Название: Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen
Автор: Ludwig Bechstein
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742749215
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machte die ganze Hausflur hell, trat ihr in die Stube
nach und schlug mit seiner Flackerlohe alle Leute, die
ihm in den Weg und Wurf kamen, dann fuhr er zum
Schornstein hinauf und aus dem Schlot wie ein Feuerdrache
und walzte über alle Dächer, daß sich männiglich
entsetzte. Am andern Tage waren alle, und das
Mädchen zumeist, »blitzeblo« von des Heerwisches
Schlägen. Die Heer- und Irrwische und Feuermänner
werden für Verstorbene gehalten, welche wegen ihrer
Übeltaten im Leben die ewige Ruhe nicht finden, insonderheit
sind es falsche Feldmesser,
Grenzsteinverrücker und Bauern, die dem Nachbar
die Furchen abpflügen, die in ganz Deutschland für
solche gehalten werden, die als Feuermänner büßen
müssen. Im deutschen Norden gelten die Irrwische für
die Seelen ungetauft verstorbener Kinder. In Thüringen
haben die Leute ein Sprüchwort, wenn einer recht
hastig rennt: Du läufst ja wie ein feuriger Mann.
58. Die Wiesenjungfrau und das Niesen
Auf einer grünen Wiese bei Auerbach, eine Meile von
Lorsch, hütete ein Hirtenbub seines Vaters Kühe,
stand müßig und dachte an gar nichts. Da fühlte er auf
einmal einen sanften Backenstreich auf seiner Wange
von einer weichen Hand, und wie er erschrocken sich
umdrehte, so stand eine wunderschöne Jungfrau vor
ihm da, schloßschleierweiß, und tat den Mund auf,
ihn anzureden. Aber der Bub tat vor Schreck einen
Brüll, als wenn er am Spieße stäke, und rannte davon,
nach Auerbach zu und hinein. Nach einiger Zeit hütete
der Bube abermals auf jener Wiese und stand träumend
in der heißen Mittagsstunde am Waldesrain. Da
raschelte es am sonnigen Rain, als schlüpfe ein Eidechs
ins Dorngebüsch, der Knabe blickte hin, da sah
er eine kleine Schlange, die trug in ihrem Mund eine
blaue Blume und sprach: Guter, erlöse mich! erlöse
mich! Mit dieser Blume öffnest du droben im alten
Schloß Auerbach die verfallenen Keller und die Fässer
voll Gold, und alles ist dein! Nimm die Blume,
nimm die Blume! – Aber dem Buben wurde es ganz
unheimlich und graulich, er hatte all sein Lebetage
noch keine Schlange sprechen hören – und lief von
dannen, als wenn der wilde Jäger hinter ihm drein
wäre. Als der Spätherbst kam, hütete derselbe Bube
zufällig wieder an derselben Stelle, und da empfing er
wieder einen sanften Backenstreich und sah im Umdrehen
wieder die weiße Jungfrau, welche ihn flehend
ansprach: Erlöse mich! erlöse mich! Ich will dich
reich und glücklich machen. Du allein kannst es, nur
du allein. Ich bin verwünscht, zu harren und zu wandeln,
und kann nicht eher zur Seligkeit eingehen, bis
aus einem Kirschkern, den ein Vöglein auf diese
Wiese fallen läßt, ein Kirschbaum groß und stark gewachsen
ist, der Baum abgehauen und aus ihm eine
Wiege gemacht wird. Nur das erste Kind, das in solcher
Wiege geschaukelt wird, kann dadurch mich erlösen,
daß es mit der blauen Blume, die ich hier halte,
hinauf zur Burg geht und dort die unterirdischen
Schätze hebt. Du bist das Kind, das in solcher Wiege
gewiegt worden. – Als der Bube diese Rede hörte, zitterte
er, und es lief ihm eiskalt über den Nacken, denn
er hatte kein Herz, und wenn der Mensch kein Herz
hat, ist er ein Tropf. Und kreuzigte und segnete sich
und schüttelte mit dem Kopfe. – Wehe mir! Wehe!
rief da die Jungfrau. So muß ich wieder hundert Jahre
harren und wandeln, wehe dir, daß du kein Herz hast,
so sollst du auch keins finden! – Und tat einen lauten
Schmerzensschrei und verschwand.
Der Bube aber ging von diesem Tage an still und
bleich umher und hat nicht lange gelebt.
Eine ähnliche Sage von dem Kirschkern, Baum und
Wiege, an die sich Hoffnung auf Erlösung knüpft,
geht von den Trümmern der Burgruine Raueneck in
Österreich. Dort bei Auerbach aber ist's auch sonst
nicht geheuer. Über das Flüßchen, die Auerbach, geht
ein Brückchen. Als einstens jemand darüberschritt,
hörte er es im Wasser niesen, und zwar dreimal, und
dreimal sprach er: Gott helf! Da stieg die Gestalt
eines Knaben aus dem Wasser und rief: Gott danke
dir, du hast mich erlöst! Darauf hab' ich dreißig Jahre
gewartet. Ein anderer hatte oberhalb der Brücke auch
dreimal niesen hören; zweimal hatte er Gott helf! gerufen,
weil aber niemand einen Dank zurückrief, so
schreit er beim dritten Male: Hole dich der Teufel! –
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