Der Intellektuelle, der klug genug war, sich nicht dafür zu halten. Joachim Kath
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Название: Der Intellektuelle, der klug genug war, sich nicht dafür zu halten

Автор: Joachim Kath

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783847659433

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СКАЧАТЬ Brücke ein gigantischer Ausblick auf die vorgelagerte Insel Virginia Key und über die Biscayne Bay hinweg auf Crandon Park, mit Charter Fishing, Golf Course und dem berühmten International Tennis Center. Jonathan Seyberg hatte darauf bestanden, dass wir Zimmer mit Meerblick nahmen und sie sogar zu irgendeinem günstigen Businesstarif bekommen.

      „Alte Verbindungen!“ nannte er das und fügte erklärend hinzu: „Wenn ein Hotel schon am Ocean Drive liegt, dann will ich den Ozean nicht nur riechen. Der Mensch ist ein Augentier. Unsere Distanzinformationen nehmen wir sogar fast zu 100 Prozent mit unserem Sehorgan auf. Wir sehen in einem Winkel von 175 Grad, was natürlich im Vergleich zur Fliege mit ihren Facettenaugen gar nichts ist, die fast 360 Grad sehen kann, weswegen sie sich auch nicht so leicht erwischen lässt. Aber ich wollte etwas anderes sagen: Die Bildverarbeitung findet im Gehirn statt und deshalb könne wir nur das wahrnehmen, was wir kennen. Die visuellen Reize werden interpretiert, was bestehende Informationen voraussetzt. Wenn man beispielsweise die Buchstaben nicht kennt, kann man nicht lesen und wenn man die Bedeutung von Wörtern nicht kennt, kann man den Text nicht verstehen.“

      Wir saßen auf der Rib Room Terrace vom Sonesta bei Meeresfrüchten und Weißwein. Umgeben von tropischem Ambiente, Lichtern in Palmenform und Deckenventilatoren. Eine Gruppe von drei Gitarristen, kubanische Migranten, wanderten von Tisch zu Tisch. Südamerikanische Rhythmen streiften dezent das Ohr und wir genossen den weiten Blick über das in der Abenddämmerung dunkelgrau gefärbte Wasser bis zum noch hellen Himmel am Horizont, dessen Linie die schwarzen Silhouetten einiger Segelboote unterbrachen.

      „Können Sie noch gut sehen, ich meine ohne Brille, beim Tennis?“ fragte ich, weil ich ihn vorhin die Speisekarte weit von sich halten sah.

      „Meine Arme sind nicht mehr lang genug. Für das Dessert reicht es noch, aber für das Hauptgericht wird es wegen der Gräten manchmal problematisch. Nein, im Ernst, meine Augen haben eine unterschiedliche Sehschärfe wie bei den meisten Menschen. Gott sei Dank bin ich weitsichtig, hoffentlich nicht nur beim Sehen, aber wenn man erst einmal mehr als zwei Dioptrien für die Lesebrille auf dem einen Auge braucht, ist die Sehschärfe auch auf die Distanz etwas beeinträchtigt. Mein Gehirn hat wegen der unterschiedlichen Sehkraft meiner beiden Augen eine ganz schöne Rechenleistung beim Tennis zu vollbringen. Übrigens bilden sich nach allerneuester Forschung auch bei Erwachsenen neue Gehirnzellen, wenn auch bisher nur in relativ geringem Umfang zur Gehirnmasse, aber immerhin.“

      „Martina Navratilova trug eine Brille!“

      „Klar, viele Spielerinnen und Spieler in der Weltspitze tragen Kontaktlinsen. Ich habe anfangs nur eine Schirmmütze getragen, selbst bei gleißender Sonne. Aber inzwischen trage ich eigens für meine Bedürfnisse vom Optiker eingeschliffene Gläser in meiner Sportbrille. Damit kann ich mit der Sonne und auch gegen die Sonne sehr gut sehen und die Brille soll auch angeblich dann nicht zerbrechen, wenn ich einen Ball am Netz mit voller Wucht ins Gesicht bekomme. Das ist die einzige wirkliche Gefahr in diesem Sport, wenn man ihn nicht übertreibt.“

      „Im Fernsehen sagen die Reporter doch immer, der oder die hätte ein exzellentes Auge, scheint also sehr wichtig zu sein, Adleraugen zu haben, oder?“

      „Ja, ganz enorm wichtig! Solange der Ball im Spiel ist, muss er scharf beobachtet werden. Das sind bei einer Stunde Spielzeit im Match nur höchstens fünfzehn Minuten, eher weniger. Starren Sie nur mal eine Minute oder auch nur 20 Sekunden auf einen gelben Punkt. Dann werden Sie merken, wie Ihre Konzentration nachlässt. Sobald sie an etwas anderes denken, verschwimmen die Konturen des Balles. Wenn Sie ihn unscharf sehen, treffen sie ihn häufiger unsauber. Eine Ball mit dem Rahmen zu treffen statt mit dem Sweetspot, ist nicht ganz so „süß“ für den Ellbogen. Dann kann es sein, dass es Ihr Arm schwer hat und Ihr Gegner leicht.“

