Das Geschlechtsleben der Hysterischen - eine medizinische, soziologische und forensische Studie. Siegfried Placzek
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СКАЧАТЬ wenig haben »Unterleibsleiden« mit Hysterie etwas zu tun. Anschauungen von Frauenärzten, dass eine Schrumpfung des Beckenbindegewebes oder chronische Entzündungsvorgänge daselbst zu einer Reizung sympathischer Nervenelemente und durch Übertragung auf das Zentralnervensystem zur Hysterie führen soll, beruhen auf anatomischen Konstruktionen, welche dem Wesen der Hysterie und ihrer psychischen Ursachen in keiner Weise gerecht werden. Manche degenerativ veranlagten (namentlich weibliche) Personen sind bezüglich ihrer psychischen Sexualität infantil geblieben, wie überhaupt die degenerative Veranlagung und der psychische Infantilismus gewisse Ähnlichkeit aufweisen können. Dagegen darf als feststehend betrachtet werden, dass Gedankeninhalte, affektive Erregungen, Konflikte sexueller Art unter Umständen den Anlass oder Anstoß zu einer hysterischen Reaktion geben können, ebenso wie jede andere affektive Erregung oder ein Konflikt auch.

      Hans W. Gruhle l. c. S. 98., der es für viel zu banal erklärt, die Sexualität und ihre Konflikte immer für hysterische Störungen verantwortlich machen zu wollen, da sie nur eine Ursache unter anderen sind, gibt zu, dass auch bei älteren verheirateten und unverheirateten Frauen gelegentlich einmal die Ursache hysterischer Symptome in sexuellen Konflikten oder sexueller Abstinenz liegen kann. Den weiblichen Genitalorganen misst er einen Einfluss auf die Entstehung neurotischer Symptome bei, insofern, als heftige, von den Frauenorganen ausgehende Schmerzen den Organismus herunterbringen, oder eine Uterusverlagerung oder Myome eine Empfängnis verhindern, und die Frauen unter der Sterilität leiden. Diese neurotischen Störungen verschwinden zugleich mit der Ursache.

       So scheint der alte Streit um die Bedeutung des Geschlechtsapparats für die Hysterie eindeutig dahin entschieden, dass die Geschlechtlichkeit keineswegs bedeutungslos, doch nicht ursächlich in dem Sinne mitspricht, wie man von alters annahm. Da kam die Freudsche Lehre und mit ihr verblüffend der Rückfall in die älteste Auffassungsweise von der ausnahmslos ursächlichen Bedeutung der Geschlechtlichkeit für die Hysterie, wenn auch in neuartiger, modern-psychologischer Aufmachung. Erschütternde Ereignisse, vielfach dem Patienten selbst nicht mehr erinnerlich, gehen nicht spurlos vorüber, die Erinnerung an sie ist ins Unterbewusstsein verdrängt. Konnte der begleitende Affekt nicht in Ausdrucksbewegungen umgesetzt werden, so klemmte er sich ein und wird nun im hysterischen Symptom wirksam.

      »Die Neurose wäre einer traumatischen Erkrankung gleichzusetzen und entstünde durch die Unfähigkeit, ein überstark affektbetontes Ereignis zu erledigen« Vorles. z. Einf. i. d. Psychoanalyse. 3. Teil, Heller u. Co., Leipzig-Wien, 1917. S. 312..

      Wie sagt Freud selbst?

      »Aus bewussten Vorgängen werden Symptome nicht gebildet; sowie die betreffenden unbewussten bewusst geworden sind, muss das Symptom verschwinden« Ebenda, S. 317..

      Und weiter:

      »Die Symptomenbildung ist ein Ersatz für etwas anderes, was unterblieben ist. Gewisse seelische Vorgänge hätten sich normalerweise soweit entwickeln sollen, dass das Bewusstsein Kunde von ihnen erhält. Das ist nicht geschehen, und dafür ist aus den unterbrochenen, irgendwie gestörten Vorgängen, die unbewußt bleiben mussten, das Symptom hervorgegangen. Es ist also etwas wie eine Vertauschung vorgefallen; wenn es gelingt, diese rückgängig zu machen, hat die Therapie der neurotischen Symptome ihre Aufgabe gelöst« Ebenda, S. 317..

      Oder:

      »Nach einer Regel, die ich immer wieder bestätigt gefunden, bedeutet ein Symptom die Darstellung einer Phantasie mit sexuellem Inhalt« Studien über Hysterie. S. 413..

      Oder:

      »Die Krankheitserscheinungen sind, geradezu gesagt, die sexuellen Betätigungen des Kranken« Ebenda, S. 461..

