Название: Von Homer zu Jesus
Автор: Gregor Bauer
Издательство: Bookwire
Жанр: Философия
isbn: 9783742719782
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Hesiod: Werke und TageLandleben im alten Griechenland. Die „älteste zusammenhängende Überlieferung griechischer Religiosität“ (Jacob Burckhardt, Griechische Kulturgeschichte 2,3,2).
Das Wort hat Hesiod
„Zwei Arten von Streit wirken in der Welt; die eine ist zu loben, die andere nicht. Gut ist der Wettstreit: Er treibt selbst die Faulen, ihre Nachbarn zu übertreffen. So grollt der Töpfer dem Töpfer, der Zimmerer dem Zimmerer. Doch schlecht ist der Streit, der den Sinn von der Arbeit abwendet zu Zänkereien“ (vgl. WuT 12ff).
„Tiere fressen einander auf, denn bei ihnen herrscht kein Recht. Aber dem Mensch gab Zeus das Recht, das höchste Gut von allen“ (WuT 275).
„Schlimmes bereitet sich selbst, wer anderen Schlimmes bereitet“ (WuT 264).
Homer: Mord und Totschlag, dazu Hammelkeule mit Fladenbrot
Homer (2. Hälfte 8. Jahrhundert v. Chr.) ist der erste Dichter des Abendlands. „Alle Literatur, die nach ihm kam, stand in seinem Bann“ (Latacz 1430). Manche Forscher vermuten mehrere Autoren hinter seinen Werken.
Bei Hesiod steht Zeus für eine mehr oder weniger moralische Weltordnung. Nicht so bei dem älteren Homer: Dessen Götter und Menschen leben in einem Dickicht aus Hinterhalt, Lüge und Betrug. Doch Homer fragt auch, wie wir uns durch dieses Dickicht zur Wahrheit durchschlagen können. Nicht nur deshalb lohnt es sich für Sinnsuchende, dem Altmeister der dichterischen Illusion für eine Weile auf den Leim zu gehen.
Wie kann es sein, dass die Welt von einem Gott regiert wird, wo es doch in ihr so ungerecht zugeht? Dieses Problem hat die Frommen vieler Jahrhunderte in Verlegenheit gebracht. Homer hätte abgewunken: Ein Gott regiert, trotzdem geht es nicht gerecht zu auf der Welt? Stimmt. Aber was ist daran so sonderbar?
Bei Homer lügen und betrügen die Götter, dass es eine Pracht ist. Der Oberste aller Götter, Zeus, macht da keine Ausnahme: In Homers „Ilias“ verspricht er den Griechen für die nächste Schlacht einen triumphalen Sieg – aber nur, um sie in eine vernichtende Niederlage zu locken. In Homers „Odyssee“ erfreut sich die Göttin Athene an den raffinierten Lügengespinsten ihres Schützlings Odysseus. „Schon als Kind hast du Verstellung und erdichtete Worte geliebt“, bemerkt die inkognito Reisende augenzwinkernd, als er einmal ausgerechnet ihr etwas vorflunkern will. „Aber genug davon. Wir kennen beide diese Kunst.“
Eine Kunst ist die Lüge in der Tat. Schließlich braucht es Verstand und Geschicklichkeit, um die Unwahrheit glaubhaft zu machen. Athene hat es vorgemacht: Um den trojanischen Prinz Hektor endlich zur Strecke zu bringen, verwandelte sie sich in seinen Bruder und lockte ihn mit falschen Versprechen in einen aussichtslosen Kampf.
Wenn Götter und Helden lügen, warum sollte es ausgerechnet der göttlich inspirierte Dichter nicht tun? Da wäre er schlecht beraten. Schließlich hat er sich weit mehr vorgenommen als die getreue Wiedergabe nüchterner Tatsachen. Wenn Homer seinen Gesang anstimmt, dann will er in den Menschen die höchste Freude wecken, zu der sie fähig sind: „Ich kenne im Leben nichts Besseres“, lässt er seinen Odysseus schwärmen, „als wenn beim Fest im Schloss die Gäste den Liedern des Sängers lauschen, während die Tische von Gebackenem und Fleisch gefüllt sind und der Schenke fleißig den Wein schöpft“ (Od 9,3–11).
Homer will Verse dichten, die so herrlich sind, dass sie einer verwöhnten Gästeschar besser schmecken als Hammelfleisch, Fladenbrot und griechischer Wein. Da darf er nicht zimperlich sein, wenn seine Musen schwindeln, um ihm ihre schönsten Pointen und überraschendsten Wendungen zuzuspielen.