      „Wann geht es los mit dem ersten Wahnsinns-Wettkampf?“

      „Heute Abend, unter Flutlicht! Die haben hier am Hotel einen Match-Service für Leute, die keinen Partner haben. Ziemlich praktische Sache. Man muss seine Spielstärke angeben – von Anfänger bis Vollprofi – und dann besorgen die einen Gegner aus der Kategorie, der man angehört.“ „Es gibt nur zwei Stufen?“ fragte ich erstaunt. „Nein, sechs. Ich fühle mich als fortgeschrittener Anfänger, das wäre Gruppe 2, habe mich aber als fortgeschrittener Spieler, also Gruppe 3, eingeschrieben, weil ich etwas lernen will.“ „Ist dass nicht ein bisschen sehr mutig?“ wollte ich wissen. „Was wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren?“ antwortete Jonathan. „Und was ist morgen geplant?“ „Morgen veranstalten die vom Hotel aus ein Gästeturnier um so begehrenswerte Preise wie eine Flasche Champagner oder einen Sonntagsbrunch für Zwei.“ „Große Sache!“ bemerkte ich ironisch. „Erst will ich mal gegen den Dreier gut aussehen!“ steckte sich Jonathan sein Ziel für heute.

      Nun, über das Flutlichtspiel ist zu berichten, dass die Temperatur am Abend angenehm war, aber dass man schon Augen wie ein Luchs haben musste, wenn man die doch viel schwächere Lichtstärke als sie unsere Sonne spendete, kompensieren wollte. „Nicht ohne Grund wird Licht in Lux gemessen“, verkündete Jonathan, der natürlich wusste, dass es nichts mit dem Tier aus der Familie der Katzen zutun hatte, sondern Licht eben auf Lateinisch „lux“ heißt. Der angebliche Dreier entpuppte sich als echter Vierer, also als ein ausgewachsener Fortgeschrittener. Wenn er nicht im zweiten Satz Probleme mit seinem Kreuz, er meinte es seien die Nieren, bekommen hätte, würde Jonathan wohl das Nachsehen gehabt haben. So aber wurde die Partie nach Sätzen unentschieden abgebrochen. Schweißtriefend wankten beide Kämpfer unter die Dusche.

      Übrigens das Gästeturnier am nächsten Tag fiel mangels Teilnehmer buchstäblich ins Wasser, aber nicht weil es regnete, sondern weil die feucht-schwüle Hitze die Touristen an den Strand und ins lauwarme Meer getrieben hatte. Jonathan und ich fuhren stattdessen mit unserem geliehenen Cabrio, Chrylser Le Baron stand am Heck, aufs Festland und dann rechts über die Autobahn 1-395 auf dem Mac Arthur Causeway nach Miami Beach. An den pastellfarbenen Gebäuden des weltberühmten Art Deco Viertels vorbei kamen wir zum Fisher Island Fährterminal.

      „Grundstücksspekulanten wollten dieses ganze Gebiet, eines der größten historischen Kleinodien der USA, aus Geldgier niederreißen und nicht etwa durch ein Wunder, sondern durch den aktiven Kampf kunstsinniger Menschen wurde es schließlich gerettet. Die eigentümliche Atmosphäre hier lässt sich nicht beschreiben, die diese Bonbonfarben und Ornamente auf den Häusern ausstrahlen. Es sind immerhin 960 Bauten, die in den 30er und 40er Jahren so entstanden sind. Damit ist dieses Art Deco Distrikt das zweitgrößte der Welt nach Napier in Neuseeland und sicherlich auch das bekannteste. Dieses besondere Fluidum kann nur an Ort und Stelle erlebt werden. Ich bin immer high, als Ästhet von Kunst und Design jedes Mal tief berührt, wenn etwas außergewöhnlich gut ist, gerade weil es auf das Wesentliche reduziert ist“, kommentierte Jonathan begeistert die Umgebung.

      Fisher Island, Floridas Luxusinsel in privater Hand, ist nur mit der Fähre zu erreichen und wenn man dort nicht Resident ist oder wenigstens ein Appartement oder eine Villa gebucht hat, kommt man gar nicht erst mit. Die Insel ist ein Paradies für Golf- und Tennisspieler, letztere finden dort gelenkschonende Plätze in drei Varianten: grüne Hart-Tru Asche, rote Kleinfeldplätze und als Clou drei Rasencourts. „Wenn die mich schon nicht auf dem heiligen Rasen von Wimbledon antreten lassen, will ich wenigstens mal das Feeling von Gras spüren“, sagte Jonathan mit blitzenden Augen. Weiß der Teufel, wie er die Einladung von einem der Inselbewohner ergattert hatte. Irgendwie hatten sie mal geschäftlich miteinander zutun gehabt und jetzt verlebte der bedauernswerte Mann aus New York seine Millionen vorzugsweise im Fisher Island Club. Das Gästehaus hatte 1925 der Eisenbahnkönig Vanderbilt bauen lassen, der vorher von dem Architekten Carl Fischer die gesamte Insel gegen eine Luxusyacht samt Besatzung eingetauscht hatte.

      „Der Bekannte von mir spielt weder Tennis noch Golf und segelt auch nicht, aber er ist ein ausgewiesener Gourmet und angeblich soll es in dem Club das beste Essen von ganz Florida geben, zumindest aber das teuerste.“

      „Und СКАЧАТЬ