Название: Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen
Автор: Ludwig Bechstein
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742749215
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indem sie sprach, es dünke ihr, daß er zu des Pfaffen
Schwester schleiche. Da ward die Frau unsäglich betrübt
und weinte sehr, und als ihr Gemahl sie fragte,
warum sie weine, so sagte sie ihm ihren Verdacht und
ihren Kummer an. – Du bist töricht, antwortete ihr der
Ritter, die, so ich inniglich minne, ist des Pfaffen
Schwester nicht, ist eine viel Höhere und Schönere –
und wandte sich hinweg von seiner Frau. Dieser brach
solche Antwort fast das Herz, zumal sie gesegneten
Leibes sich befand, und in Unsinnigkeit der Eifersucht
ergriff sie ein Messer und stach sich's in den
Hals.
Da der Ritter nach Hause kam vom Gebet und das
Unheil sah, erschrak er, daß ihm das Herz kalt ward,
und fiel in Ohnmacht, und als er wieder zu sich kam,
raufte er sein Haar und klagte aller Schuld sich an und
rief unter tausend Tränen seine Heilige um Schutz und
Beistand. Da erschien ihm die heilige Katharine abermals
sichtbarlich mit ihren beiden Jungfrauen und
sprach: Auf dein Gebet und meine Fürbitte ist deine
Frau wieder lebendig geworden und hat ein Töchterlein
geboren! – und neigte sich über ihn und wischte
mit ihrer Hand über seine tränenquillenden Augen,
daß die Hand ganz davon überfeuchtet wurde, und
siehe, da ward aus dem Tränennaß ein Handschuh, so
weiß und zart wie das Häutchen im Ei, und St. Katharina
streifte ihn sanft ab und entschwand mit ihren
Begleiterinnen, und der Ritter fand den Handschuh in
seiner Hand liegen. Indem so kam ein Bote, der ihn
suchte, und rief: Herr! dein Gemahl lebt und hat ein
Töchterlein geboren. – Da ging der Ritter freudenvoll
heim, umarmte und küßte Weib und Kind, und beide
lobten Gott und die heilige Katharine. Die Frau ließ
ein Kloster bauen, und der Ritter tat eine Bußfahrt in
das Heilige Land, und als er zurückkam, ließ er jenen
Rosenkranz und den Handschuh, den er auf seinen
Helm gebunden mit sich geführt und der in allen Gefahren
ihn wunderbarlich geschirmt hatte, in der Kirche
zum Gedächtnis aufbewahren, nahm auch den
Handschuh auf in sein Wappenschild und nannte sein
Geschlecht und seinen Sitz Handschuchsheim.
53. Des Rodensteiners Auszug
Im Odenwalde oder nahe dabei stehen zwei Trümmerburgen,
die heißen der Rodenstein und der Schnellert,
zwei Stunden voneinander entfernt. Die Herren von
Rodenstein waren ein mächtiges Rittergeschlecht.
Einer derselben war ein gewaltiger Kriegs- und Jagdfreund,
Kampf und Jagd war sein Vergnügen, bis er
auf einem Turnier zu Heidelberg auch die Minne kennenlernte
und ein schönes Weib gewann. Doch lange
hielt er es nicht aus im friedsamen Minneleben auf
seiner Burg, eine nachbarliche Fehde lockte ihn zu
blutiger Teilnahme. Vergebens und ahnungsvoll
warnte sein Weib, bat und flehte, sie nicht zu verlassen,
da sie in Hoffnung und ihrer schweren Stunde
nahe war. Er zog von dannen, achtete ihres Flehens
nicht – sie aber war so sehr erschüttert, daß ihre
Wehen zu früh kamen – sie genas eines toten Sohnes
und – starb. Der Ritter war, dem Feinde näher zu
sein, auf seine Burg Schnellert gezogen – dort erschien
ihm im Nachtgraun der Geist seines Weibes
und sprach eine Verwünschung gegen ihn aus. Rodenstein!
sprach sie, du hast nicht meiner, nicht deiner
geschont, der Krieg ging dir über die Liebe, so sei
fortan ein Bote des Krieges fort und fort bis an den
Jünsten Tag! –
Bald darauf begann der Kampf. Der Rodensteiner
fiel und ward auf Burg Schnellert begraben. Ruhelos
muß von Zeit zu Zeit sein Geist ausziehen und dem
Lande ein Unheilsbote werden. Wenn ein Krieg auszubrechen
droht, erhebt er sich schon ein halbes Jahr
zuvor, begleitet von Troß und Hausgesinde, mit lautem
Jagdlärm und Pferdegewieher und Hörner- und
Trompetenblasen. Das haben viele Hunderte gehört,
man kennt sogar im Dorfe Oberkainsbach einen Bauernhof,
durch den er hindurchbraust mit seinem Zuge,
dann durch Brensbach und Fränkisch-Krumbach und
endlich hinauf zum Rodenstein zieht. Dort weilt das
Geisterheer bis zum nahenden Frieden, dann zieht es,
doch minder lärmend, nach dem Schnellert zurück. Im
vorigen Jahrhundert sind im Gräflich-Erbachischen
Amte zu Reichelsheim gar viele Personen, die den
Nachtspuk mit eigenen Ohren gehört hatten, amtlich
verhört worden und haben ihre СКАЧАТЬ