, einer, der das Übel, in seinem Fall den jüdischen Bolschewismus, bei den Wurzeln packen und ausreißen wollte. Für Hitler war der Krieg die Fortführung des Friedens mit anderen Mitteln. Ja, es war keine schöne Zeit an der Front und es machte auch keinen Spaß, andere Leute zu erschießen, selbst wenn es sich bei jenen nach unserer Ideologie um Untermenschen handelte. Außerdem verstand ich auch nicht, warum wir uns mit den Russen verbündet hatten, um untereinander Polen aufzuteilen. Irgendwie hatte ich kein gutes Gefühl bei der Sache, schließlich hatte uns "Onkel Adolf", wie wir ihn hinter verschlossenen Türen manchmal liebevoll nannten, jahrelang eingetrichtert gehabt, die Russen wären die leibhaftigen Bösen, die uns vernichten wollten. Na ja, da konnte man schon durcheinander kommen, bei jener sich ständig verändernden Gemengelage. Wir machten das Beste daraus, versuchten zu überleben und ballerten was das Zeug hielt. Unsere ersten Kriegseinsätze waren Kinderspiele, wir wollten Gegner, keine Opfer, aber dafür waren wir einfach zu stark und noch dazu vollgepumpt mit Drogen. СКАЧАТЬ