So überlässt sich Homer seinen aus Täuschung und Wahrheit gewobenen Geschichten – und wird darüber zum Entdecker einer dichterischen Kausalität, die seine Zuhörer mit geradezu naturgesetzlicher Zwangsläufigkeit fesselt.
Wer sich nicht schämt zu lügen, kann erzählen was er will? Das gilt nur für Dilettanten. Nicht dafür hängt Homer die Wahrheitsfrage tiefer, dass er sich in die Beliebigkeit flüchten kann. Sondern er befreit sich vom Diktat der Tatsachen, um den Gesetzen der Dramaturgie zu folgen.
In der Ilias geht es streng folgerichtig zu. Alles was geschieht, ist Teil einer Kausalitätskette. Jedes Ereignis ist eine Kraft, die auf die Entwicklung der Handlung einwirkt. Wie wohlproportioniert dies alles aufeinander abgestimmt ist, kann nur fühlen, wer die Ilias liest. Eine Zusammenfassung kann bestenfalls eine Ahnung vermitteln.
Die Ilias: vom Zorn des Achill
Sei’s drum – fassen wir die Grundzüge der Ilias zusammen:
Die griechischen Belagerer Trojas haben das Mädchen Chryseis erbeutet. Ihr Vater, der Apollonspriester Chryses, sucht das Lager der Griechen auf und bittet um die Rückgabe seiner Tochter. Er ist bereit, reichlich für sie zu bezahlen. Doch der Besitzer des Mädchens, der oberste Heerführer Agamemnon, weist den Priester schroff ab. Der wendet sich an Apollon um Hilfe.
Apollon erhört seinen Priester und straft die Griechen mit einer Pest. Das wiederum ruft Achill auf den Plan, den stärksten Krieger Agamemnons und gleichzeitig seinen gefährlichsten Rivalen. Achill ermutigt den Seher Kalchas, frei heraus zu sagen, warum die Pest wütet – ob es dem Agamemnon passt oder nicht. Und Kalchas, der „heiße Draht“ der Griechen zu den Göttern, sagt gegen den Heerführer aus: Erst wenn Agamemnon seine Chryseis ihrem Vater zurückgebe, werde Apollon seine Pestpfeile im Köcher lassen.
Nun muss Agamemnon also doch seine Chryseis hergeben. Das macht ihn wütend auf Achill, der dem Seher Rückhalt verschafft hat. Agamemnon zahlt dem Achill mit gleicher Münze heim und nimmt ihm seine Kriegsbeute, das Mädchen Briseis.
Jetzt kann die Geschichte ihren Lauf nehmen, die Homer erzählen will: die Geschichte vom Zorn des Achill. Voller Schmerz über den Verlust der Geliebten und maßlos empört über die Demütigung durch den Heerführer, verweigert Achill seine weitere Mitwirkung im Krieg. Dass er nicht mehr mitmacht, sollen Agamemnon und sein Heer so empfindlich wie möglich zu spüren bekommen. Sprich: Je mehr seiner eigenen Landsleute im Krieg sterben, desto besser für Achill.
Das Kriegsglück soll sich nun also von den Griechen ab- und den Trojanern zuwenden. Zeus tut dem Achill den Gefallen, auf Bitten von dessen göttlicher Mutter. Von nun an enden die Schlachten der Griechen regelmäßig in verheerenden Niederlagen. Bis in einer dieser Schlachten ein Grieche fällt, an dem Achill etwas liegt: sein Freund Patroklos. Dessen Tod gibt Achills Zorn eine neue Wendung: Um Patroklos zu rächen, zieht er wieder gegen die Trojaner. Achills Zorn ist erst besänftigt, nachdem er Hektor, den Sieger über Patroklos, getötet und seine Leiche tagelang geschändet hat. Am Ende fügt sich Achill dem Willen der Götter und überlässt die Leiche Hektors dessen Vater Priamos.
Rauben, lügen, morden: Tugenden der Aristokratie
Homers festlich tafelnde Zuhörer werden diese Erzählung genossen haben, ohne sich lange mit der Frage aufzuhalten, ob denn das alles nicht erlogen sei. Ohnehin pflegten sie zur Lüge ein Verhältnis vornehmer Diskretion. Anders wären die aristokratischen Tugenden, die sie hochhielten, gar nicht lebbar gewesen. Wie sollte etwa ein Hausherr die Tugend der Gastfreundschaft in Ehren halten, wenn er nicht zuvor die Ressourcen ergaunerte, mit denen er seine Gäste verwöhnte? Es verriet das Herz eines mittellosen Knechts, wenn СКАЧАТЬ