      Es ist also die Aufgabe der psycho-analytischen Behandlung, »alles pathogene Unbewusste ins Bewusste umzusetzen«. Eine Formel, die Freud auch durch die andere ersetzt:

      »Alle Erinnerungslücken des Kranken auszufüllen, seine Amnesien aufzuheben.«

       Gelingt es der Psychokatharsis, der von Breuer und Freud auf Grund ihrer Lehre begonnenen Behandlung, das auslösende Ereignis, das »psychische Trauma« in Hypnose aufzufinden, die Kranke das auslösende Ereignis wieder durchleben zu lassen, es in den Brennpunkt des Bewusstseins zu bringen und den eingeklemmten Affekt durch Neuerleben zu erledigen, – abzureagieren, – so schwindet die Krankheit. Freud nennt die roheste Vorstellung von diesen Systemen die bequemste, nämlich die räumliche, und erläutert das auf folgende Weise:

      »Wir setzen also das System des Unbewussten einem großen Vorraum gleich, in dem sich die seelischen Erregungen wie Einzelwesen tummeln. An diesen Vorraum schließt sich ein zweiter, engerer, eine Art Salon, in welchem auch das Bewusstsein verweilt. Aber an der Schwelle zwischen beiden Räumlichkeiten waltet ein Wächter seines Amtes, der die einzelnen Seelenregungen mustert, zensuriert und sie nicht in den Salon einlässt, wenn sie sein Missfallen erregen. Sie sehen sofort ein, dass es nicht viel Unterschied macht, ob der Wächter eine einzelne Regung bereits von der Schwelle abweist, oder ob er sie wieder über sie hinausweist, nachdem sie in den Salon eingetreten ist. Es handelt sich dabei nur um den Grad seiner Wachsamkeit und um sein frühzeitiges Erkennen. Das Festhalten an diesem Bilde gestattet uns nun eine weitere Ausbildung unserer Nomenklatur. Die Regungen im Vorraum des Unbewussten sind dem Blick des Bewusstseins, das sich ja im anderen Raum befindet, entzogen; sie müssen zunächst unbewußt bleiben. Wenn sie sich bereits zur Schwelle vorgedrängt haben und vom Wächter zurückgewiesen worden sind, dann sind sie bewusstseinsunfähig; wir heißen sie: verdrängt. Aber auch die Regungen, welche der Wächter über die Schwelle gelassen, sind darum nicht notwendig auch bewusst geworden; sie können es bloß werden, wenn es ihnen gelingt, die Blicke des Bewusstseins auf sich zu ziehen, wir heißen darum diesen zweiten Raum mit gutem Recht das System des Vorbewussten. Das Bewusstsein behält dann seinen rein deskriptiven Sinn. Das Schicksal der Verdrängung besteht aber für eine einzelne Regung darin, dass sie vom Wächter nicht aus dem System des Unbewussten in das des Vorbewussten eingelassen wird. Es ist derselbe Wächter, den wir als Widerstand kennenlernen, wenn wir durch die analytische Behandlung die Verdrängung aufzuheben versuchen« Vorles. Psychoanalyse. 3. Teil. s. 336.

      Für Freud handelt es sich bei der Hysterie vornehmlich um sexuell verdrängte Reminiszenzen, und wenn er in diesen vielfach auch kein Erlebnis, sondern Phantasieprodukte feststellt, die sexuelle Reaktionsweise erscheint ihm sicher.

      »Das Gedankenleben der Hysterischen ist erfüllt von Reminiszenzen, in denen in keinem Falle das psychische Trauma, und zwar das sexuelle, vermisst wird.«

       Also was für Charcot als sinnlose Ausdeutung erschien, die Identifizierung von hysterisch mit geschlechtlich, kehrt in der Freudschen Lehre voll wieder, nur in modern psychologisch veränderter Form. Die Psyche der Hysterischen ist von sexuellen Reminiszenzen erfüllt. Diese sind durch ein sexuelles Trauma entstanden, das schon in zartester Kindheit eingewirkt haben kann. Da für Freud schon jede Lebensbetätigung des Säuglings, weil sie lustbetont ist, auch sexuell erscheint, da für ihn der Säugling sogar polymorph-pervers ist, da für ihn jedes Kind sich frühzeitig mit Penisangst, Penisneid, mit Liebe zum andersgeschlechtlichen und Eifersucht gegen den gleichgeschlechtlichen Elternteil abquält, haben wir also ein verwirrendes, kaleidoskopisches Sammelsurium sexueller Entstehungsmöglichkeiten hysterischer Phänomene, deren Entstehungsmechanismus eindeutig sexuell bedingt ist, krasser in seiner Bedingtheit, wie es der Laienvorstellung in alter Zeit erschien, die hysterisch mit geschlechtlich identifizierte.

      Zur Sexualtheorie Freud bekennt sich neben einer Reihe von Freud-Schülern bis zu einem gewissen Grade auch Dubois, wenn er sagt:

      »Ich bin geneigt zu glauben, dass die verschiedenartigen, undeutlich bewussten und halb bewussten Empfindungen, die mit dem Sexualtriebe verknüpft sind, selbst bei der auch in der Gesinnung unbeflecktesten СКАЧАТЬ