Название: Germinal
Автор: Emile Zola
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754175019
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Doch als er tatsächlich an Ort und Stelle war, rief eine andere Stimme aus der Tiefe des Schlages heraus:
»Was ist's denn? Wollt ihr uns etwa zum besten halten? Ich komme von Montsou, habe zwei Kilometer zurückzulegen und bin der erste am Platze!«
Es war Chaval, ein großer, magerer Mensch von fünfundzwanzig Jahren, knochig, mit scharf ausgeprägten Zügen. Er ärgerte sich, weil man ihn hatte warten lassen.
Als er Etienne bemerkte, fragte er im Tone der Überraschung und Geringschätzung:
»Wer ist denn das?«
Als Maheu ihm die Geschichte erzählt hatte, brummte er zwischen den Zähnen:
»So? Die Burschen essen jetzt das Brot der Dirnen?«
Die beiden Männer tauschten einen Blick aus, in dem der instinktive Haß plötzlich aufflammte. Etienne hatte den Schimpf empfunden, ohne die Bemerkung recht zu verstehen. Es herrschte Stille, und alle gingen an die Arbeit. Die Adern füllten sich allmählich, man war bei allen Schlägen in voller Tätigkeit, in jedem Stockwerk, am Ende eines jeden Minenganges. Der gefräßige Schacht hatte seine tägliche Ration Menschen verschlungen, nahezu siebenhundert Arbeiter, die jetzt in diesem riesigen Ameisenbau arbeiteten und die Erde von allen Seiten durchlöcherten, daß sie aussah wie altes wurmstichiges Holz. Wenn man inmitten der bedrückenden Stille, die hier unter den tiefen Schichten herrschte, das Ohr an den Felsen legte, konnte man die Arbeit dieser in Bewegung befindlichen Menschenkäfer hören, angefangen von dem Flug des Kabels, das die Fördermaschine auf und nieder steigen ließ, bis zu den Schlägen der Werkzeuge, die in der Tiefe der Häue die Kohle aus dem Gestein brachen.
Als Etienne sich umwandte, fand er sich abermals an Katharina gedrängt. Doch diesmal verspürte er die beginnenden Rundungen ihres Busens und erklärte sich auch sogleich die Wärme, die ihn durchdrungen hatte.
»Du bist ein Mädchen?« murmelte er betroffen.
Worauf sie in heiterem Tone und, ohne zu erröten, erwiderte:
»Gewiß ... Aber du hast lange gebraucht, um es zu merken.«
Viertes Kapitel
Die vier Häuer lagen, einer über dem andern, auf dem sanft ansteigenden Flötz hingestreckt. Durch den Bretterverschlag getrennt, der die abgeschlagene Kohle festhielt, nahm jeder etwa vier Meter Raum in dem Minengange ein. Die Ader war an dieser Stelle so dünn, -- kaum fünfzig Zentimeter -- daß sie gleichsam zwischen Decke und Mauer eingezwängt lagen, mittels der Knie und Ellbogen sich fortbewegten und bei der geringsten Bewegung mit den Schultern an die Mauer stießen. Sie mußten, um die Kohle anzubrechen, auf der Seite liegen mit zurückgebogenem Halse und schräg die kurzstielige Spitzhacke schwingen.
Zu unterst lag Zacharias, Levaque und Chaval über ihm und ganz oben Maheu. Jeder bearbeitete zuerst die Schicht mit der Spitzhacke, machte dann zwei Längseinschnitte und löste schließlich den Block los, indem er am oberen Teile ein Eisen einstemmte. Die Steinkohle war fett; der Block zerbrach und rollte in Stücken den Bauch und die Schenkel entlang. Wenn diese, durch den Verschlag festgehaltenen Stücke sich unter ihnen angesammelt hatten, verschwanden die Häuer, gleichsam eingemauert in den engen Spalt.
Maheu litt am meisten. Oben stieg die Temperatur bis auf fünfunddreißig Grad; es gab keine Luftbewegung mehr; der Druck wurde auf die Dauer tödlich. Er hatte, um deutlich zu sehen, seine Lampe an einem Nagel neben seinem Kopfe befestigen müssen; diese neben seinem Schädel brennende Lampe brachte sein Blut vollends zum Sieden. Die schlimmste Marter aber kam von der Nässe. Wenige Zentimeter über seinem Antlitz floß das Wasser aus dem Felsen; dicke Tropfen fielen in unablässiger, rascher Folge und einer gewissen beharrlichen Gleichmäßigkeit immer auf die nämliche Stelle. Vergebens drehte er den Hals: die Tropfen klatschten ihm unablässig ins Gesicht. Nach einer Viertelstunde war er durchnäßt und überdies von Schweiß bedeckt, so daß ein dichter Dampf von ihm ausging wie von feuchter Wäsche. Heute fiel ihm ein Tropfen so hartnäckig ins Auge, daß er zu fluchen begann. Er wollte die Arbeit nicht aufgeben und führte kräftige Schläge, die ihn zwischen den zwei Felsen erschütterten wie eine Blattlaus zwischen zwei Blättern eines Buches in der Gefahr, vollständig zerdrückt zu werden.
Kein Wort wurde gewechselt. Alle arbeiteten; man hörte nichts als die unregelmäßigen, dumpfen, gleichsam fernen Schläge. Jedes Geräusch klang rauh, ohne Widerhall in dieser toten Luft. Es schien, als sei die Finsternis von einer ganz unbekannten Schwärze, verdichtet durch den fliegenden Kohlenstaub, beschwert durch die Gase, die auf die Augen drückten. Die Dochte der Lampen unter ihrem Hütchen von metallischer Leinwand waren in dieser Luft nur rötliche Punkte. Man konnte nichts unterscheiden; gähnend öffnete sich der Schlag und stieg an wie ein breiter, platter, schräger Kamin, wo der durch zehn Winter angehäufte Ruß eine tiefe Finsternis verursachte. Gespensterhafte Formen bewegten sich darin; die Irrlichter ließen bald die Rundung einer Hüfte sehen, bald wieder einen knorrigen Arm oder ein dräuendes Haupt, geschwärzt, wie um ein Verbrechen zu begehen. Zuweilen leuchteten die losgelösten Kohlenblöcke an ihren Ecken und Kanten plötzlich in einem kristallischen Widerscheine auf. Dann versank wieder alles in Dunkelheit; die Spitzhacken arbeiteten mit dumpfen Schlägen; man hörte nichts als das Keuchen der Brüste und das Murren des Unbehagens und der Ermüdung in der drückenden Luft und dem strömenden Regen.
Zacharias, dessen Arme nach einer gestrigen Schwelgerei noch ganz schlaff waren, ließ die Arbeit bald im Stiche, indem er die Notwendigkeit, die Wand zu verholzen, vorschützte. Dies gestattete ihm eine kleine Ruhepause, während welcher er leise vor sich hinpfiff und ins Leere starrte. Hinter den Häuern waren nahezu drei Meter der Ader hohl, ohne daß sie noch die Vorsicht gebraucht hätten, den Felsen zu stützen, unbekümmert um die Gefahr und geizend mit ihrer Zeit.
»He, Aristokrat, reiche mir Holz herauf!« rief der junge Mann Etienne zu.
Etienne, der von Katharina lernte, wie die Schaufel zu gebrauchen sei, mußte Holz nach dem Schlag hinaufschaffen. Es war noch vom gestrigen Tage ein kleiner Vorrat da. In der Regel wurde jeden Morgen das Holz hinabgeschafft, fertig geschnitten, je nach der Dichtigkeit der Schicht.
»Spute dich doch, verdammter Faulpelz«, rief Zacharias, als er sah, wie der neue Eggenmann inmitten der Kohlen mühselig emporkletterte, die Arme mit vier Stück Eichenholz beschwert.
Er machte mit seiner Spitzhacke einen Einschnitt in der Decke, dann einen zweiten in der Wand; in diese Einschnitte stemmte er die beiden Enden der Hölzer und so stützte er den Felsen. Des Nachmittags holten die Erdarbeiter den Schutt, den die Häuer in den Galerien zurückgelassen und füllten damit die ausgebeuteten Gänge der Ader, wobei sie nur den unteren und den oberen Weg zur Fortschaffung der Kohle frei ließen.
Maheu hatte aufgehört zu stöhnen. Endlich hatte er seinen Block los. Er trocknete sich mit dem Rockärmel das schweißbedeckte Antlitz und schaute nach, was Zacharias machte, der hinter ihm heraufgekommen war.
»Laß das.« sagte er »wir sehen nach dem Frühstück ... Es ist besser, im Schlag fortzufahren, wenn wir unsere Anzahl Hunde fertigbringen wollen.«
»Die Decke senkt sich«, bemerkte der junge Mann. »Da ist ein Riß. Ich fürchte einen Einsturz.«
Doch der Vater zuckte mit den Achseln. Ach was, Einsturz! Das wäre auch nicht zum erstenmal; man wird dabei nicht gleich die Knochen lassen. Er wurde schließlich böse und sandte seinen Sohn zum vorderen Schlag zurück.
Übrigens benutzten alle die Pause, um die Glieder zu recken. Levaque, der auf dem Rücken liegen СКАЧАТЬ